Unter der trockenen Überschrift Tarifverhandlungen gescheitert wird beispielsweise über das Scheitern eines wichtigen Unterfangens berichtet: In Brandenburg platzen Verhandlungen über einen einheitlichen Tarifvertrag in der Altenpflege. »Die Gewerkschaft verdi hat die Gespräche mit den Spitzenverbänden in der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Brandenburg ausgesetzt, ein einheitlicher Tarifvertrag für die Altenpflege in Brandenburg ist vorerst vom Tisch. Die Verhandlungen begannen bereits vor knapp drei Jahren auf Initiative des brandenburgischen Arbeitsministeriums und verliefen bisher ergebnislos. Der Tarifvertrag sollte nach Angaben des Arbeitgeberverbands Pflege auch anderen Bundesländern als Blaupause dienen.« Wenn von Seiten der Gewerkschaft berichtet wird, dass »ein Teil der Gesprächspartner keine Tarifverhandlungen mit verdi führen will und zwei weitere Spitzenverbände beklagen, dass sie für eine Aufnahme von Tarifverhandlungen von ihren Mitgliedern nicht mandatiert werden«, dann kann man an diesem Beispiel das Problem erkennen, dass aufgrund der vielgestaltigen Arbeitgeberlandschaft "normale" Tarifverhandlungen so gut wie unmöglich sind, denn neben den privaten Anbietern sind die Wohlfahrtsverbände und damit die Kirchen hier besonders aktiv - und die konfessionell gebundenen Arbeitgeber beharren auf dem "dritten Weg" und den damit verbundenen Sonderrechten für die kirchlich gebundenen Arbeitgeber.
Aber auch die privatgewerblichen Anbieter haben gar keine Lust auf einen Flächentarifvertrag: Erleichtert über diese Entwicklung zeigte sich der Arbeitgeberverband Pflege in Berlin. Präsident Thomas Greiner: "Wir waren und sind gegen allgemeinverbindliche Tarifverträge, die alle im Pflegemarkt beteiligten Unternehmen in ein tarifpolitisches Einheitskorsett pressen", so heißt es in dem Artikel. Was bleibt der Gewerkschaft? Eine Art Häuserkampf um separate tarifvertragliche Lösungen: »Im Jahr 2016 wurden bereits mehrere Tarifverträge im Bereich Soziale Dienste und Altenpflege abgeschlossen, wie etwa für die meisten AWO-Einrichtungen. Anfang 2017 sollen Tarifverhandlungen mit der Paritätischen Tarifgemeinschaft e.V. (PTG) starten.«
Und die Gewerkschaft wird dann auch noch an anderer Stelle konfrontiert mit den Widrigkeiten des "Pflegemarktes". So sind in den vergangenen Jahren die meisten kommunalen Heime, die es noch gab, privatisiert worden, oftmals mit der schablonenhaften Begründung, die privaten Anbieter können das besser betreiben, als wenn die Heime im kommunaler Trägerschaft bleiben. Dann aber wird man zuweilen auch damit konfrontiert, dass diese privaten Anbieter auch ein Pflegeheim betreiben wie andere eine Pommesbude. Wenn die nichts mehr abwirft oder wenn man mit der Betriebsführung nicht klar kommt, wird der Laden eben dicht gemacht. Vorher kann man dann ja auch noch mal die Beschäftigten in die Haftung nehmen. Ein Beispiel aus dem hohen Norden: Regio droht mit Schließung von Altenheim – außer Angestellte verzichten auf Lohn. Die zur Sana-Gruppe gehörende Regio Kliniken GmbH betreibt im Raum Elmshorn auch Pflegeeinrichtungen: »Die Schließung des Kummerfelder Alten- und Pflegeheims ist beschlossene Sache. Nun könnte das zweite Pflegeheim der Regio-Kliniken vor dem Aus stehen.« Gemeint ist das Heim Haus Elbmarsch in Elmshorn.
Das Kummerfelder Heim wird zum 31. März des kommenden Jahres geschlossen. Die Abwicklung ist bereits in vollem Gang. Von einst 98 Heimbewohnern hätten bereits 51 einen Platz in einer andern Einrichtung gefunden. Vier weitere würden noch diese Woche umziehen. Und nun ist das andere dran, denn dort habe man im vergangenen Jahr 600.000 Euro Miese gemacht. Um die Kosten zu senken, gibt es derzeit Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi: »Die Mitarbeiter sollen, so die Forderung der Geschäftsführung, auf 15 Prozent Lohn verzichten.« Dazu sei die Gewerkschaft bislang nicht bereit. Es würde den Tod auf Raten auch nur um eine Rate verlängern. Wenn überhaupt.
