So eine Schlagzeile muss uns freuen: "Lehrstellen für alle", so betitelt Inge Kloepfer ihren Artikel in der FAZ und jubelt weiter, damit es auch ja bei uns hängenbleibt: »Noch nie waren die Einstellungschancen für Lehrlinge so gut wie heute. Unternehmen locken mit vielen Anreizen. Selbst mittelmäßigen Schülern stehen die Türen offen.« In dieser Tonlage geht es weiter, denn wir erfahren, dass die Zeiten eines nahezu chronischen Lehrstellenmangels der Vergangenheit angehören, dass sich auf dem Ausbildungsmarkt vor allem wegen der sinkenden Jahrgangsstärken ein Paradigmenwechsel vollzogen hat. Dann wird der neue DHIK-Präsident Eric Schweitzer zitiert, der für dieses Jahr von 70.000 nicht besetzten Ausbildungsstellen schwadroniert. Und für die jungen Menschen brechen jetzt goldene Zeiten an, folgt man der Argumentation in diesem Artikel: »Das Leid des einen ist die Chance des anderen. Aus Perspektive der Jugendlichen wird es immer besser. Schon heute werden fast alle gebraucht - nicht nur die leistungsstarken.«
Besonders putzig: Die Autorin führt dann an dieser Stelle McDonald's als Beispielunternehmen an. Die machen gerade eine Kampagne namens „Du hast die Zukunft! Wir haben den Plan“ (sicher hat sich das eine coole, junge Werbeagentur ausgedacht, um die "Zielgruppe" zu adressieren). Und warum machen die das? »Auffällig offensiv wirbt der Konzern um jeden Schulabgänger. Die Zahl der Azubis ist auch bei McDonald’s gesunken - allerdings nicht, weil das Unternehmen weniger ausbilden will. Von 1000 angebotenen Ausbildungsplätzen im Jahr 2012 konnten nur 700 besetzt werden.« Nun könnt es ja auch sein, dass die Nachwuchsrekrutierungsprobleme nicht nur etwas mit der rückläufigen Zahl an Schulabgängern zu tun hat, sondern dass es darüber hinaus ganz unternehmens- oder branchenspezifische Ursachen geben könnte, aber noch nicht einmal der Gedanke daran taucht in diesem Artikel auf.
Informationen, Analysen und Kommentare aus den Tiefen und Untiefen der Sozialpolitik
Dienstag, 30. Juli 2013
Das Land der Niedriglöhne und die es umgebenden Länder
Die Berichterstattung über eine neue Studie des IAB zum Thema Niedriglöhne in Deutschland war eindeutig und tut besonders weh vor dem Hintergrund des internationalen Vergleichs: "Jeder vierte Deutsche muss für Niedriglohn arbeiten", so beispielsweise Spiegel Online: »Knapp ein Viertel aller Beschäftigten in Deutschland bezieht einen Niedriglohn von weniger als 9,54 Euro brutto pro Stunde. Das geht aus einer Studie des Forschungsinstituts IAB hervor. Europaweit gibt es nur in Litauen mehr Geringverdiener als hierzulande.« Es handelt sich um die Studie "Deutsche Geringverdiener im europäischen Vergleich" von Thomas Rhein. Man muss dabei beachten, dass es um einen Vergleich der Niedriglohnbeschäftigung zwischen Deutschland und 16 anderen europäischen Ländern geht und sich die dafür verwendeten Daten aus das Jahr 2010 beziehen.
Datengrundlage der Studie ist der "Survey on Income and Living Conditions“ (EU-SILC), eine repräsentative Befragung von Haushalten in den Mitgliedsländern der EU, bei der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte mit Angaben zur Arbeitszeit in allen Betrieben unabhängig von deren Größe oder Branche erfasst werden. Das erlaubt eine umfassende Analyse.
Datengrundlage der Studie ist der "Survey on Income and Living Conditions“ (EU-SILC), eine repräsentative Befragung von Haushalten in den Mitgliedsländern der EU, bei der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte mit Angaben zur Arbeitszeit in allen Betrieben unabhängig von deren Größe oder Branche erfasst werden. Das erlaubt eine umfassende Analyse.
