»Die Bundesregierung plant die schärfsten Leistungseinschränkungen für Flüchtlinge, die es in der Bundesrepublik je gab,« berichtet Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift Regierung plant Verschärfung des Asylrechts. Es geht um einen Gesetzentwurf, der sich seit Montag in der Ressortabstimmung befindet und heute von der Organisation Pro Asyl öffentlich gemacht wurde. Sicherlich nicht mit Zustimmung und Unterstützung der Bundesregierung, denn die dort enthaltenen Maßnahmen haben es wahrlich in sich.
Von den teilweise drastischen Einschränkungen betroffen wären im Wesentlichen - soweit man das derzeit beurteilen kann - drei Flüchtlingsgruppen:
Zum einen die so genannten "Dublin-Flüchtlinge".
»Nach dem Dublin-System ist stets derjenige Staat, den der Flüchtling auf seiner Flucht nach Europa als erstes betreten hat, für das Asylverfahren und die Aufnahme zuständig. Dieses System war unter dem Druck der hohen Zahl von Flüchtlingen zumal aus Syrien in den vergangenen Wochen zusammengebrochen ... (das) würde grundsätzlich auch die Syrer betreffen, die in den vergangenen Wochen über Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen sind.«
Sie sollen veranlasst werden, sich wieder in den Staat zu begeben, den sie in der EU als erstes betreten haben. »Sie werden künftig, "ausschließlich eine Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Reisebedarfs" erhalten. Sie sollen auch keinen Anspruch auf ein Bett oder ein Dach über dem Kopf haben, auch keinen Anspruch auf medizinische Betreuung. Das Asylbewerberleistungsgesetz wird für sie quasi abgeschaltet. Die Bundesregierung will offenbar auf diese Weise das Dublin-System wieder stabilisieren.«
In der Konsequenz würde das bedeuten, dass zahlreiche Flüchtlinge in der Obdachlosigkeit landen, wenn es denn zu diesem radikalen Leistungsausschluss käme.
»Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten (auch Albanien, Kosovo und Montenegro sollen dazu zählen) müssen statt wie bisher drei künftig bis sechs Monate im Aufnahmelager bleiben. In dieser Zeit sollen sie kein Bargeld, sondern nur Sachleistungen erhalten.«
Und drittens wären auch geduldete Flüchtlinge von einer Verschlechterung betroffen.
»Ein Teil derjenigen Flüchtlinge, die bisher eine "Duldung" erhalten haben, weil sie nicht abgeschoben werden können, wird künftig einen noch wackeligeren Status haben - der ihnen mit einer neueingeführten "Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht" attestiert wird. Menschen mit diesem Papier darf "Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden". Der Übergang von der Duldung in einen legalen Aufenthalt ... wird in diesen Fällen künftig unmöglich sein: ohne Arbeit keine Stabilisierung des Aufenthalts.«
Besonders skurril kommt dieses Vorhaben daher:
»Bei der Versorgung derjenigen Flüchtlinge, denen ein medizinischer Anspruch zusteht, wird künftig auch auf "Asyl- und Schutzsuchende zurückgegriffen werden, die über ärztliche Ausbildung verfügen". Für sie soll "eine Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde befristet eingeführt werden".«
Also anders gesprochen: Die sollen sich offenbar untereinander behandeln, denn die befristete Zulassung zur Ausübung der Heilkunde bezieht sich nur auf die Versorgung der Flüchtlinge, "denen ein medizinischer Anspruch zusteht".
Neben diesem Katalog der Grausamkeiten gibt es eine erwähnenswerte Verbesserung im Vergleich zu heute:
»Zu den Erleichterungen des neuen Rechts zählt, dass Flüchtlinge, deren Asylantrag voraussichtlich Erfolg haben wird, schon während des Asylverfahrens zu Sprach- und Integrationskursen zugelassen werden können.«
Hier wird sich in der Praxis natürlich sofort die Frage stellen, wer denn wie beurteilt, ob der Asylantrag "voraussichtlich Erfolg haben wird".
Abschließend sei angemerkt, dass es sich um einen ersten Gesetzentwurf handelt, der sicher so nicht das Licht der Welt erblicken wird. Auf der anderen Seite lässt es tief blicken, mit welcher Radikalität man hier Vorschläge in Paragrafen gegossen hat.
Die Organisation Pro Asyl, die den Entwurf in die Öffentlichkeit gehoben hat, betitelte ihre Pressemitteilung dazu mit Abschottung, Abschreckung und Obdachlosigkeit werden zum Programm.
Der fast 150 Seiten umfassende Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Flüchtlingspolitik mit weitreichenden Einschnitten im Aufenthalts-, Asyl- und Sozialrecht kann hier im Original als PDF-Datei abgerufen werden:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und weiterer Gesetze, Stand: 14.09.2015