Es ist wahrlich ein Kreuz mit der Wohnungspolitik. Wo und wie soll sie ansetzen? Es gibt in vielen Regionen unseres Landes das Problem, dass man Wohnraum, vor allem Häuser, gar nicht mehr an den Mann oder die Frau bringen kann und die Politik mit Leerständen, teilweise Verfall konfrontiert ist. Und auf der anderen Seite die Städte, vor allem die Großstädte, in denen die (meisten) Menschen, vor allem die vielen mit niedrigen Einkommen, ein Lied singen können von dem, was man als "Wohnungsmangel" bezeichnet. Und wenn sie dann was finden, dann zu ständig steigenden Preisen. Und wir reden hier über eine existenzielle Angelegenheit, nicht über die Frage, ob es ein 08/15-Handy sein muss oder eines aus der Premium-Liga, es geht um ein Dach über den Kopf.
In dieser Gemengelage, vor allem angesichts des zunehmenden Wohnungsnotstandes in vielen Städten, werden alle Aktivitäten der Politik aufmerksam wahrgenommen, die Linderung oder gar Beseitigung der Not in Aussicht stellen. Und die den gebeutelten Wohnungssuchenden das Gefühl vermitteln können, jetzt wird endlich was gegen "die" getan, die die Not der kleinen Leute ausnutzen und sich an ihnen bereichern. Eine Figur, die in dieses Raster hervorragend passt, ist der Immobilienmakler. Für viele Menschen steht er stellvertretend für eine Berufsgruppe, die sich oft leistungsloses Einkommen verschaffen kann, denn die Wohnungssuchenden sind ihnen ausgeliefert und haben in der Regel keine Wahl, drei Monatsmieten Maklergebühren abzudrücken, wenn sie zum Zuge kommen. Aber damit ist ja jetzt Schluss seit Anfang des Monats, denn nun gilt das "Bestellerprinzip", vereinfacht gesagt: Wer bestellt, der muss auch bezahlen. Und wenn der Vermieter einen Makler bestellt, dann muss er ihn auch bezahlen, aber nicht der neue Mieter. Und dann noch als weiteres Zuckerstückchen die Mietpreisbremse, bzw. genauer: die Möglichkeit, eine solche einzuführen, so dass der Anstieg der Mietpreise nach oben gedeckelt wird bzw. werden kann. Endlich wird es besser werden. Oder?
Bereits im Februar 2015 wurde in diesem Blog über die Mietpreisbremse mit einigen Fragezeichen versehen berichtet: Jetzt wird es besser für die gebeutelten Wohnungssuchenden - die Mietpreisbremse kommt. Fragt sich nur, für wen was besser wird. Und in der aktuellen Berichterstattung scheinen sich diese großen Fragezeichen hinsichtlich der These, dass vielleicht gar nicht denen geholfen werden wird, für die das Unterfangen gedacht war, zu Ausrufezeichen weiterzuentwickeln: »Die Mietpreisbremse wird nach übereinstimmender Einschätzung von Hauseigentümern und Mietervereinen geringen Einfluss auf die Mieten haben«, berichtet Peter Carstens in seinem Artikel Die Bremse bremst kaum. Wie das? Die Vermieter verweisen auf eine benachbarte Baustelle neben der "normalen" Miete: »Preistreiber am Markt ist nach Auffassung der privaten Hausbesitzer vor allem der Staat. Steigende Strompreise und gestiegene Grundsteuern würden zu immer höheren Nebenkosten führen. Außerdem würden die Vermieter durch immer neue, teure Auflagen, etwa zum Klimaschutz, belastet«, so wird Inka-Marie Storm vom Verband „Haus und Grund“ zitiert. Und auch die andere Seite wird mit einer skeptischen Bewertung ins Spiel gebracht: »Die Mietpreisbremse sei „ein hilfreiches, kleines, aber mangelhaftes Instrument“, sagte Christoph Nestor vom Heidelberger Mieterverein ... Das Gesetz sei eine „Ersatzhandlung für fehlende Wohnungspolitik“.«
