Allerdings beziehen sich diese Zahlen auf einen Zeitraum bis Mitte 2015, also wenige Monate nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und speisen sich aus Umfragedaten - kritische Hinweise zu der Studie findet man in diesem Beitrag vom 31. Januar 2017: Minijobs diesseits und jenseits vom Mindestlohn sowie darüber hinaus die Frage: Muss und sollte es so bleiben mit den Minijobs?
Und nun gibt es schon wieder was zu berichten über eine neue Studie. »Laut einer Studie von 2012 war die Situation für Minijobber „teilweise erschreckend“, wie NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer festhält. Er stellte am Donnerstag in Berlin die Nachfolgestudie vor und attestiert: „Es hat sich seit 2012 einiges getan, aber es ist noch längst nicht alles gut!“«, so Christoph Kürbel in seinem Artikel Bald ein echter Job?
Und auch die neue - ebenfalls auf Befragungsdaten basierende - Studie, auf die sich der nordrhein-westfälische Arbeitsminister bezieht, macht Aussagen über den Umfang von Mindestlohnverstößen bei Minijobbern:
»Jeder zweite der 1,7 Millionen Minijobber in Nordrhein-Westfalen verdiente 2012 noch weniger als 8,50 Euro. 2016 traf das laut RWI-Leibniz-Institut nur noch auf 14,6 Prozent der geringfügig Beschäftigten zu.«
Das sind deutlich geringere Werte als die, die vor kurzem vom WSI in den Raum gestellt worden sind. Aber auch in anderen Bereichen soll es erkennbare Verbesserungen gegeben haben:
»29 Prozent der Minijobber haben 2016 eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Anspruch genommen. Die Zahl habe sich im Vergleich zu 2012 fast verdreifacht. Auch habe mittlerweile jeder zweite seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub genutzt. 2012 war das nur jeder Fünfte.«
Dann schauen wir doch mal genauer in die zitierte Studie hinein, die bereits im November 2016 dem nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium als Auftraggeber übergeben worden ist:
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (2017): Nachfolgestudie zur Analyse der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs) sowie den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns. Endbericht. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Essen, November 2016
Die Studienergebnisse basieren auf zwei umfangreichen Befragungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Bereich der geringfügigen Beschäftigung, die im zweiten Halbjahr 2016 durchgeführt worden sind. »Datengrundlage waren die Datenbestände der DRV Rheinland und der DRV Westfalen für Juni 2016, aus denen insgesamt 25.000 geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer und 10.000 Arbeitgeber von geringfügig Beschäftigten nach dem Zufallsprinzip angeschrieben wurden. Die Befragungsergebnisse können angesichts von Vergleichen zwischen den Charakteristika der Befragten und den Charakteristika der Gesamtheit der geringfügig Beschäftigten in NRW und in der Bundesrepublik Deutschland als repräsentativ für die befragte Altersgruppe angesehen werden« (RWI 2016: 122).
Minijobs werden überwiegend von Frauen ausgeübt (ihr Anteil hat sich auf 63 Prozent erhöht). Das durchschnittliche Bildungsniveau der geringfügig Beschäftigten - sowohl hinsichtlich der beruflichen als auch der schulischen Bildung - ist nicht auffällig niedrig, mit Ausnahme eines vergleichsweise hohen Anteils von Beschäftigten ohne einen beruflichen Abschluss. Wenn Männer einen Minijob ausüben, dann meistens im Nebenjob. Anders bei den Frauen: »Im Minijob beschäftigte Frauen gehen hingegen überwiegend selber keiner weiteren Erwerbstätigkeit nach, während ihr Partner fast immer Vollzeit beschäftigt ist.«
Und wo arbeiten die? »Die meisten geringfügig Beschäftigten arbeiten im Handel, Gesundheits- und Sozialwesen und Gastgewerbe. Während sich die Männer relativ gleichmäßig auf verschiedene Branchen verteilen, arbeiten Frauen deutlich häufiger in den für Minijobs typischen Branchen wie Handel, Gesundheits- und Sozialwesen, Privathaushalte, Gastgewerbe und Reinigungsgewerbe. Die meisten im Minijob Beschäftigten haben einen schriftlichen, unbefristeten Vertrag (56,9 Prozent). Dieser Wert liegt deutlich höher als im Jahr 2012 (44,0 Prozent). Trotzdem haben immerhin noch 20,1 Prozent der Befragten lediglich einen mündlichen Vertrag« (RWI 2016: 123).
»Im Durchschnitt liegen die Stundenlöhne der geringfügig Beschäftigten bei 10,63 Euro ... Die Verteilung der Stundenlöhne zeigt, dass die Lohnkategorie oberhalb des Mindestlohns (8,50-9,99 Euro) mit 41,7 Prozent besonders häufig vertreten ist, rund 25 Prozent verdienen (fast) genau den Mindestlohn.
Ein signifikanter Anteil der befragten Arbeitnehmer (14,5 Prozent) gibt an, einen Stundenlohn unter 8,50 Euro zu erhalten. Für 17,1 Prozent dieser Arbeitnehmer gibt es legale Gründe für die relativ niedrigen Löhne; insbesondere Zeitungszusteller und Minderjährige sind häufig vertreten ... Zusammengefasst bedeutet dies, dass 12,0 Prozent aller geringfügig Beschäftigten einen Lohn unter 8,50 Euro erhält und es hierfür keine Ausnahme- oder Übergangsregelung gibt« (RWI 2016: 123).
