Regelmäßig veröffentlicht das zur Bundesagentur für Arbeit gehörende Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Prognose der Arbeitsmarktentwicklung. Einen detaillierten Blick auf die - wahrscheinliche - Arbeitsmarktentwicklung im laufenden und im kommenden Jahr liefert der neue IAB-Kurzbericht 18/2013 mit dem Titel "Arbeitslosigkeit sinkt trotz Beschäftigungsrekord nur wenig" von Johann Fuchs, Markus Hummel, Christian Hutter, Sabine Klinger, Susanne Wanger, Enzo Weber, Roland Weigand und Gerd Zika. Die Vorhersage der Arbeitsmarktentwicklung ist natürlich eine höchst komplexe Angelegenheit, die von vielen schwer bestimmbaren Faktoren beeinflusst wird. Die wichtigsten Annahmen und Befunde in aller Kürze:
Für 2013 und 2014 geht das IAB davon aus, dass die BIP-Wachstumsraten bei 0,6 Prozent und 1,8 Prozent liegen werden.
Zur Arbeitslosigkeit schreiben die Autoren: Nach einem geringen Anstieg in diesem Jahr wird die Arbeitslosigkeit 2014 wieder sinken, wenn auch nur leicht um 40.000 auf 2,9 Mio. Personen - wobei man hier wieder anmerken muss, dass damit die registrierte Arbeitslosigkeit gemeint ist, die man als Untergrenze der tatsächlichen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit verstehen sollte.
Mit Blick auf die Erwerbstätigkeit überbringen die Wissenschaftler erfreulich daherkommende Nachrichten aus dem deutschen "Jobwunderland": »In diesem und im nächsten Jahr erwarten wir Zuwächse von je 240.000 Personen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entwickelt sich noch stärker und erreicht ein neues Allzeithoch.«
Das Arbeitsangebot - gemessen am Erwerbspersonenpotenzial - wird sich weiter vergrößern, denn aufgrund der starken Zuwanderung und einer leicht steigenden Erwerbsbeteiligung geht das IAB von einem Wachstum um 220.000 Personen im Jahr 2013 und um fast 120.000 im Jahr 2014 aus.
Und dann kommt in der Zusammenfassung des IAB zu den eigenen Prognosen eine interessante und hier besonders hervorzuhebende Aussage:
»Mit einem starken Rückgang der Arbeitslosigkeit ist vorerst nicht mehr zu rechnen, strukturelle Probleme werden deutlicher. Um die Beschäftigungschancen wieder zu erhöhen, sollte die Arbeitsmarktpolitik auf eine wirksame Qualifizierungsstrategie fokussiert werden und der steigenden Bedeutung des harten Kerns der Arbeitslosigkeit Rechnung tragen.«
Immer wieder - auch in den Beiträgen hier im Blog "Aktuelle Sozialpolitik" - wird darauf hingewiesen, dass wir in den vergangenen Jahren, die ja gekennzeichnet waren durch eine insgesamt sehr positive Arbeitsmarktentwicklung und mithin also eigentlich optimale Rahmenbedingungen, gleichzeitig eine Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit im Grundsicherungssystem (SGB II) beobachten mussten.
Nehmen wir zur Illustration die kritische Berichterstattung von "O-Ton Arbeitsmarkt". Unter der Überschrift "Langzeitarbeitslose: Verlierer des deutschen Arbeitsmarktes" wird beispielsweise berichtet: »Während die Zahl der Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) in den letzten Jahren stark gesunken ist, hat sich bei den Langzeitarbeitslosen (SGB II) daher auch deutlich weniger getan. Ihre Zahl hat sich seit 2009 von etwa 2,2 auf rund zwei Millionen Menschen verringert, ein Minus von 10 Prozent. Die Zahl der Kurzzeitarbeitslosen im SGB III hingegen reduzierte sich zeitgleich von rund 1,2 Millionen auf etwa 900.000 Personen um ganze 24 Prozent ... Wenn die Arbeitssuche bei den „Hartz IV“-Arbeitslosen dennoch glückt, ist das Arbeitsverhältnis häufig nicht von Dauer ...« Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der registrierten Arbeitslosen nur eine Teilgruppe darstellt unter den erwerbsfähigen Hartz IV-Empfängern. Und schaut man sich die genauer an, die ergeben sich erschreckende Befunde, die konturieren können, was mit "Verhärtung" der Langzeitarbeitslosigkeit gemeint ist. Zu den erwerbsfähigen Leistungsempfängern erfahren wir: »Ende des Jahres 2012 waren es rund 4,4 Millionen Menschen. Gegenüber 2009 (4.909 Millionen im Jahresdurchschnitt) hat sich ihre Zahl um lediglich 13 Prozent verringert. Ganze 2,1 Millionen dieser erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, insgesamt 49 Prozent, waren im Dezember 2012 bereits seit mehr als vier Jahren abhängig von „Hartz IV“-Leistungen.«