Freitag, 26. Juli 2013
Wenn Unsinn Wirklichkeit wird - das "Bürokratiemonster" Betreuungsgeld taucht aus dem Loch Ness staatlicher Leistungen auf
Diese Tage schauen alle wie gebannt auf die (Nicht-)Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, der zum 1. August dieses Jahres auch formal scharf gestellt wird. Dabei wird von vielen übersehen, dass neben dem Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz am gleichen Tag auch eine neue Leistung das Licht der Welt erblicken wird, die vor wenigen Monaten eine heftige Debatte in Deutschland ausgelöst hatte - das Betreuungsgeld. Darf man an dieser Stelle erinnern an den fundamentalistischen Rigorismus, mit der gegen bzw. für diese neue Geldleistung aus dem unerschöpflichen Beglückungsfundus des Staates argumentiert und polemisiert wurde?
Für die einen symbolisiert das Betreuungsgeld den frauen- und familienpolitischen Rückschritt par excellence, insofern wurden und werden begriffliche Zuspitzungen wie "Herdprämie" oder auch "Kita-Fernhalteprämie" verwendet. Von den anderen wurde das Betreuungsgeld zur Lichtgestalt der dadurch angeblich realisierbaren "Wahlfreiheit" der Familien zwischen Eigen- oder Fremdbetreuung hochstilisiert.
Für die einen symbolisiert das Betreuungsgeld den frauen- und familienpolitischen Rückschritt par excellence, insofern wurden und werden begriffliche Zuspitzungen wie "Herdprämie" oder auch "Kita-Fernhalteprämie" verwendet. Von den anderen wurde das Betreuungsgeld zur Lichtgestalt der dadurch angeblich realisierbaren "Wahlfreiheit" der Familien zwischen Eigen- oder Fremdbetreuung hochstilisiert.
Mittwoch, 24. Juli 2013
(Schein-)Werkverträge im Visier der Rechtsprechung
Immer öfter wird über das Thema Werkverträge kritisch diskutiert. Man denke hier nur an die ARD-Dokumentation "Hungerlohn am Fließband. Die neuen Methoden des Lohndumpings", die im Mai 2013 ausgestrahlt wurde und die das Thema am Beispiel von Daimler problematisierte. Dabei wird immer deutlicher, dass sich die Werkverträge von unten bis nach oben auf der Qualifikationsleiter ausgebreitet haben, hierzu beispielsweise der Beitrag "Werkverträge: Billiglöhne in Deutschland" des Wirtschaftsmagazins Plusminus (ARD), der das am Beispiel eines Lageristen, eines Technikers in der Entwicklungsabteilung eines Automobilkonzerns und eines Versuchsfahrers exemplarisch dargestellt hat. Weit verbreitet ist die Beschäftigung von Ingenieuren auf Werkvertragsbasis bei den Automobilherstellern, die dadurch nicht zur Stammbelegschaft gehören.
Montag, 22. Juli 2013
Zwischen Himmel und Hölle: Wenn das Wohnen die einen arm und einige andere sehr reich macht
Das Thema Wohnen ist derzeit mal wieder auf dem Weg an die Spitze der für die Menschen besonders wichtigen Themen - dies allerdings aus völlig unterschiedlichen, teilweise absolut gegenläufigen Gründen: Die einen sehen in Immobilien die einzige noch verbliebene Kapitalanlage, infolgedessen fließen große Summen in den Wohnungsmarkt. Sie wollen ihr Geld in Sachwerte investieren und natürlich auch gerne eine Rendite erzielen, die oberhalb der wertfressenden Inflationsrate. Andere hingegen kämpfen in den Regionen, vor allem in den Städten, wo sie arbeiten (müssen), mit massiv steigenden Mieten, was das verfügbare Haushaltsbudget erheblich mindert. Gerade in diesen Städten, wo es oftmals auch die meisten Hochschulen angesiedelt sind, leiden die Studierenden an einer echten Wohnungsnot, werden sie doch auch immer mehr, nicht aber die ihrem Budget entsprechenden Wohnungsangebote. Wieder andere sind mit einem ganz anderen Phänomen konfrontiert: Sie leben in ländlichen Regionen, in denen nichts ist mit Wertanlage Immobilie, sondern wo sie mit sinkenden Preisen, massiven Leerständen und Abwanderung zu kämpfen haben. In den Metropolen boomt der Immobilienmarkt. Doch in weiten Teilen des Landes sieht es anders aus: Dort stehen Häuser leer. Warum die Deutschen in die Städte flüchten und welche dramatische Spaltung des Immobilienmarktes beobachtbar ist, darüber berichtet der Handelsblatt-Beitrag "Wo Häuser nichts mehr wert sind" von Jörg Hackhausen und Jens Hagen ausführlich.