Hier liegt der Verdacht eines illegalen Unterschreitens des Mindestlohns nahe, da es für diese Personen keine Ausnahme- oder Übergangsregelung gibt, die das Abweichen nach unten erklären kann. Und auch das ist nicht überraschend: »Die Mehrheit der Beschäftigten mit Stundenlöhnen unter 8,50 Euro arbeitet in typischen Niedriglohnbranchen, die viele Minijobs anbieten, wie dem Handel, dem Gastgewerbe, dem Gesundheits- und Sozialwesen und dem Reinigungsgewerbe. Privathaushalte sind ebenfalls stark betroffen, was sowohl auf einen stärkeren Aufklärungsbedarf hindeutet« (RWI 2016: 124).
Ganz offensichtlich gibt es immer noch das Vorenthalten des Mindestlohns, was in bestimmten Branchen überdurchschnittlich anzutreffen ist. Da helfen neben Information und Beratung der Arbeitnehmer über ihre Rechte auch Kontrollen mit der Gefahr, dass das illegale Verhalten auffliegt. Dafür ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls zuständig. Aber die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag - Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Kontrolle von Mindestlöhnen 2016 vom 10.03.2017 - lässt einen ernüchtert zurück. Es mangelt an Kontrollen. Zoll geht seltener gegen Mindestlohnverstöße und Schwarzarbeit vor, so ist ein Beitrag dazu überschrieben: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Firmen auf Verstöße kontrolliert. Insgesamt wurden 40.374 Arbeitgeber überprüft und damit rund 3.000 weniger als 2015. Und 2014 hat es noch Kontrollen in etwa 63.000 Betrieben gegeben.
Besonders zurück gingen die Kontrollen vor allem am Bau mit einem Minus von fast 20 Prozent auf 13.473 (Vorjahr: 16.681). In Gaststätten sank die Zahl der Kontrollen um gut 17 Prozent auf etwa 6.000 (7.300).
Mehr Kontrollen gab es hingegen im Speditions- und Transportgewerbe, wo die Zahl von 3.400 im Jahr 2015 auf 4.635 im vergangenen Jahr stieg. Auch Taxifahrer wurden mit 1.356 Prüfungen stärker unter die Lupe genommen (2015: 1.259).
Mehr als 6.700 Zöllner gehen bundesweit gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vor. Geldbußen in Höhe von fast 49 Millionen Euro wurden verhängt. Deutlich mehr als ein Drittel - 19,5 Millionen Euro - mussten Arbeitgeber zahlen, da sie sich nicht an den damals geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro oder einen der anderen Branchenmindestlöhne hielten.
Bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit waren zu Jahresbeginn fast 800 Stellen unbesetzt. Die Bundesregierung hatte mit der Einführung des Mindestlohns Anfang 2015 angekündigt, 1.600 neue Jobs in der FKS zu schaffen, um die Einhaltung zu sichern. Da die Mitarbeiter aber noch ausgebildet werden müssen, soll dieses Ziel erst 2019 erreicht sein.
Die Gewerkschaft IG Bau kritisierte, nötig seien eigentlich 10.000 Kontrolleure. Mit der Einführung des Mindestlohns seien rund fünf Millionen Arbeitnehmer hinzugekommen, deren Bezüge auf den Mindestlohn kontrolliert werden müssten, sagte ein Sprecher. Je weniger Kontrollen durchgeführt würden, desto mehr Verstöße gebe es.
Zurück zu der Studie, die ja vom nordrhein-westfälischen Arbeitsminister vorgestellt worden ist. Was für Konsequenzen zieht er daraus? Dazu Christoph Kürbel in seinem Artikel: Schmeltzer sieht die anstehenden Probleme vor allem in der Unwissenheit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im Rahmen einer Landesinitiative leiste man Aufklärungsarbeit. Und dann das:
»Schmeltzer will Minijobs aber nicht abschaffen, da dieses Modell von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sehr geschätzt werde. Minijobber seien Teilzeitbeschäftigte und nicht etwa „Arbeitnehmer zweiter Klasse“. Sie hätten dieselben Rechte, wie alle anderen Beschäftigten auch.«
»Schmeltzer will Minijobs aber nicht abschaffen, da dieses Modell von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sehr geschätzt werde. Minijobber seien Teilzeitbeschäftigte und nicht etwa „Arbeitnehmer zweiter Klasse“. Sie hätten dieselben Rechte, wie alle anderen Beschäftigten auch.«
Ist das die berühmte Angst des Torwarts vor dem Elfmeter? Da ist der DGB schon einen ordentlichen Schritt weiter, wie in dem Beitrag Minijobs diesseits und jenseits vom Mindestlohn sowie darüber hinaus die Frage: Muss und sollte es so bleiben mit den Minijobs? vom 31. Januar 2017 dargestellt wurde. Die Bewertung am Ende des Beitrags kann hier wieder aufgerufen werden - »die Stoßrichtung sollte nach allen Erfahrungen, die wir auf dem Arbeitsmarkt gemacht haben mit der geringfügigen Beschäftigung, klar sein: Weg mit diesem eigenartigen Beschäftigungsformat. Auch wenn der eine oder andere (übrigens nicht nur Arbeitgeber, sondern auch viele Arbeitnehmer, die sich über einen Zweitjob notwendige Finanzmittel organisieren) erst einmal gegen einen solchen Schritt votieren wird.«