Die angesprochene Diskrepanz zwischen den an sich guten (ökonomischen) Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt und der Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit wird auch in der IAB-Studie thematisiert: »Die ... beschriebene Diskrepanz zwischen den Entwicklungen von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit offenbart, dass die Konjunktur zuletzt nicht kräftig genug war, um strukturelle Schwierigkeiten beim weiteren Abbau von Arbeitslosigkeit zu kompensieren« (Fuchs et al. 2013: 5). Die gespaltene Entwicklung wird von den IAB-Wissenschaftlern so formuliert: »Die Beschäftigung hat bis zuletzt ihren Aufwärtstrend fortgesetzt ... Einen wesentlichen Beitrag hat das noch immer steigende Erwerbspersonenpotenzial geleistet, vor allem die hohe Zuwanderung. Demgegenüber stagniert die Arbeitslosigkeit seit Längerem mit leicht ungünstiger Tendenz, weil die Chancen zur Beendigung von Arbeitslosigkeit gesunken sind« (Fuchs et al. 2013: 9).
Die IAB-Forscher gehen davon aus, dass es strukturelle Ursachen sind, die einen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit erschweren. Problematisch bleibt nach Auffassung des IAB die Mismatch-Arbeitslosigkeit, die dadurch entsteht, dass für arbeitslose Personen z. B. in einem bestimmten Beruf, einer Branche oder einer Region keine Vakanz vorhanden ist, und umgekehrt.
Was tun? Es werden folgende Handlungsfelder für die zukünftige Arbeitsmarktpolitik skizziert (S. 12):
»Arbeitslose: In der Arbeitsmarktpolitik sollte der Trend stärker in Richtung nachhaltiger und individueller Maßnahmen sowie intensiver Betreuung gehen.«
Wohl wahr, genau das fordern die Kritiker der Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre schon seit langem. Gut, dass es jetzt auch so vom IAB formuliert wird. Was das praktisch bedeutet? Beispielsweise endlich wieder in stärkerem Maße die - eben auch erst einmal in the short run - teureren Umschulungsmaßnahmen zu fördern, die einen Berufsabschluss ermöglichen, der eine wichtige Eintrittskarte auf dem deutschen Arbeitsmarkt darstellt.
Aber das IAB greift auch einen Kritikpunkt aus dem Umfeld der Debatte über das deutsche "Jobwunder" auf, der sich auf die Qualität der neuen Jobs bezieht:
»Beschäftigte: Dieser Aspekt erhält besondere Relevanz, da es im letzten Jahrzehnt bei deutlichem Abbau der Arbeitslosigkeit auch zu einem deutlichen Aufbau von Beschäftigung niedrigerer Qualität kam. Will man strukturelle Probleme gerade im unteren Segment des Arbeitsmarktes angehen, so ist nicht nur der Einstieg, sondern auch der Aufstieg im Arbeitsmarkt essenziell ... Weiterbildung, aber auch Betreuung sowie Verstetigung von Beschäftigung gehören zu einer Strategie, die von staatlicher Seite unterstützt und wesentlich unter Mitwirkung der Arbeitgeber vorangebracht werden sollte.«
Und auch die jungen Menschen fehlen nicht in dem Aufriss der Aufgaben an die Arbeitsmarktpolitik der vor uns liegenden Monate:
»Junge Generation: Strukturproblemen begegnet man am besten, bevor sie entstehen ... Großes Potenzial liegt ... noch in der Verbesserung der Chancen bildungsferner Gruppen. Die Ungleichheit verfestigt sich hier von Beginn an bis zum Abschluss des Bildungsweges. Der stärkste Hebel liegt in der frühzeitigen Förderung gerade von Kindern aus sozial benachteiligten Schichten. Die Arbeitsmarktpolitik kann einen Beitrag leisten, indem sie – in Zusammenarbeit mit den Unternehmen – die Bemühungen für abschlussorientierte Maßnahmen im Hinblick auf eine zweite Chance für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss noch weiter verstärkt.«
Alles natürlich in einem Fazit noch sehr allgemein gehalten, aber es ist wichtig, dass diese Punkte in dieser Veröffentlichung des IAB platziert worden sind. Bleibt zu hoffen, dass das Eingang findet in die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen.