Dienstag, 17. April 2018

Alte Muster: Damit die "Hartz IV-Debatte" nicht aus dem Ruder läuft, muss man "die" einen gegen "die" anderen in Stellung bringen. Und dann kann man im Windschatten etwas ganz anderes ansteuern

Am 8. April 2018 habe ich den Beitrag Die abgehobene und letztendlich verlogene Hartz IV-Debatte so begonnen: »Jetzt wird das Thema durch die Talkshows getrieben - oftmals ein guter Indikator, dass der Höhepunkt einer den Gesetzen der Erregungs- und Aufmerksamkeitsökonomie folgenden öffentlichen Debatte überschritten wurde und dass das Thema demnächst im medialen Mülleimer landet, weil bereits die nächste Sau darauf wartet, durch das Dorf hecheln zu müssen.«

Vorher aber wartet offensichtlich und wieder einmal ein anderer, inhaltlich und menschlich höchst relevanter Mülleimer. Es geht um den Versuch, die "Hartz IV"-Debatte, bei der man mit Abschaffungsvisionen gestartet ist und bei dem die "Ernsthaften"-Fraktion in der Diskussion zumindest versuchen, substanzielle Verbesserungsvorschläge in den öffentlichen Raum zu stellen (vgl. für derartige Bemühungen stellvertretend die Beiträge Was an Hartz IV wirklich abgeschafft gehört von Florian Diekmann und Ken Loach statt Alex Dobrindt von Sebastian Puschner), einerseits wieder runterzuholen, was die Aufgabe der "Rückzieher- und Abkühler"-Fraktion ist, für die stellvertretend der neu zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steht, der sich jetzt semantisch (und damit auf Zeit spielend) in die Prüfwolke zurückgezogen hat, um die anfänglich wohl reichlich visionären Äußerungen aus seiner Partei, Hartz IV könne abgeschafft werden, wieder auf den Boden der GroKo- und eigenen Agenda-Realität zu holen, also soweit zu verdünnen und die Leute hinzuhalten, dass endlich die nächste Sau zu rennen beginnt und man das Thema los werden kann. Das wird dann sekundiert durch emotionslos daherkommende Basta-Versuche des Vizekanzlers Olaf Scholz (SPD) - Scholz will Hartz IV behalten -, was dann nur noch getoppt wird von den aus seiner Sicht völlig verständlichen, aber von der Außenwirkung her verheerenden Statement der "Genervten", für die der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil steht, der es zu so einer Headline gebracht hat: "Die Agenda-2010-Debatte langweilt mich" (vgl. dazu die Auseinandersetzung von Tom Strohschneider in seinem Artikel Der gelangweilte Herr Klingbeil, die SPD und die Agenda-Reformen). Hier geht es letztendlich nur noch darum, das Spielfeld möglichst schnell wieder zu verlassen, weil man als SPD angesichts der gegebenen Rahmenbedingungen hier keinen Blumentopf gewinnen kann (selbst wenn man richtige Ideen für Verbesserungen hätte, weil die immer an der Unionsfront in der Regierung abprallen würden) und man so eher erneut die Frustrationen der anderen, die immer noch hoffen, ernten würde.

Aber es gibt noch eine dritte Gruppe, die hier im Mittelpunkt stehen soll. Nennen wir sie mal die "Ablenker"- und "Instrumentalisierer"-Fraktion. Und deren Ergüsse sind gesamtgesellschaftlich überaus problematisch und gefährlich, arbeiten sie doch mit dem tief verankerten Muster des Sündenbocks, den man bei Bedarf weiter zuspitzen kann hin zu einem ordentlichen Feindbild, an dem sich dann die Betroffenen abarbeiten sollen, verbunden mit einer angenehmen Entlastungsoption für die, die nichts ändern wollen.

Und diese Fraktion hat eine starke Verankerung in Parteien - auch in solchen, an die man vielleicht bislang nicht zuerst gedacht hat - sowie in einem Teil der Medien, die sofort sekundierend mit einer Salve passender Artikel einspringen.

Beginnen wir auf der Parteiebene mit einem Beispiel, das vielleicht den einen oder anderen noch überrascht hat, wenn man die Transformation des Geschäftsmodells des Mannes hin zu einem Adaptionsversuch des österreichischen Kurz-Modells nicht mitbekommen hat: gemeint ist Christian Lindner und seine FDP. »Eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge könnte falsche Anreize für Migranten setzen. Das ist zumindest die Befürchtung des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner«, kann man diesem Artikel entnehmen: Hartz IV: Lindner warnt vor falschen Signalen an Migranten. Klare Ansage, die sich direkt an den Kernbereich der Reform-Vorschläge richtet: »Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat in der Hartz-IV-Debatte davor gewarnt, mit einer Erhöhung der Bezüge oder einer Lockerung der Sanktionen falsche Anreize für Migranten zu setzen.«
Und damit er auch nun wirklich von allen verstanden wird, begibt sich Lindner auf ganz tiefes Terrain:

„Junge Männer aus Syrien zum Beispiel müssen wissen: In Deutschland muss man arbeiten“, sagte Lindner. „Und es darf nicht der Eindruck entstehen, Hartz IV sei ein Grundeinkommen, das ein Clanmitglied irgendeiner libanesischen Bande in Berlin automatisch überwiesen bekommt.“

Und damit der Eindruck, der erzeugt werden soll, auch wirklich hängen bleibt, bekommen wir das hier serviert: »Nach Informationen der „Bild“-Zeitung dürfen Jobcenter Kinderehen sowie Zweit- und Drittfrauen von Muslimen bei Bezug von Hartz IV nicht mehr als Bedarfsgemeinschaft anerkennen. In einer neuen Weisung der Bundesagentur für Arbeit sei der Begriff der „Partner“ in einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft genauer definiert worden.«

Damit wird das Bild perfekt (verzerrt). Denn dass diese Fälle in einer Gruppe von sechs Millionen Menschen, die von Hartz IV-Leistungen abhängig sind, wenn überhaupt im molekularen Bereich angesiedelt sind, wird selbst in der Meldung nicht korrigierend erwähnt.

Und wo selbst die FDP so holzt, darf die CSU, die derzeit sowieso alles den anstehenden Landtagswahlen in Bayern und der dort starken Konkurrenz durch die AfD unterordnet, nicht fehlen: »Die SPD arbeitet sich an Hartz IV ab - die CSU haut nun mit einem drastischen Rundumschlag dazwischen. Generalsekretär Blume verknüpft seine Attacke mit Migrantenschelte«, so der Artikel „Zuwanderungsstütze“? CSU-General versucht Hartz-IV-Rundumschlag. Danach ist der CSU-Generalsekretär Markus Blume durchaus der Meinung, man müsse über Hartz IV reden, aber wenn, dann gefälligst so: „Das eigentliche Problem ist doch, dass Hartz IV inzwischen eher zur Zuwanderungsstütze geworden ist. Darüber sollten wir reden, denn das ist ein Zeichen für falsche Anreize“, wird Blume zitiert.

Und bei so einer Debattenrichtung darf a) Dobrindt nicht fehlen und b) um auch wirklich sicherzustellen, dass klar ist, dass es gegen "die" Ausländer geht, schiebt er das hier nach, um die Verengung des Themas zu befestigen: Dobrindt fordert Leistungskürzung für abgelehnte Asylbewerber. »Statt Geld sollten abgelehnte Asylbewerber eher Sachleistungen erhalten, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt«, wohl wissend, dass diese Forderung dem Koalitionsvertrag widerspricht. Aber es geht ja nicht wirklich um eine realisierungsfähige Option, sondern um das Brandzeichen, das es zu setzen gilt.

Und schlussendlich kann man sicher sein - bei so einer Gefechtslage ist der mediale Flankenschutz nicht fern. Beispielsweise in Gestalt des Rainer Hank, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, der es auch in die "Anne Will"-Sendung zum Thema Hartz IV am 8. April 2018 geschafft hat: Hartz IV, die Flüchtlinge und eine Lüge, so prägnant hat er seine Schützenhilfe überschrieben. Die extreme Kurzfassung seiner Argumentation geht so: »Hartz IV fördert die Armut, behauptet der Sozialminister. Dabei ist das Gegenteil wahr: Das Geld ermöglicht es Verfolgten, in den Sozialstaat einzuwandern. Wer höhere Bezüge will, fördert auch die AfD.« Im weiteren Verlauf führt er aus:

»Vor fünf Jahren lebten mehr als 4,7 Millionen Deutsche und knapp 1,2 Millionen Ausländer von Hartz IV. Heute sind es weniger als 3,9 Millionen Deutsche und mehr als zwei Millionen Ausländer. Fast die Hälfte von ihnen kommen aus Syrien, dem Irak und anderen Fluchtländern. Dagegen konnten fast eine Million deutsche Hartz-IV-Bezieher die Grundsicherung verlassen. Das ist so, weil automatisch jeder Migrant, dessen Asylantrag anerkannt wird, Hartz IV erhält – sofern er keine Arbeit hat, was bei vielen angesichts fehlender (Sprach-)Kompetenz der Fall ist ... Gerade die Freunde der Willkommenskultur müssten die aktuellen Hartz-IV-Zahlen begrüßen: Sie sind Ausdruck des „Wir schaffen das“ in der Flüchtlingspolitik.«

Und damit auch hier klar wird, um was es geht, schiebt Hank nach: »Merken die neuen Hartz-IV-Revisionisten nicht, dass sie in Wirklichkeit ein Mobilisierungsprogramm für die AfD und ihre Freunde gezündet haben? Höhere Bezüge und eine Rücknahme von Sanktionen würden in stetig steigendem Maße den Fremden zugutekommen.« Den Fremden. Als wenn - so der Subtext des Artikels - bei "den" Deutschen im Hartz IV-System ansonsten alles in Ordnung wäre. Verfestigung und Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit im Hartz IV-System (und das schon vor der Flüchtlingswelle)? Kein Thema für den Mann. Und der mag Lindner: » Es entsteht dann der berechtigte Eindruck, Hartz IV sei so etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen, das auch ein Clanmitglied einer libanesischen Bande automatisch überwiesen bekomme, wie es FDP-Chef Christian Lindner formulierte.«

Auch Dorothea Siems von der WELT mischt sich entsprechend ein: Deutschlands neue Armut, so hat sie ihren Leitartikel überschrieben.  Auch sie bedient die Klaviatur:

»Der Grund, warum trotz jahrelangen Konjunkturaufschwungs und sinkender Arbeitslosigkeit die sozialen Probleme nicht weniger werden, liegt in dem starken Zuzug von hilfsbedürftigen Menschen. Mehr als ein Drittel der Hartz-IV-Bezieher sind mittlerweile Ausländer, wobei die Syrer inzwischen die größte Gruppe bilden. Und die Quote wird weiter steigen, weil in nächster Zeit immer mehr Flüchtlinge aus dem Asylbewerberleistungssystem in die Grundsicherung gelangen.

Doch nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Migranten aus Osteuropa stellen die hiesigen Sozialsysteme vor neue Herausforderungen ... neben den hoch willkommenen Arbeitsmigranten, die entscheidenden Anteil am Beschäftigungsboom der vergangenen Jahre hatten, kommen auch viele Menschen, die ohne Qualifikationen und Deutschkenntnisse keinerlei Chance haben, hier einen Job zu finden. Unter den Obdachlosen bilden die Osteuropäer inzwischen die Mehrheit. Manche überwintern lediglich in Deutschland, weil es in ihrer Heimat keinerlei Kältehilfe gibt. Doch viele bleiben. Und weil sie keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, schlagen sie sich irgendwie durch. Das Gleiche gilt für abgelehnte ausreisepflichtige Asylbewerber, die untertauchen.«