Wechseln wir die Ebene - auch ganz oben wird am Rad gedreht und manchmal wird man nach Jahren der Arbeit kurz vor dem Ziel offensichtlich ausgebremst. Nachdem jahrelang über eine Reform der Pflegeausbildung geforscht, modellprobiert, gestritten, entwickelt und immer wieder der Systemwechsel hin zur genrealistischen Pflegeausbildung gefordert wurde, hat sich die Politik und der Gesetzgeber bewegt und einen entsprechenden Gesetzentwurf ausgearbeitet. Und dann kurz vor der Zielgeraden das: Platzt die Reform?, fragt die Ärzte Zeitung: »Die Unionsfraktion hat sich im Streit um die Neuordnung der Pflegeberufe festgebissen. Jetzt deutet sich ein Aufstand gegen Gesundheitsminister Gröhe an.« Die Reform der Pflegeberufe steht vor dem Scheitern. Grund sind wachsende Widerstände gegen den Kabinettsentwurf in der Unionsfraktion. Seit der Anhörung im Mai ist bei den parlamentarischen Beratungen offiziell Stillstand. Treibende Kraft hinter der Blockade ist der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion, der Abgeordnete Erwin Rüddel (CDU). »Rüddel warnt, wenn das Qualifikationsniveau in der Krankenpflege zum Maßstab gemacht werde, "dann verlieren wir die Hauptschüler". Schüler überwiegend mit diesem Abschluss gehen bisher in die Altenpflegeausbildung.« Man liegt bei so einer Argumentation nicht falsch, wenn man vermutet, dass sich Rüddel vor allem den privaten Altenheimbetreibern nahe fühlt, die schon immer gegen eine Aufgabe der separaten Altenpflegeausbildung angekämpft haben. Der eigentliche Hintergrund der jetzt gezogenen Notbremse seitens der Reformverhinderer ist klar erkennbar, wenn Rüddel »für eine "Denkpause" und eine Vertagung der Reform auf die nächste Legislaturperiode« plädiert. Man will offensichtlich auf Zeit spielen, denn demnächst werden solche Vorhaben nicht mehr von der Großen Koalition in der verbleibenden Restlaufzeit durchgebracht werden.
Man könnte noch zahlreiche andere Pflege-Baustellen besichtigen. Kommen wir aber zu einer aktuellen Entscheidung im Bundestag, die vor dem Hintergrund, dass die Pflege alter Menschen und darunter vor allem derjenigen, die nicht mehr für sich selbst entscheiden können, als Sorgearbeit bezeichnet werden kann (und man diesen Begriff angesichts der normativen Dimension auch ruhig verwenden sollte). Es geht (nicht nur) um demenzkranke Menschen, von denen es viele und immer mehr in den Altenheimen dieses Landes gibt. Und es geht um die Absicht, an und mit ihnen Forschung zu betreiben, also mit Menschen, die nicht (mehr) beurteilen, bewerten und entscheiden können, ob und was mit ihnen gemacht wird. Bundestag verabschiedet umstrittene Arzneimittelnovelle, so ist eine Mitteilung des Parlaments vom 11.11.2016 überschrieben:
»Der Bundestag hat die heftig umstrittene und seit Monaten auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Arzneimittelreform in veränderter Fassung verabschiedet. Für den Gesetzentwurf (18/8034, 18/10280), der unter anderem erweiterte Möglichkeiten für Arzneimittelstudien an Demenzkranken vorsieht, votierten am Freitag, 11. November 2016, in namentlicher Abstimmung 358 von 542 Abgeordneten. 164 Parlamentarier stimmten mit Nein, 21 enthielten sich. Der Gesundheitsausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (18/10056). In zweiter Lesung hatten die Abgeordneten am Mittwoch, 9. November, in Berlin einen Änderungsantrag (18/10235) zu der Arzneimittelreform angenommen, demzufolge sogenannte gruppennützige Studien an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen (zum Beispiel Demenzkranken), die den Teilnehmern selbst keine Vorteile bringen, künftig unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein sollen. Voraussetzung ist demnach eine Vorabeinwilligung der späteren Probanden und eine verpflichtende ärztliche Beratung dazu.«
Dass hier keineswegs über irgendeine Detailfrage abgestimmt worden ist, sondern über ein Thema von grundlegender ethischer Bedeutung, kann man daran erkennen, dass der sonst übliche Fraktionszwang aufgehoben wurde, die Abgeordneten also nicht an irgendeine vorgegebene Parteilinie gebunden waren.