Sonntag, 21. Juli 2013
Das Ehrenamt in der Krise und der Verein als vom Aussterben bedrohte Art? Neue Zahlen geben einige Hinweise, die eine andere Entwicklung andeuten
Wer kennt das nicht - seit Jahren schon wird lautstark die Klage vorgetragen, dass immer weniger Menschen in Deutschland bereit seien, sich in Vereinen oder anderen gemeinnützigen Organisationen zu engagieren, dass immer weniger Menschen bereit seien, ehrenamtliche Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Sportvereinen bröckelt der Nachwuchs weg, auch viele Feuerwehren werfen bedrohliche Schatten an die Wand was die eigene Funktionsfähigkeit angeht, weil viele Wehren ebenfalls Nachwuchssorgen haben und die, die dann noch mitmachen, oftmals tagsüber aus beruflichen Gründen in ganz anderen Gegenden sein müssen und eben nicht zu Hause anwesend sein können. Nur ein Beispiel von vielen: »... 95% aller Brände in Nordrhein-Westfalen werden von den freiwilligen Feuerwehren bekämpft. Ein Schutz der in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein kann, wenn weiterhin der Feuerwehr-Nachwuchs fehlt. In Nordrhein-Westfalen sind 396 Freiwillige Feuerwehren im Einsatz. Jährlich verlieren sie rund 2.000 Mitglieder ... die Anzahl entspricht der Mitgliederzahl vieler Freiwilliger Feuerwehren.«
Freitag, 19. Juli 2013
Ein mehrfaches Drama in Zahlen: Zur gesundheitlichen Situation von langzeitarbeitslosen Menschen
Es gibt in der Arbeitsmarktforschung eine lange Traditionslinie von Forschungen, die eine besondere gesundheitliche Belastung von arbeitslosen Menschen, vor allem hinsichtlich der zerstörerischen Wirkung lang andauernder Arbeitslosigkeit, nachweisen können. Man denke hier nur an die für die Sozialforschung so wichtige "Marienthal-Studie", die die Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs dieses österreichischen Ortes in den 1930er Jahren untersuchte (vgl. hierzu: Jahoda, M., Lazarfeld, P. F. und Zeisel, H.: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit, Frankfurt: Suhrkamp 1975).
»Gesundheitlich eingeschränkte Arbeitnehmer tragen ein höheres Risiko, entlassen zu werden, und sie bleiben überdurchschnittlich lange arbeitslos. Zudem kann Arbeitslosigkeit gesundheitliche Probleme auslösen oder verstärken. Auch die wahrgenommene Unsicherheit des eigenen Arbeitsplatzes hat bereits deutlich negative Auswirkungen auf die Gesundheit«: Mit diesen Worten beschreibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) einführend die Informationsplattform "Arbeitslos – Gesundheit los – chancenlos?", auf der man zahlreiche Materialhinweise zum Thema finden kann.