Um das an dieser Stelle in aller Deutlichkeit zu sagen: Es ist ja nicht falsch, auf den Effekt der Flüchtlingszuwanderung auf die Hartz IV-Zahlen hinzuweisen. Das wurde hier übrigens schon getan, als das noch keiner hören wollte. Vgl. dazu meinen Beitrag Viele Spekulationen. Wo bleiben sie denn? Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt und zunehmend im Hartz IV-System vom 11. Oktober 2016. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass die meisten der geflüchteten Menschen im Hartz IV-System aufschlagen werden müssen, selbst wenn sie eine Erwerbstätigkeit im Niedriglohnsektor finden, weil sie dann mit ihrer Bedarfsgemeinschaft auf aufstockende Leistungen angewiesen sind. Aber es wurde in den zahlreichen Beiträgen zum Thema Flüchtlinge bereits ab 2015 warnend darauf hingewiesen, dass man viel mehr in Sprach- und Integrationsprogramme investieren müsse und auch in öffentlich geförderte Beschäftigung, um rechtzeitig Brücken in die Arbeitswelt bauen zu können. Das weiß man doch nun wirklich aus der Theorie und Praxis der Arbeitslosigkeit, welche verheerende Effekte lang andauernde Erwerbslosigkeit auf die betroffenen Menschen hat.

Aber offensichtlich geht es in der aktuellen Debatte der "Ablenker"- und "Instrumentalisierer"-Fraktion nicht nur um eine Fokussierung der Hartz IV-Debatte weg von einer eigentlich und notwendig zu führenden Systemdebatte hin zu einer Besetzung des Begriffs Hartz IV mit den hoch emotionalisierten Begriffen Flüchtlinge, Asylbewerber, osteuropäische Migranten. Die Stoßrichtung ist klar: Man will nicht nur davon ablenken, dass es ursprünglich mal darum ging, berechtigterweise das Hartz IV-System, das zusammen mit den administrierenden Jobcentern für die letzten Außenposten unseres Sozialstaates steht, kritisch auf den Prüfstand zu stellen hinsichtlich der Höhe der Leistungen, der Ausgestaltung der Förderung, der repressiven Elemente. Man treibt einen Keil zwischen "den" Deutschen und "den" Ausländern, man impliziert eine sehr reduzierte Schuldfrage, die in dem sich durchaus ausbreitenden "fremdenfeindlichen" Klima auf einen entsprechenden Resonanzboden stößt - und was am gefährlichsten ist: am Ende könnten nicht irgendwelche und seien sie noch so partikular angelegte Verbesserungen für die betroffenen Menschen stehen, sondern sogar Leistungseinschränkungen für bestimmte Personengruppen. Das wäre dann ein besonders zynischer Treppenwitz der Hartz IV-Debatte.

Selbst wenn irgendjemand in der SPD-Spitze was verändern wollte im Hartz IV-System - man muss mit Naivität geschlagen sein, wenn man nicht sieht, dass es dafür in der Großen Koalition keinen einzigen Ansatzpunkt geben wird. Jeder Vorstoß, der über das, was im Koalitionsvertrag steht, hinausgeht (und da steht neben dem neuen Regelinstrument für eine überschaubare Zahl an öffentlich geförderter Beschäftigung eben nichts drin), wird an der CDU/CSU abprallen. Insofern ist es ja auch durchaus rational, wenn die SPD-Strategen jetzt versuchen, die ausgebrochene Debatte wieder einzufangen, die Luft rauszulassen und zu hoffen, dass das bald aus dem öffentlichen Raum verschwindet. Vor diesem spezifischen Hintergrund ist es dann aber von besonderer Gefahr, dass sich zwischenzeitlich wie dargestellt eine ganz eigene Diskussionslinie aufgetan hat, die das Thema zu einem "Ausländer"-Thema verzerrt. Mit allen Folgen, die das haben kann.

