Die angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin muss sparen – und lagert 220 Beschäftigte unsanft in den Niedriglohnsektor aus. Wenn die Betroffenen nicht mitziehen, wird ihre neue Firma geschlossen - das berichtet Sven Clausen in seinem Artikel "Air Berlin schiebt seine Service-Mitarbeiter ab". Die finanziell angeschlagenen Fluglinie Air Berlin plant die Abgabe seiner Tochter "Service Center KG" an die Bertelsmann-Tochter Arvato zum 1. Oktober 2013. In der Service-Tochter »werden Kundenanfragen beantwortet, die das Unternehmen über Telefon, Mail, Post, Website oder auch Reisebüros erreichen.« Von den 9.000 Air Berlin-Beschäftigten sind zwar "nur" 220 in der Tochter-Gesellschaft beschäftigt, die hat aber - eigentlich - eine große Bedeutung: »Da über sie der komplette Kundenkontakt läuft, sind sie allerdings für den Vertriebserfolg der Airline zentral. Noch im aktuellen Geschäftsbericht weist der Konzern auf Seite 31 auf die Bedeutung eines "möglichst intensiven (…) Kundenkontakts" hin.«
Was schert mich das Geschwätz von gestern, so das Motto des neuen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Prock-Schauer, der bis Ende des kommenden Jahres 400 Mio. Euro Kosten einsparen will. Um das zu erreichen, hat er ein radikales Sparprogramm aufgelegt, mit der bezeichnenden Betitelung "Turbine".
Den jetzt betroffenen Mitarbeitern wird schon mal klar gemacht, wohin die Reise geht: »Bertelsmann-Arvato werde Arbeitsverträge anbieten, die lediglich "für weitere sechs Monate eine Vergütung auf Air-Berlin-Niveau" vorsähen,« so wird ein Vorstandsmitglied in dem Artikel zitiert. Und damit die Arbeitnehmer nicht auf irgendwelche dumme Gedanken kommen, sondern ein Einsehen haben, dass sie "wählen" dürfen zwischen Pest und Cholera, konkret: zwischen deutlich niedrigeren Löhnen oder der Arbeitslosigkeit, wird ihnen mitgeteilt: »Zwölf Monate habe man Zeit, zwischen diesem Angebot und einer Abfindung zu wählen, "die noch festzusetzen ist". Wenn sich nach zwölf Monaten nicht mindestens 98 Prozent der Mitarbeiter für eine der Varianten entschieden haben wird Bertelsmann-Arvato – wie vereinbart – "den Betrieb mangels Wirtschaftlichkeit schließen"«, so der Air Berlin-Vorstand.
Da trifft es sich gut, dass man den neuen Niedriglöhnern vielleicht ganz lebenspraktisch unter die Arme greifen kann: Nina Dinkelmeyer berichtet davon in ihrem Artikel "McDonald's gibt seinen Geringverdienern Spartipps": »Lieber Filme ausleihen als ins Kino gehen und nicht am Geldautomaten fremder Banken abheben: Der Burger-Konzern rechnet Mitarbeitern auf einer Webseite vor, wie man mit einem Niedriglohn leben kann.« Diese Webseite stellt der Fastfood-Riese in Kooperation mit Visa und Wealth Watchers International für seine englisch und spanisch sprechenden Mitarbeiter bereit. Und warum macht McDonald's das? "Euch dabei zu unterstützen, finanziell erfolgreich zu sein, ist eine der vielen Arten, auf die McDonald's ein zufriedenstellendes und sich lohnendes Arbeitsumfeld schafft." Das hat was - man zahlt den eigenen Mitarbeitern so wenig, dass sie oftmals ohne Zweitjob gar nicht überleben können, dann stellt man ihnen Überlebenstipps bei wenig Einkommen zur Verfügung und dann sollen die Betroffenen auch noch glücklich sein, bei einem solchen Arbeitgeber arbeiten zu dürfen.
Die McDonald's Beschäftigten können auf dieser "ihrer" Webseite einen Vordruck herunterladen, mit dem sie dann ihre Einnahmen und Ausgaben protokollieren sollen. Man kann aber wirklich nicht sagen, dass McDonald's in den USA die Wirklichkeit ihrer Niedriglöhner in Abrede zu stellen versucht:
»In den Vordruck haben die Unternehmen praktischerweise aber auch schon einmal eingetragen, wie so ein ausgefülltes Tagebuch dann aussehen kann. Hier rechnen die Macher des Journals nicht mit einem Gehalt, das ausreichend ist, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten – sondern gleich mit zweien. Die Beispielperson verdient so einmal 1105 Dollar und einmal 955 Dollar netto.« Irgendwie konsequent.
Aber die wirkliche Wirklichkeit zeigt sich dann wieder, wenn man diese Spielerei links liegen lässt: »In den vergangenen Monaten gingen Arbeitnehmer in der Fast-Food-Branche immer wieder überall in den USA für höhere Löhne auf die Straße. Laut Behördenangaben verdienen Fast-Food-Köche in den Vereinigten Staaten im Durchschnitt 9,03 Dollar in der Stunde. In April demonstrierten Angestellte von McDonald's, Dunkin' Donuts und Subway in Chicago für einen Stundenlohn von 15 Dollar.«
Die in dieser Branche Beschäftigten haben gute Gründe, auf die Straße zu gehen.
Und auch bei uns tobt der Kampf in der Burger-Branche um geringere Kosten. Derzeit besonders krass bei einem Teil der Burger King-Filialen, von denen fast einhundert von der Yi-Ko Holding GmbH übernommen worden sind und wo jetzt äußerst rabiat gegen Betriebsräte und Arbeitnehmer, die ihre Rechte einfordern, vorgegangen wird (dazu meine Beiträge auf der Facebook-Seite von "Aktuelle Sozialpolitik" vom 24.05.2013 sowie vom 22.06.2013). Zu diesem Thema gab es im Wirtschaftsmagazin "markt" (WDR-Fernsehen) einen aktuellen Beitrag: "Ärger bei Burger King?
Seltsame Methoden beim Versuch einen Betriebsrat zu kündigen".