»Gesundheitlich eingeschränkte Arbeitnehmer tragen ein höheres Risiko, entlassen zu werden, und sie bleiben überdurchschnittlich lange arbeitslos. Zudem kann Arbeitslosigkeit gesundheitliche Probleme auslösen oder verstärken. Auch die wahrgenommene Unsicherheit des eigenen Arbeitsplatzes hat bereits deutlich negative Auswirkungen auf die Gesundheit«: Mit diesen Worten beschreibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) einführend die Informationsplattform "Arbeitslos – Gesundheit los – chancenlos?", auf der man zahlreiche Materialhinweise zum Thema finden kann.
Mittwoch, 17. Juli 2013
Nachschub für den Niedriglohnsektor in Deutschland - und "hilfreiche Tipps" zur gelingenden Lebensführung mit wenig Geld vom "großen Bruder"
Die angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin muss sparen – und lagert 220 Beschäftigte unsanft in den Niedriglohnsektor aus. Wenn die Betroffenen nicht mitziehen, wird ihre neue Firma geschlossen - das berichtet Sven Clausen in seinem Artikel "Air Berlin schiebt seine Service-Mitarbeiter ab". Die finanziell angeschlagenen Fluglinie Air Berlin plant die Abgabe seiner Tochter "Service Center KG" an die Bertelsmann-Tochter Arvato zum 1. Oktober 2013. In der Service-Tochter »werden Kundenanfragen beantwortet, die das Unternehmen über Telefon, Mail, Post, Website oder auch Reisebüros erreichen.« Von den 9.000 Air Berlin-Beschäftigten sind zwar "nur" 220 in der Tochter-Gesellschaft beschäftigt, die hat aber - eigentlich - eine große Bedeutung: »Da über sie der komplette Kundenkontakt läuft, sind sie allerdings für den Vertriebserfolg der Airline zentral. Noch im aktuellen Geschäftsbericht weist der Konzern auf Seite 31 auf die Bedeutung eines "möglichst intensiven (…) Kundenkontakts" hin.«
Was schert mich das Geschwätz von gestern, so das Motto des neuen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Prock-Schauer, der bis Ende des kommenden Jahres 400 Mio. Euro Kosten einsparen will. Um das zu erreichen, hat er ein radikales Sparprogramm aufgelegt, mit der bezeichnenden Betitelung "Turbine".
Was schert mich das Geschwätz von gestern, so das Motto des neuen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Prock-Schauer, der bis Ende des kommenden Jahres 400 Mio. Euro Kosten einsparen will. Um das zu erreichen, hat er ein radikales Sparprogramm aufgelegt, mit der bezeichnenden Betitelung "Turbine".
Dienstag, 16. Juli 2013
Riester(-Rente) auf der Flucht?
"Ende des Riester-Booms", so die Süddeutsche Zeitung. Oder "Riester-Rente droht zu scheitern", so die Berliner Zeitung. Keine schönen Schlagzeilen für den finanzindustriellen Komplex. Die private Altersvorsorge in Gestalt der mit erheblichen staatlichen Mitteln geförderten "Riester-Rente" ist schon seit längerem unter Beschuss.
Bereits Ende 2011 meldete sich - um nur ein Beispiel von vielen zu zitieren - das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zu Wort: DIW fordert grundlegende Reform der Riester-Rente: "Rendite oft so schlecht wie beim Sparstrumpf". In einem ausführlichen Wochenbericht des DIW wurde das Thema behandelt: Riester-Rente: Grundlegende Reform dringend geboten, so der Titel der Publikation, an der u.a. Axel Kleinlein mitgearbeitet hat. Ein Befund damals: Riester-Sparer erzielen in vielen Fällen nur so viel Rendite, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt. Und viele 2011 vereinbarte Riesterverträge, so berechneten die Forscher, führen zu einer schlechteren Rendite als noch 2001 geschlossene Verträge. Anschaulich illustriert Kornelia Hagen, die DIW-Expertin für Verbraucherpolitik, die Problematik: „Eine 35-jährige Frau, die heute einen Riestervertrag abschließt, muss - wird die Rendite auf die garantierte Rentenleistung und Überschüsse bezogen - mindestens 77 Jahre werden, um allein das herauszubekommen, was sie selbst eingezahlt und was sie an Zulagen vom Staat erhalten hat. Möchte diese Frau auch einen Inflationsausgleich und höhere Zinsen erwirtschaften, müsste sie sogar ihren 109. Geburtstag erleben“. Hört sich nach einem schlechten Geschäft an.