Bereits am 17. Mai 2016 hatte ich zu dem Thema diesen Beitrag veröffentlicht, dessen Überschrift bereits zum Ausdruck bringen soll, in welchem Minenfeld wir hier unterwegs sind: „Wenn man die Tür hier nun unnötig öffnet, droht die Gefahr, dass sie immer weiter aufgeschoben wird.“ Die Rede ist von Medikamententests an Demenzkranken und geistig Behinderten.
Auch der Mitteilung des Deutschen Bundestags kann man entnehmen, dass es sich offensichtlich um ein sperriges Thema handeln muss:
»Die geplante erweiterte Möglichkeit für klinische Arzneimittelstudien hatte heftigen Widerspruch bei Ethikern, Kirchen und Behindertenverbänden ausgelöst und war auch im Parlament so umstritten, dass die Vorlage vor der Sommerpause mehrfach kurzfristig wieder von der Tagesordnung des Plenums genommen wurde. Kritiker der Gesetzgebung setzten eine zweite öffentliche Anhörung durch, die Mitte Oktober stattfand und in der die drei konkurrierenden Änderungsanträge beraten wurden.«
Die Geschichte dieses Verfahrens hat es in sich: Abgeordnete beklagen Trinkereien, konnte man beispielsweise Ende September lesen: »Um Arzneitests an Demenzkranken zu ermöglichen, werden bisherige Regeln außer Kraft gesetzt. Für die Anhörung im Ausschuss dürfen die Befürworter plötzlich doppelt so viele Experten benennen wie die Gegner.« Und auch wenn der Widerstand am Ende erfolglos blieb: »Der Bundestag erlaubt die umstrittene Ausweitung von Arzneitests an Demenzkranken. Allerdings erzwangen die Gegner eine Debatte, die es sonst in dieser Ausführlichkeit nicht gegeben hätte«, so der Artikel Bundestag setzt sich über Bedenken hinweg: Mehr Arzneitests an Demenzkranken.
Einen deutlichen Kommentar hat dazu Rainer Woratschka im "Tagesspiegel" veröffentlicht: Ein ethischer Tabubruch ohne Not: »Im Schatten der US-Wahl hat der Bundestag die Ausweitung von Medikamententests an Demenzkranken gebilligt. Das ist beunruhigend und zerstört Vertrauen«, so seine These. Er zeichnet den Gang des Verfahrens nach:
»Erst hatte der Gesundheitsminister die Arzneitest-Erlaubnis still und leise in einen bereits abgestimmten Kabinettsentwurf gehievt. Zur Erstbefassung des Parlaments fand sich ein spätabendlicher Abhak-Termin. Und den Versuch, die Sache ebenso flott zu später Stunde durchwinken zu lassen, vereitelte nur der Protest endlich aufmerksam gewordener Abgeordneter. Sie erzwangen, was bei dem Thema von vornherein selbstverständlich hätte sein sollen: eine ausgiebige Debatte zur Kernzeit, ohne Fraktionszwang und mit namentlicher Abstimmung.«
Aber das hat schlussendlich auch nicht geholfen, die Entscheidung für die Ermöglichung von Arzneimitteltests an Demenzkranken (und übrigens auch geistig Behinderten) ist durch. An Dementen und anderen nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen darf nun auch Arznei erprobt werden, die ihnen selber gar nicht nützt.