Jedes Jahr fallen 100.000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung heraus und die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sind nach unten gefahren worden. »Etliche Städte haben im letzten Jahrzehnt kommunalen Wohnungsbesitz an Großinvestoren verkauft. Das betraf alleine in Berlin und Dresden mehr als 130.000 Wohnungen.« Und weiter: »Einige Vermieter haben die Zeit vor dem Gesetz genutzt, um höhere Mieten in laufenden Verträgen zu fordern oder freie Wohnungen noch zu alten Regeln teurer zu vermieten. Das bestätigte auf Nachfrage auch der Eigentümerverband „Haus und Grund“.«
Im Kontext der Konstruktion der Mietpreisbremse gilt immer noch die Vermutung, die Michael Fabricius in seinem Artikel Warum die Mietpreisbremse nur Gutverdienern hilft so formuliert hat: »Die Mietpreisbremse soll die Schwachen auf dem Wohnungsmarkt schützen. Doch es droht ein gegenteiliger Effekt: Die neue Regelung dürfte häufig gut betuchten Menschen zu günstigem Wohnraum verhelfen« - allerdings mit dem für die besser betuchten Menschen mit dem Vorteil, dass sie weniger zahlen müssen als wenn es die Mietpreisbremse nicht existieren würde. Das alles letztendlich deshalb, weil die Vermieter aus ihrer Sicht auch völlig rational nach den ehernen Gesetzen von Angebot und Nachfrage agieren werden bei der Auswahl der Mieter und wenn es einen Nachfrageüberschuss gibt, dann werden sie sich die aussuchen, die am solventesten daherkommen.
Eine gute Zusammenfassung der aktuellen Situation seit Inkrafttreten der Mietpreisbremse (als Option, denn das muss in den Ländern für ganz bestimmte Kommunen bestimmt und auf den Weg gebracht werden) wie auch des Bestsellerprinzips bei den Maklern, findet man in dieser Radiosendung:
SWR: Mieten, Kaufen, Zahlen: Wie Mietpreisbremse und Bestellerprinzip den Immobilienmarkt verändern (06.06.2015): Seit dem 1. Juni sind die Änderungen im Mietrecht nun in Kraft: die Mietpreisbremse, die in Regionen mit einem angespannten Immobilienmarkt stetig steigenden Mietpreisen entgegenwirken soll. Und das Bestellerprinzip, nach dem bei Mietwohnungen der Vermieter den Makler zahlt. Beide Regelungen werden die Immobilienbranche entscheidend verändern.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Es ist wie vieles andere auch eine sperrige Frage von Angebot und Nachfrage. Natürlich kann man bei einem gegebenen Bestand an Wohnungen in the long run durch eine Mietpreisbremse einen Deckel auf einen heftig kochenden Topf setzen, aber der Deckel ist nicht festgeklebt mit Sekundenkleber, sondern er kann sich bewegen, wenn der Druck zu groß wird.
Immer noch gilt an dieser Stelle meine Einschätzung aus einem Blog-Beitrag, der bereits am 10.11.2013 veröffentlicht wurde: Wohnst Du schon oder hoffst Du noch? Wohnen als soziale und ökonomische Frage. Und wie die Große Koalition damit umzugehen beabsichtigt:
»Die Antwort angesichts des erkennbaren "doppelten Nachfrage-Angebots-Problem" (doppelt, weil zum einen grundsätzlich Nachfrage > Angebot und dann auch noch für die einkommensschwachen Gruppen ein mehrfach ausgeprägtes Nachfrage > Angebot vorliegt) kann nur lauten, das Angebot an bezahlbaren Wohnraum deutlich auszuweiten, also nicht generell das Angebot, sondern eine "doppelte Angebotsausweitung" (doppelt im Sinne von Angebot ausweiten für die unteren Einkommensgruppen und das dann gezielt in den Mangelgegenden).«
Anders formuliert: Man versucht, auf der Nachfrageseite regulatorisch einzugreifen, wundert sich dann aber über eine geringe bis gar keine Effektivität dieser Maßnahme, weil man die Angebotsseite nicht ausreichend im Blick hat.»Die Antwort angesichts des erkennbaren "doppelten Nachfrage-Angebots-Problem" (doppelt, weil zum einen grundsätzlich Nachfrage > Angebot und dann auch noch für die einkommensschwachen Gruppen ein mehrfach ausgeprägtes Nachfrage > Angebot vorliegt) kann nur lauten, das Angebot an bezahlbaren Wohnraum deutlich auszuweiten, also nicht generell das Angebot, sondern eine "doppelte Angebotsausweitung" (doppelt im Sinne von Angebot ausweiten für die unteren Einkommensgruppen und das dann gezielt in den Mangelgegenden).«
Und die Angebotsprobleme sind eben auch in vielerlei Hinsicht seitens des Staates verursacht, zumindest aber vorangetrieben worden, nicht selten in Kombination mit Widerständen auf Seiten der Anwohner, wenn neu gebaut werden soll. Nikolaus Bernau versucht das in seinem Artikel Es wird eng in Berlin zu verdeutlichen: »Berlin wächst, neue Wohnungen werden dringend benötigt. Doch überall in der Stadt gibt es Proteste gegen den Wohnungsneubau. Durch den Verkauf vieler öffentlicher Flächen hat das Land Berlin die Situation zusätzlich verschärft.«
Barbara Dribbusch geht in ihrem Artikel Ein Recht auf den Kiez noch einen Schritt weiter: »Für Leute mit bescheidenen Einkommen muss es mehr Mietwohnungsneubau geben. Das wirft heikle Gerechtigkeitsfragen auf.« Wie das? Es ist doch per se gerecht, wenn neue Mietwohnungen gebaut werden. Oder?
Auch bei ihr findet man den Hinweis auf das enorme Gefälle, mit dem wir mittlerweile im sozialen Wohnungsbau konfrontiert sind: »Lediglich 12.000 Wohnungen werden derzeit im sozialen Mietwohnungsbau jährlich gebaut, gleichzeitig fallen in Deutschland aber jährlich 70.000 bis 100.000 dieser Wohnungen aus der Mietpreisbindung heraus.«
Das eine reine Marktlösung hier nicht wirklich helfen kann, macht sie an der folgenden Rechnung deutlich:
»Einfach nur neu zu bauen ohne zusätzliche Förderung hilft ... wenig. Denn Neubaukosten und die Kaufkraft vieler Wohnungssuchender klaffen in den Metropolen weit auseinander. Nach Schätzungen der Wohnungswirtschaft muss ein Neubau, der nicht öffentlich gefördert wird, am Ende für eine Nettokaltmiete von mindestens zehn Euro vermietet werden, damit sich der Bau rechnet. Das liegt an den gestiegenen Baukosten und an den Grundstückspreisen, die auch durch die Immobilienspekulation in den Metropolen nach oben getrieben werden. Zehn Euro nettokalt, das sind für einen Single mit einer 45-Quadratmeter-Wohnung fast 550 Euro Miete warm. Geringverdiener oder RentnerInnen mit einem Netto von 1.000, 1.200 Euro im Monat können sich das nicht leisten, von Hartz-IV-Empfängern ganz zu schweigen.«
Die Hartz IV-Empfänger werden zugleich in die Mangel genommen durch unrealistisch niedrige Mietobergrenzen, bei deren Festlegung die Kommunen auch Schützenhilfe beispielsweise von einem Hamburger Unternehmen bekommen, der Firma "Analyse & Konzepte". Denn die, so aktuelle Vorwürfe, drückt offenbar die Mietobergrenzen je nach Kassenlage der Auftraggeber. Dazu der Artikel Konzepte nach Kassenlage von Susan Bonath.
Aber zurück zu den Ausführungen von Barbara Dribbusch. Dann muss man eben fördern, beispielsweise über subventionierte Darlehen. Aber »leider verlockt die Förderung mit billigen Darlehen allein viele Investoren nicht, weil sie gegenwärtig ganz normale, billige Bankkredite haben können, mit denen sie sich zu keiner späteren Belegungsbindung verpflichten.«
Aber es baut sich - beispielsweise in Berlin - Druck von unten auf: »Fast 50.000 Unterschriften haben die Aktivisten des Mieten-Volksentscheids in Berlin gesammelt, die nötige Schwelle für den Start der ersten Stufe eines Volksbegehrens zur besseren Wohnraumversorgung wurde damit überschritten. Das Berliner Mieten-Begehren sieht den Rückkauf von ehemaligen Sozialwohnungen vor, eine Mietersubventionierung für Geringverdiener und den Neubau von bezahlbaren Wohnungen.« Berlins Senator für Stadtentwicklung, Andreas Geisel (SPD), hat daraufhin gewarnt, dass für Kitas, Schulen und Behindertenhilfen kein Geld mehr zur Verfügung stünde, würde das milliardenteure Mieten-Volksbegehren umgesetzt. Aber darüber hinaus stellen sich heikle Verteilungsfragen:
Kämen Subventionierungen von Alleinstehenden unter einem gewissen Nettoeinkommen und/oder Familien mit Kindern im größeren Stil, dann »könnten die ganz Armen auf der Strecke bleiben. Würden vor allem die Armen gefördert, könnten sich Familien mit Doppelverdienerschaft, hohen Ausgaben für den Nachwuchs und großem Raumbedarf als zu kurz gekommen fühlen, weil sie knapp über den Einkommensgrenzen liegen für den geförderten Wohnungsbau«, so Barbara Dribbusch. Eine Horrorvostellung für die Kommunalpolitiker: »Verteilungsdebatten, in denen Arme, Angehörige der unteren und oberen Mittelschichten eine Opferkonkurrenz beginnen, als Leistungsempfänger oder als Steuerzahler oder als beides.«
Auch in der Analyse von Andrej Holm, Barbara Schönig, Daniel Gardemin und Dieter Rink in ihrem Beitrag Städte unter Druck. Die Rückkehr der Wohnungsfrage werden die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnten kritisiert und die Autoren identifizieren ein veritables Angebotsproblem:
»Angespannt sind die Wohnungsmärkte vor allem in den wachsenden Stadtregionen, Großstädten und auch kleineren Universitätsstädten – also überall dort, wo sich ökonomisches Wachstum und Zentralitätsvorteile, Arbeitsplätze und Ausbildungsstätten konzentrieren und die Lebensqualität entsprechend hoch ist. Hier ist die Wohnungsnachfrage entweder durchgängig hoch gewesen oder seit dem letzten Jahrzehnt durch den Zuzug aus dem In- und Ausland wieder gestiegen. Gleichzeitig haben sich der Flächenbedarf pro Person und die Zahl der Ein- und Zweipersonen-Haushalte erhöht. Gestiegen sind nicht nur die Bodenpreise und die Mietpreise insgesamt, sondern vor allem auch die Preise für kleine Wohnungen sowie große Familienwohnungen in innerstädtischen Quartieren.«
Aber:
»Diese Angebotsknappheit lässt sich jedoch nicht allein mit einer gesteigerten Nachfrage durch Zuwanderung und den Verbleib bzw. die Rückkehr der Mittelschichten in die Städte erklären. Sie ist insbesondere im untersten Preissegment auch das Ergebnis eines „Wandels der Wohnungspolitik zur Wohnungsmarktpolitik“. Dieser wurde bundespolitisch bereits 1988 durch die faktische Abschaffung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen eingeleitet, die durch eine steuerpolitische Maßnahme, nämlich die Aufhebung ihrer steuerrechtlichen Bevorzugung, erfolgte. Mittlerweile findet sozialer Wohnungsbau „für breite Schichten“ praktisch nicht mehr statt: An die Stelle der Förderung sozialen Wohnungsbaus sind zwischenzeitlich individuelle Leistungen wie das Wohngeld und die Wohnkostenerstattung für Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger getreten.«
Vor unseren Augen baut sich eine überaus konflikthafte Gemengelage auf: Generell eine Angebotsknappheit für die unteren Einkommen, die sich derzeit noch verschärft durch die große Zahl an Flüchtlingen, die zum uns gekommen sind und noch kommen werden und die eben auch alle untergebracht werden müssen. Das wird man versuchen, gegeneinander auszuspielen. Da steckt viel gesellschaftspolitischer Sprengstoff drin. Aber auch wenn es natürlich nicht gelingen kann, die Versäumnisse der letzen dreißig Jahre auf die Schnelle zu heilen, man sollte wenigstens im großen Stil anfangen mit der von vielen geförderten Expansion des sozialen Wohnungsbaus. Mit Blick darauf ist leider derzeit nur von Spurenelementen eines Aufbruchs zu berichten.
Foto: © Stefan Sell