Bereits Ende 2011 meldete sich - um nur ein Beispiel von vielen zu zitieren - das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zu Wort: DIW fordert grundlegende Reform der Riester-Rente: "Rendite oft so schlecht wie beim Sparstrumpf". In einem ausführlichen Wochenbericht des DIW wurde das Thema behandelt: Riester-Rente: Grundlegende Reform dringend geboten, so der Titel der Publikation, an der u.a. Axel Kleinlein mitgearbeitet hat. Ein Befund damals: Riester-Sparer erzielen in vielen Fällen nur so viel Rendite, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt. Und viele 2011 vereinbarte Riesterverträge, so berechneten die Forscher, führen zu einer schlechteren Rendite als noch 2001 geschlossene Verträge. Anschaulich illustriert Kornelia Hagen, die DIW-Expertin für Verbraucherpolitik, die Problematik: „Eine 35-jährige Frau, die heute einen Riestervertrag abschließt, muss - wird die Rendite auf die garantierte Rentenleistung und Überschüsse bezogen - mindestens 77 Jahre werden, um allein das herauszubekommen, was sie selbst eingezahlt und was sie an Zulagen vom Staat erhalten hat. Möchte diese Frau auch einen Inflationsausgleich und höhere Zinsen erwirtschaften, müsste sie sogar ihren 109. Geburtstag erleben“. Hört sich nach einem schlechten Geschäft an.
Montag, 15. Juli 2013
Alle wollen ihn. Also jedenfalls die meisten. Sogar die von der anderen Seite. Bis auf den Mainstream der deutschen Volkswirtschaftslehre
Na klar, vom Mindestlohn ist hier die Rede. Dieses umstrittene Ding mit dem Potenzial zum Wahlkampfthema, was die Bundeskanzlerin natürlich schon lange erkannt hat, weswegen sie ja auch für den Mindestlohn ist, genauer: für ganz viele Mindestlöhne, denn sie kann sich - natürlich erst nach der Wahl - ein "System" von ganz vielen regional und branchenbezogen differenzierten Lohnuntergrenzen vorstellen als Alternative zu dem immer wieder genannten allgemeinen und einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, wie ihn beispielsweise die Gewerkschaften oder die SPD oder die Grünen fordern. Nur die Linke ist mal wieder ausgeschert und will einen über 10 Euro. War ja klar. Das können die Oppositionsparteien und die Gewerkschaften noch einfach ignorieren.
Aber dass sie jetzt sogar von der anderen Seite fast schon überholt werden bei diesem Thema, das wird weh tun. Die Online-Ausgabe des Handelsblatts vermeldet: "Manager plädieren für Mindestlohn". Berichtet wurde über ein - manchen sicher überraschendes - Ergebnis des Handelsblatt Business-Monitors, einer repräsentativen Umfrage des Handelsblatts, für die das Meinungsforschungsinstitut Forsa regelmäßig rund 700 Führungskräfte deutscher Unternehmen befragt.
Aber dass sie jetzt sogar von der anderen Seite fast schon überholt werden bei diesem Thema, das wird weh tun. Die Online-Ausgabe des Handelsblatts vermeldet: "Manager plädieren für Mindestlohn". Berichtet wurde über ein - manchen sicher überraschendes - Ergebnis des Handelsblatt Business-Monitors, einer repräsentativen Umfrage des Handelsblatts, für die das Meinungsforschungsinstitut Forsa regelmäßig rund 700 Führungskräfte deutscher Unternehmen befragt.