Dass das bislang verboten war, sieht Woratschka gut begründet: »Wenn es bei Arzneistudien nicht primär um Heilung oder Krankheitslinderung für den jeweiligen Patienten geht, besteht die Gefahr einer Verzweckung. Solche Tests sind schon problematisch bei Gesunden, die mit Aufwandsentschädigungen gelockt werden. Bei Demenzkranken, Komapatienten, geistig Behinderten ist das Missbrauchsrisiko noch viel größer.«
Übrigens: Es ist erst drei Jahre her, dass sich der Bundestag geschlossen gegen jede Aufweichung der Schutzstandards für diese Personengruppe gestemmt hat. Und jetzt diese Kehrtwende? Trotz der vielen Einwände, die dagegen während des Verfahrens vorgetragen wurden? Wichtige Fragen - zumal die Pharmaindustrie klargestellt hat, dass man derartige Forschung an schwer Dementen zur Entwicklung neuer Arznei gar nicht benötigt. Das Fazit von Woratschka: »Die Änderung zerstört ganz ohne Not Vertrauen in einem außerordentlich sensiblen Bereich. Und sie weckt weitere Begehrlichkeiten. Man darf gespannt sein, was der Politik als nächstes angetragen wird.«
Auch andere haben sich ablehnend zu Wort gemeldet, so beispielsweise Ulla Schmidt, die Bundestagsvizepräsidentin und ehemalige Bundesgesundheitsministerin. "Demenzkranke benötigen einen besonderen Schutz", so ist das Interview des Deutschlandfunks mit ihr überschrieben. Grund des Widerstands von Schmidt, die zugleich Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe ist: Niemand könne Patienten mit einer Demenz über die Frage aufklären, was möglicherweise in 20 Jahren in einer Studie passieren werde. Und sie weist darauf hin, dass den Betreuern eine Aufgabe zugeschrieben wird, die ihnen gar nicht zusteht. Die Rolle der gesetzlichen Betreuer ist, dass sie immer nur zum Wohle des Einzelnen, den sie betreuen, entscheiden sollen. Nun aber werden sie in einen Konflikt getrieben, da sie entscheiden müssen, dient das der Allgemeinheit und war das vielleicht vor 20 Jahren von Herrn Armbrüster und von Frau Schmidt so gewollt?
Aber nun ist es passiert. Und irgendwie "passend" zur ganzen Geschichte: Zeitweise lauschten den Redebeiträgen im Bundestag trotz der folgenden namentlichen Abstimmung nicht einmal 50 Parlamentarier. Bei vergleichbaren Debatten ohne Fraktionszwang ist der Saal voll. Offenbar sei vielen nicht klar, dass es sich dabei um „eine schwerwiegende bioethische Frage“ handelt, die nun von einer Handvoll Leute beschieden worden ist.
Die Erleichterung der Durchführung von Arzneimitteltests an nicht zustimmungsfähigen Personen erlaubt an der einen oder anderen Stelle einen Blick in die Zukunft, vor allem, wenn man das als einen Baustein unter vielen anderen Entwicklungen versteht, die einen nachdenklich stimmen sollten, wie sich in der Zukunft die Sorgearbeit gestalten wird bzw. noch kann.
Auch an anderer Stelle macht man sich so seine Gedanken über die Zukunft der Pflegelandschaft. In seinem Artikel Stellen die Babyboomer das Pflegesystem auf den Kopf? beschäftigt sich Matthias Wallenfels mit der Studie "Fluid Care", die vom Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in Zürich ausgearbeitet worden ist. Obacht - wir werden jetzt konfrontiert mit Unternehmensberater-Formulierungen: »Flexibilisierung und Convenience sind zwei Kerntrends des Pflegealltags von morgen.« Ah ja. Was muss oder soll man sich darunter vorstellen?
Es geht um die Erwartungshaltung der Babyboomer bezüglich ihres Pflegealltags. »Die Gesellschaft stehe vor der Herausforderung, für immer mehr Senioren mit immer differenzierteren Ansprüchen die Finanzierung der Betreuung und Pflege sicherzustellen.« Man müsse sich von den herkömmlichen Vorstellungen über die Betreuung und Pflege von älteren Menschen verabschieden, meint die Studie. Geht es genauer?
»Frühere Generationen seien vornehmlich durch Bescheidenheit aufgefallen, die Babyboomer-Senioren wollten es dagegen so bequem wie möglich haben. Sei es, indem alles immer und überall verfügbar ist oder indem technische Systeme als persönliche Berater Orientierung im Dschungel der Möglichkeiten bieten ... Die klare Trennlinie von ambulanten und stationären Leistungen etwa lasse sich mit dem Bedürfnis nach Flexibilisierung nicht vereinbaren. Zwischen Heim und Daheim brauche es Alternativen im Sinne von "À-la-carte-Dienstleistungen", mit denen man auf Kunden individuell eingehen kann.«
Wie das aussehen soll? Zwischen Angeboten und Leistungsträgern brauche es fließende Übergänge und gesamtseitliche Lösungen - und das nennt man dann "Fluid Care". Hört sich modern an. Die Studienverfasser denken in Szenarien:
»Bei dem Szenario "on demand/individualisiert" existierten viele ausdifferenzierte Angebote nebeneinander. Die Dienstleister bedienten anstelle von kompletten Leistungspaketen spezifische Nischen und Bedürfnisse und stünden in Konkurrenz mit anderen Anbietern. Wer Bedarf an Fluid-Care-Leistungen habe, stelle sich sein persönliches Paket aus der Vielzahl von Servicepaketen der verschiedenen Anbieter selbst zusammen. Neue, auch branchenfremde Start-ups mischten den Markt auf. Sie übernähmen Bereiche wie Facility Management, Ernährung oder soziale Vernetzung.