Und der Vollständigkeit halber sei hier abschließend auf eine zweite Diskussionslinie verwiesen, die im Windschatten der großen Begriffsschlachtschiffe segelt, die aber überaus problematisch werden kann, denn sie scheint einen Lösungsansatz zu präsentieren, der auch von anderen Debatten-Teilnehmern vorgetragen wird: gemeint ist hier der Übergangsbereich zwischen dem, was man im Grundsicherungssystem an Leistungen bekommen kann und dem, was sich aus einer Erwerbstätigkeit vor allem im Niedriglohnbereich (in dem übrigens jeder vierte abhängig Beschäftigte in unserem Land arbeiten muss) erwirtschaften lässt. Stellvertretend dafür sei an dieser Stelle auf die Ausführungen des mittlerweile emeritierten Ökonomen Hans-Werner Sinn verwiesen. Über die berichtet dieser Artikel: Star-Ökonom Sinn kritisiert: Die deutsche Politik setzt bei Hartz IV falsche Anreize. Man ahnt schon, was mit "Anreize" gemeint ist. Die Logik von Sinn entspringt der klassischen Ökonomen-Welt, in der man nur ein wenig an der Anreizschraube drehen muss - sowohl negativ wie aber auch positiv, um bestimmte Verhaltensweise zu generieren.
Sinns Diagnose folgt den gängigen Mustern der ökonomischen Analyse: »Je höher die Transferleistungen ausfallen und je weniger man von etwaigen Zuverdiensten behalten darf, desto geringer ist die Motivation, an den Arbeitsmarkt zurückzukehren.« Was tun?

Hans-Werner Sinn schlägt vor, »die Belastung von Zusatzeinkünften auf maximal 50 Prozent zu begrenzen und gleichzeitig Lohnzuschüsse aus öffentlichen Kassen zu gewähren. Die Beschäftigten in unteren Lohnsegmenten erhalten dann quasi zwei Einkommen – eines vom Staat und ein selbst erarbeitetes. „Aktivierende Sozialhilfe“ nennt das Sinn im Unterschied zu der passiv machenden Unterstützungspolitik, die derzeit praktiziert wird.«

Und dann lässt er die Katze aus dem Sack und bringt das eigentliche Anliegen dieser Fraktion auf den Punkt:

»Durch die zwei Komponenten der Einkünfte der Arbeitnehmer werden die Lohnkosten, die Unternehmen zahlen müssen, entkoppelt von den Einkommen der Arbeitnehmer (sinken also). Nur so können in einer Marktwirtschaft ausreichend rentable Jobs aufrechterhalten werden oder neu entstehen, damit ein Großteil der Geringqualifizierten Arbeit bekommt. Dem Mindestlohn hingegen erteilt Ökonom Sinn eine klare Absage. Denn dieser erschwere es Unternehmen, rentabel zu wirtschaften – bis hin zu Verlusten. Wenn man Firmen dazu zwingt, hat man „keine Marktwirtschaft mehr, sondern eine Zentralverwaltungswirtschaft“. „Mindesteinkommen statt Mindestlohn“, heißt daher die Devise.«

Ja klar, das wäre nichts weiter als eine gigantische Subventionierung des bereits bestehenden Niedriglohnsektors - wobei Sinn noch einen Schritt weiter geht und unbelehrbar und unbeeindruckt von empirischen Tatsachen den mittlerweile etablierten Mindestlohn gleich mit abräumen will, eingebettet in Argumente, die von ihm und anderen Vertretern seiner Fraktion schon im Vorfeld der Mindestlohneinfürhung vorgetragen wurden, um vor hundertausendfachen Jobverlusten zu warnen, die ganz sicher kommen müssen, was bekanntlich nicht der Fall war, denn die Wirklichkeit hält sich offensichtlich nicht an das Modell dieser Ökonomen.

Wenn das aber die Stoßrichtung ist, dann wird verständlich, warum es in diesem Lösungsansatz a) keine höheren Leistungen im Hartz IV-System geben darf (dadurch steigt natürlich die Zahl der Aufstocker enorm an), besser wäre sogar eine Absenkung der heutigen Leistungen verbunden mit dem Legitimationsversuch, man können sich ja was dazu verdienen, b) auf keinen Fall die Sanktionen für nicht-konformes Verhalten abgeschafft werden dürfen, damit man ein entsprechendes Druckmittel hat, die Leute in die subventionierte Niedriglohnwelt zu drücken und c) warum es auf gar keinen Fall eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns oder gar die Wieder-Ausweitung von Tariflöhnen in die unteren Etagen des Arbeitsmarktes geben darf, denn das eigentliche Ziel ist es ja, die Unternehmen massiv auf der Lohnkostenseite zu entlasten.

Man sieht, möglicherweise landen wir (wieder einmal) bei etwas ganz anderem, als das, was am Beginn der aktuellen Hartz IV-Debatte von dem einen oder anderen so geplant oder erhofft war.