Mittwoch, 10. Juli 2013
Die lieben Kleinen und das Personal. In den Kindertageseinrichtungen wird es voller, enger und jünger. Gleichzeitig fehlen bereits heute vorne und hinten Fachkräfte
Bevor das statistische Bundesamt die neuen Daten aus dem März dieses Jahres über die Zahl der Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder veröffentlicht, auf die sich die Öffentlichkeit angesichts des zum 1. August anstehenden Rechtsanspruchs auf einen solchen Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr der Kinder stürzen wird, sei an dieser Stelle auf die neue Veröffentlichung des "Länderreports Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann-Stiftung hingewiesen: "Eine Frage der Qualität: Kitas haben oft zu wenig Personal", so hat die Stiftung ihre Pressemitteilung überschrieben. Es fehlt an Erzieherinnen: Der Personalmangel in der Kinderbetreuung ist nicht nur die größte Hürde, wenn es ab August gilt, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einzulösen, so die Bertelsmann-Stiftung - sondern bereits heute sind wir in den Kindertageseinrichtungen mit Personalschlüsseln konfrontiert, die oftmals wenn überhaupt nur eine Betreuungsfunktionalität ermöglichen, nicht aber die Umsetzung anspruchsvoller Bildungsziele, die in der aufgeregten Nach-Pisa-Zeit den Kitas über teilweise sehr voluminöse Bildungspläne verordnet worden sind. Und dann sind da ja auch noch die Erziehungsaufgaben, von denen aber weitaus seltener gesprochen wird. Und noch etwas kommt hinzu, wenn man die von der Bertelsmann-Stiftung präsentierten Daten richtig einordnen will: In den vergangenen Jahren haben die Kitas einen tiefgreifenden Strukturwandel dergestalt durchlaufen, dass sie zum einen immer jüngere Kinder aufgenommen haben bzw. aufnehmen mussten, dass sie einen Teil der Kinder immer länger betreuen müssen und schlussendlich, dass sie die Öffnungszeiten der Einrichtungen immer mehr ausgedehnt haben. Das alles muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es sich im Regelfall bei den Kindertageseinrichtungen um überwiegend kleine Betriebe handelt, mit in der Regel weniger als zehn Beschäftigten und darunter seit Jahren immer mehr teilzeitbeschäftigten Frauen - mittlerweile beläuft sich der Anteil der Teilzeit arbeitenden Beschäftigten in westdeutschen Kindertageseinrichtungen auf 66,5%. Eine solche Struktur hat natürlich erhebliche personalwirtschaftliche Auswirkungen, beispielsweise bei Ausfällen einzelner Mitarbeiterinnen, ganz abgesehen von den qualitativen Implikationen, die mit einer höheren Fluktuation der Fachkräfte beispielsweise angesichts des Bedarfs an "Bezugserzieherinnen" für die ganz Kleinen verbunden sind.
Montag, 8. Juli 2013
Altersarmut von unten und von denen, die früher mal oben gewesen wären
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat auf die Ergebnisse einer neuen Untersuchung zum Thema Altersarmut hingewiesen: "41,5 Prozent der ausländischen Senioren in Deutschland von Altersarmut betroffen", so das Institut. Eric Seils vom WSI kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Altersarmut unter älteren Ausländern, die oftmals als "Gastarbeiter" nach Deutschland gekommen sind, mehr als dreimal so hoch sei wie unter Deutschen über 65 Jahren und dass sie sogar etwa sechs Mal so häufig die Grundsicherung im Alter in Anspruch nehmen wegen ihrer deutlich niedrigeren Renten. Die Analyse verdeutlicht, dass es bereits heute Gruppen mit einem sehr hohen Risiko der Altersarmut gibt.
»2011 bezogen 13,3 Prozent aller Senioren in der Bundesrepublik ein monatliches Einkommen unter 848 Euro ... 848 Euro entsprechen 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens. Wer als Alleinstehender weniger hat, gilt nach gängiger Definition als "armutsgefährdet" ... 2011 (waren) in Deutschland 41,5 Prozent der Ausländer über 65 Jahren von Altersarmut bedroht, 12,7 Prozent bezogen Grundsicherung. Unter den Senioren mit deutscher Staatsangehörigkeit waren nur 2,1 Prozent darauf angewiesen ... Männliche ausländische Bestandsrentner erhielten 2011 monatlich im Durchschnitt 811 Euro aus der Rentenkasse. Neurentner bekamen hingegen im Mittel nur 623 Euro - ein Einkommen unterhalb der Schwelle für die Grundsicherung, die bei 698 Euro liegt.«
Das hohe Altersarmutsrisiko der ausländischen Senioren in Deutschland wird auf deren niedrige Löhne und eine überdurchschnittliche Betroffenheit von Arbeitslosigkeitsphasen zurückgeführt.
»2011 bezogen 13,3 Prozent aller Senioren in der Bundesrepublik ein monatliches Einkommen unter 848 Euro ... 848 Euro entsprechen 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens. Wer als Alleinstehender weniger hat, gilt nach gängiger Definition als "armutsgefährdet" ... 2011 (waren) in Deutschland 41,5 Prozent der Ausländer über 65 Jahren von Altersarmut bedroht, 12,7 Prozent bezogen Grundsicherung. Unter den Senioren mit deutscher Staatsangehörigkeit waren nur 2,1 Prozent darauf angewiesen ... Männliche ausländische Bestandsrentner erhielten 2011 monatlich im Durchschnitt 811 Euro aus der Rentenkasse. Neurentner bekamen hingegen im Mittel nur 623 Euro - ein Einkommen unterhalb der Schwelle für die Grundsicherung, die bei 698 Euro liegt.«
Das hohe Altersarmutsrisiko der ausländischen Senioren in Deutschland wird auf deren niedrige Löhne und eine überdurchschnittliche Betroffenheit von Arbeitslosigkeitsphasen zurückgeführt.
Freitag, 5. Juli 2013
Die private Krankenversicherung ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Immer mehr müssen vor steigenden Prämien kapitulieren und Kritikaster sehen die PKV als Auslaufmodell
Früher war nicht alles, aber vieles einfacher. Auch in der Welt der Absicherung gegen das Risiko Krankheit. Die meisten Menschen waren automatisch in der Gesetzlichen Krankenversicherung, der GKV, versichert. Lange Zeit sogar getrennt nach Arbeitern und Angestellten, seit den 1990er Jahren gibt es auch zwischen den Krankenkassen zunehmend Wettbewerb um die Versicherten. Wenn man Arbeitnehmer war - und das waren und sind die meisten - dann hat der Arbeitgeber die eine Hälfte des Beitrags überwiesen und die andere Hälfte wurde einem vom Lohnzettel gleich abgezogen und ebenfalls vom Arbeitgeber an die Kasse weitergereicht. Irgendwie einfach und geräuschlos.
Und dann gab es noch die anderen, die sich die "Premium-Klasse" der Absicherung gegönnt haben, also die Selbständigen, denen man die eigene Absicherung überlassen hatte, weil der Regelfall ja auch der war, dass man als Selbständiger über genügend Mittel verfügte, um selbst für den Ruhestand und gegen das Krankheitskostenrisiko vorzusorgen. Die gingen dann in die Private Krankenversicherung (PKV), wo sie anders als in der GKV zwar keine einkommensabhängigen Beiträge zahlen müssen (was ja eine sozialpolitisch gewollte Umverteilung zugunsten der unteren Einkommen bedeutet), sondern einkommensunabhängige Prämien, die von den Versicherungen auf für die Betroffenen zumeist geheimnisvollen Wegen kalkuliert wurde. Die aber gerade in dem Moment, wo man sich für einen Eintritt in die schöne Welt der PKV entscheiden sollte, zumeist unschlagbar günstig daherkamen, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass gleichzeitig ein Leistungsversprechen gegeben werden konnte, das weit schöner aussah als das, was die "Holzklasse" der GKV anzubieten in der Lage war: Chefarztbehandlung, Ein- oder Zweibettzimmer usw. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass neben denen zumeist Selbstständigen, die eine Vollversicherung abgeschlossen haben, auch die Beamten in der PKV ergänzend zu ihrer Beihilfe versichert sind.
Und dann gab es noch die anderen, die sich die "Premium-Klasse" der Absicherung gegönnt haben, also die Selbständigen, denen man die eigene Absicherung überlassen hatte, weil der Regelfall ja auch der war, dass man als Selbständiger über genügend Mittel verfügte, um selbst für den Ruhestand und gegen das Krankheitskostenrisiko vorzusorgen. Die gingen dann in die Private Krankenversicherung (PKV), wo sie anders als in der GKV zwar keine einkommensabhängigen Beiträge zahlen müssen (was ja eine sozialpolitisch gewollte Umverteilung zugunsten der unteren Einkommen bedeutet), sondern einkommensunabhängige Prämien, die von den Versicherungen auf für die Betroffenen zumeist geheimnisvollen Wegen kalkuliert wurde. Die aber gerade in dem Moment, wo man sich für einen Eintritt in die schöne Welt der PKV entscheiden sollte, zumeist unschlagbar günstig daherkamen, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass gleichzeitig ein Leistungsversprechen gegeben werden konnte, das weit schöner aussah als das, was die "Holzklasse" der GKV anzubieten in der Lage war: Chefarztbehandlung, Ein- oder Zweibettzimmer usw. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass neben denen zumeist Selbstständigen, die eine Vollversicherung abgeschlossen haben, auch die Beamten in der PKV ergänzend zu ihrer Beihilfe versichert sind.
Mittwoch, 3. Juli 2013
Wundersame Geldvermehrung? Von 6 auf 24 Milliarden Euro in einer Woche, um was gegen Jugendarbeitslosigkeit zu tun. Und in Deutschland hofft man auf den Import junger Menschen aus Südeuropa und findet dann nicht selten einsame Azubis im gelobten Land
Die Europäische Union ist ein riesiger Tanker mit vielen Kapitänen und anderen Möchtegern-Führungskräften auf zahlreichen Kommandobrücken, so dass es viel Zeit braucht, das Schiff in eine bestimmte Richtung zu bewegen, wenn es denn überhaupt klappt. Das haben wir bei der Art und Weise des Umgangs mit der "Euro-Krise" gesehen und wir müssen das erneut zur Kenntnis nehmen bei der Frage, wie man mit den massiven sozialen Verwerfungen in den Krisenländern des Euro-Raumes umgehen soll. Dazu gehört natürlich auch die grassierende Jugendarbeitslosigkeit - wobei man diese Tage zuweilen den Eindruck vermittelt bekommt, die Krisenfolgen im Süden von Euro-Land bestehen ausschließlich aus arbeitslosen jungen Menschen. Diese Fokussierung der Berichterstattung und die Antwortversuche der europäischen Staatengemeinschaft in Form von Geld, das in Aussicht gestellt, zuweilen auch wirklich ausgeschüttet wird - medienwirksam inszeniert auf "Blitzlichtveranstaltungen" wie dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs sowie deren Arbeitsminister in Berlin, also bei der Bundeskanzlerin zu Hause -, rufen naturgemäß auch Kritik und zuweilen heftige Ablehnung hervor. Da meldet sich dann Daniel Gros zu Wort, der Direktor des Centre for European Policy Studies (CEPS) mit Sitz in Brüssel und wird zitiert mit: "Jeder Euro für Junge fehlt den Älteren". Er identifiziert Verteilungskonflikte, wenn er postuliert: »Ein Jugendlicher ohne Job ist flexibler und kann vielleicht länger in der Ausbildung bleiben. Für denjenigen, der eine Familie ernähren muss, ist Arbeitslosigkeit eine echte Katastrophe ... Auch in der Politik gibt es einen Modezyklus. Niemand kann dagegen sein, Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, also müssen die Politiker so tun als könnten sie das Problem lösen ... Jeder Euro, der jetzt für junge Menschen ausgegeben wird, steht für die älteren nicht mehr zur Verfügung.«
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