Beim alternierenden Szenario "pauschal/individualisiert" werde Fluid Care zwar ebenfalls auf den individuellen Bedarf abgestimmt, aber als integriertes Angebot aufbereitet. Eine Art Managementplattform – ein Verein, eine Einzelperson, eine technische Anbieterplattform usw. – übernehme für die Kunden die umfassende Rundumorganisation.«
Was dazu wohl die Anbieter von Pflegedienstleistungen denken? Wir wissen es nicht. Aber die Betreiber stationärer Pflegeeinrichtungen haben derzeit - folgt man abschließend dem Artikel Die Heimbetreiber denken um - ganz andere Sorgen. Und hier kann man wieder runterkommen von der Wolke der Visionen und Szenarien, die immer irgendwie im Allgemeinen und nicht selten auch Belanglosen bleiben. Und in der harten Welt der Pflege-BWL aufschlagen.
Auslöser sind die Erkenntnisse nicht irgendwelcher Pflegepraktiker oder -theoretiker, sondern einer Bank, konkret der HSH Nordbank. Das Hamburger Bankhaus ist nach eigenen Angaben "einer der Top 5 Finanzierer von Pflegeeinrichtungen in Deutschland" und begleitet jährlich "um die 20 Transaktionen im deutschen Pflegemarkt".
Banker schauen zuerst immer auch auf die Margen, die sich im Geschäft mit der Pflege erwirtschaften lassen: »2014 habe die operative Marge der Pflegeheime auf Basis des Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) durchschnittlich noch 2,8 Prozent betragen, heißt es. Vergangenes Jahr sei dieser Wert auf 2,6 Prozent gesunken. Für dieses Jahr erwarten die Analysten nur noch 2,4 Prozent und für 2017 2,3 Prozent.«
Und dann dieses Personal: »Korrespondierend dazu wird mit steigenden Personalkosten gerechnet: Knapp 62,8 Prozent ihres Umsatzes mussten die stationären Pflegeeinrichtungen den Angaben zufolge 2015 für Löhne und Sozialabgaben aufwenden. Im kommenden Jahr wird die Personalquote voraussichtlich 63,4 Prozent erreichen.«
Und die Umfeldbedingungen müssen so manchem Pflegeheimbetreiber die Schweißperlen auf die Stirn treiben:
»Neue Baustandards, das Regelwerk der Pflegeversicherung sowie wachsende Ansprüche der Pflegebedürftigen ließen weiterhin wenig Spielraum für die Rentabilität; vor zehn Jahren hätten Doppelzimmer als Norm gegolten und ein Bad für vier Heimbewohner, künftig würden Einzelzimmer mit eigenem Bad erwartet.«
Vor diesem Hintergrund sind die Prognosen für die vielen ehr kleinen Heimbetreiber nicht wirklich schön. Sie haben immer weniger Luft, sich in Zukunft auf diesem Markt bewegen zu können.
»Unter den größeren Playern der stationären Pflege sei dagegen "ein Umdenken" zu beobachten. Statt wie bisher auf Wachstum durch Zukäufe zu setzten, betreibe man jetzt stärker Neuentwicklung in Eigenregie.«
Jörg von Amberg, der Mann von der Bank, wird mit diesen Worten zitiert: "Die Anfragen nach Finanzierungen von Neubauten ziehen bei uns kräftig an. Das liegt vor allem daran, dass die existierenden Pflegeheime nur bedingt an neue Regularien angepasst werden können. Zukunftsfähige Einrichtungen sind am Markt mittlerweile sehr knapp".
Von den „quick wins“ durch Akquisitionen geht die Entwicklung hin zu Neubauten, die im Pflegemarkt der Zukunft Qualitäts- und Kostenvorteile sichern sollen. So beschreibt die Bank den neuen Trend, den sie ausgemacht hat.
Wir lassen das jetzt erst einmal sacken und müssen verdauen. Wer die Ausführungen der HSH Nordbank im Original lesen möchte, der kann die hier abrufen: Pflegebranche: „Zukunftsfähige Einrichtungen sind knapp“, September 2016.