Dahinter steht die plausible Annahme, dass ein Arbeitgeber eher davon zu überzeugen ist, einen Arbeitslosen einzustellen, wenn er für die erste Zeit der Beschäftigung einen Teil der anfallenden Lohnkosten als Zuschuss bekommt - immer ausgehend von der Annahme, dass der betreffende Arbeitslose aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, von Anfang an die annähernd volle Leistung zu erbringen und entsprechend auch über einen längeren Zeitraum eingearbeitet werden muss. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, dann spricht erst einmal nichts gegen das Instrumentarium des Lohnkostenzuschusses, es handelt sich um eine ökonomisch (und sozialpolitisch) durchaus begründbare Kompensation der sogenannten "Minderleistung" des Arbeitslosen für eine begrenzte Zeit mit der Vorstellung, im Anschluss an die subventionierte Anfangszeit steht dann eine "normale", also unbefristete Beschäftigung des Arbeitnehmers.
Aber im vorliegenden Fall geht es um eine ganz besondere Nutzung der Lohnkostenzuschüsse, die vom Bundesrechnungshof (BRH) kritisiert wird: »Auch Zeitarbeitsunternehmen, die bei ihnen angestellte Mitarbeiter als Leiharbeiter an andere Firmen verleihen, können die Zuschüsse bekommen. Der BRH hält davon allerdings gar nichts. Zeitarbeitsfirmen werden durch diese Eingliederungszuschüsse "ungerechtfertigt begünstigt", heißt es in einem internen Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs.«
Die Rechnungsprüfer haben drei große Leiharbeitsunternehmen mit mehr als 7.000 Förderanträgen unter die Lupe genommen. Und die Förderung dieser Unternehmen gefällt den Rechnungsprüfern gar nicht:
»Das Unternehmen, das den Leiharbeiter einsetzt, müsse ihn einlernen und ihm womöglich fehlende Fachkenntnisse vermitteln. Es habe deshalb "den Aufwand für die Behebung der Minderleistung". Trotzdem kassiere aber das Verleihunternehmen den Lohnkostenzuschuss, "ohne hierfür einen entsprechenden Aufwand zu haben".«
Man habe den Eindruck gewonnen, dass Leiharbeitsfirmen den Zuschuss teilweise "in ihre Unternehmensstrategie eingebettet haben". Was nichts anderes bedeutet: Mitnahmeeffekte auf Seiten der Leiharbeitsfirmen nach dem Motto, wenn man das abgreifen kann, dann macht man das auch. Die Prüfer weisen in dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden internen Prüfbericht darauf hin, dass Arbeitnehmer, bei denen eine Lohnkostenbezuschussung abgelehnt worden ist, trotzdem eingestellt worden sind.
»Es geht bei der kritisierten Praxis um viel Geld. 2014 hat die Arbeitsagentur nach eigenen Angaben für mehr als 127.000 Arbeitskräfte Lohnkostenzuschüsse ausgeschüttet. Gut zehn Prozent oder 13.500 waren Leiharbeiter, für die im Durchschnitt 34 Prozent des Bruttogehalts übernommen wurde.«
Natürlich soll man immer auch die andere Seite zu Wort kommen lassen. Was also sagt die BA zu den Vorwürfen der Rechnungsprüfer?
»Ein Sprecher der Bundesagentur wies die Kritik zurück. Die Förderung auch an Leiharbeitsfirmen zu zahlen, sei sinnvoll, weil so Arbeitslose Berufserfahrungen sammeln könnten.«
Das nun ist mit Blick auf die Leiharbeitsverhältnisse in der Realität eine euphemistische Sichtweise auf den Tatbestand. Diese würde nur dann fundiert sein, wenn die Arbeitslosen gleichsam unbefristet von den Leiharbeitsfirmen eingestellt werden und sich am Anfang selbst um die Qualifizierung des Personals kümmern würden, bevor diese an den Markt gehen.
Die Wirklichkeit sieht aber für die Mehrheit der Leiharbeiter ganz anders aus. Sie werden oftmals (in mehr als 50 Prozent der Fälle) innerhalb von drei Monaten wieder - wie heißt das so schön im Neudeutschsprech - "freigesetzt" werden.
Die - vorsichtig formuliert - Fragwürdigkeit des Förderansatzes kann man sich in einem einfachen Denkschritt verdeutlichen: Die Leiharbeitsfirmen verdienen ihr Geld damit, dass sie Arbeitskräfte an Entleihunternehmen verleihen und dafür eine entsprechende Marge, also Gewinn, realisieren können, der auf der Tatsache basiert, dass man andere für sich arbeiten lässt. Der entleihende Unternehmer hat den offensichtlichen Vorteil, dass er über den Leiharbeiter verfügen und ihn auch direkt im Zentrum der Produktion bzw. Dienstleistungserstellung einsetzen, sich zugleich aber jederzeit ohne Probleme wieder von diesen Beschäftigten trennen kann, in dem er die Leiharbeiter "zurückgibt".
Normalerweise müsste das Leiharbeitsunternehmen hingehen und - wenn notwendig - eine Überbrückung organisieren, bis sich eine Anschlussbeschäftigung ergibt. Aber viele Leiharbeitsfirmen machen genau das nicht, sondern sie setzen konsequent auf eine Synchronisation der Laufzeit der vorher akquiriertenVerträge mit dem Kundenunternehmen und der Beschäftigung der Leiharbeitnehmer. Anders formuliert: Wenn der Auftrag vorbei ist, dann werden auch wieder viele Leiharbeiter auf der Straße gesetzt. Das führt dann auch dazu, dass weit mehr als die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse weniger als drei Monate dauern.
Die Deregulierung der Leiharbeit hatte ihren bisherigen Höhepunkt im Kontext der "Hartz-Reformen". Am 1. Januar 2013 trat eine massive Deregulierung in Kraft: Wegfall des Synchronisationsverbots, des Wiedereinstellungsverbots sowie der Überlassungshöchstdauer. Damit haben sich die Freiheitsgrade der Leiharbeitsbranche erheblich erhöht - und die Unsicherheit der Beschäftigten spiegelbildlich auch.
Vor diesem Hintergrund machen Lohnkostenzuschüsse an Leiharbeitsfirmen keinen Sinn, sondern sie stellen entgegen ihrer eigentlichen Intention primär eine Subventionierung der Leiharbeitsunernehmen dar, nicht der betroffenen Arbeitnehmer.
Fazit: Diese Form der Subventionierung macht keinen erkennbaren Sinn und gehört abgeschafft. Sie hätte nur dann einen Sinn, wenn die Leiharbeitsfirmen ihre Beschäftigten dauerhaft anstellen wie andere Unternehmen auch. Die Leiharbeitsfirmen profitieren schon genug von der Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen und Jobcentern, beispielsweise durch die kostenlose Inanspruchnahme der ganzen Infrastruktur und die Arbeitslosen sind nicht nur verpflichtet, auch Leiharbeitsjobs anzunehmen - oftmals finden sie vor Ort auch gar keine relevanten anderen Angebote.