Montag, 19. Februar 2018

Die Roboter und andere Vehikel der Automatisierung, die Ängste um die Erwerbsarbeit und die relevante Frage der Ungleichheit


Bei Prognosen muss man bekanntlich vorsichtig sein, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Statistiker-Bonmot könnte einen verleiten, jeden Versuch einer Vorhersage der Entwicklung als hoffnungsloses Unterfangen abzulehnen und sich auf Vergangenheit und Gegenwart zu beschränken. Aber das entlastet nur auf den ersten Blick, man denke an die heftigen Auseinandersetzungen, die geführt werden um die Interpretation dessen, was ist. Gibt es Armut in Deutschland und wenn, wie viele Menschen sind davon betroffen? Allein diese Frage kann erwachsene Menschen in den Zustand höchst aggressiver Streitigkeiten treiben. Wie soll es da erst sein, wenn es um den Blick in die Zukunft geht und vor allem um die Bewertung dessen, was die Folgen sein werden bzw. könnten?

Und zu den höchst umstrittenen und - man kann den Eindruck bekommen - mit einer immer heftiger werdenden Aggressivität ausgetragenen Debatten über die zukünftige Entwicklung gehören sicher die Fragen der Automatisierung, der Roboterisierung, der Digitalisierung. Da kommt (wieder einmal) etwas Neues auf uns zu, das erst in Umrissen erkennbar, das nur schwer bis gar nicht fassbar ist. In solchen Unsicherheitszonen ist es immer hilfreich, wenn man Manifestationen für das Neue hat. Dazu gehört mittlerweile sicher das Bildnis von "den" Robotern, das wir uns gemacht haben bzw. das uns serviert wurde. Die höchst ambivalente Wirkkraft der Roboter auf die Menschen ist auch darin begründet, dass sie eine Kernzone des modernen menschlichen Daseins fundamental berühren: die Erwerbsarbeit der Menschen, genauer: der Lohnabhängigen. Deren Infragestellung, radikalisiert gesprochen deren Auslöschung (von manchen durchaus aus Befreiung in den Raum gestellt) bewegt seit vielen Jahren die Gemüter.

Für die meisten Menschen erscheinen dabei die technologischen Umbrüche als Bedrohung, gehen sie doch einher mit einer Entwertung des Bisherigen, des Gewachsenen, des Gewohnten, ohne dass man auch nur annähernd alternative Konfigurationen des Daseins erkennen kann. Und daraus hat sich bereits vor Jahrzehnten eine gerade am Bild der Roboter aufgehängte Debatte unter der apokalyptischen Prognose, dass uns die Arbeit ausgehen wird, entwickelt und festgebissen. Also korrekter formuliert muss man sagen - dass uns die Erwerbsarbeit ausgehen wird, die wir kennen, in der Form, dass viele Arbeitnehmer in großen Fabriken vor sich hinschrauben. Denn denen, die beispielsweise in den Familien den Laden am Laufen halten, zu sagen, es droht uns die Arbeit auszugehen, wird von diesen maximal ein freundliches Lächeln ernten angesichts der hier für die Betroffenen durchschimmernden Naivität im Kontext der Herausforderungen der Alltagsarbeit.


Vielleicht verdeutlicht die nebenstehend abgebildete Visualisierung der Diskussion über ein jeweils bevorstehendes Ende der Arbeit und eine damit verbundene gewaltige technologische Arbeitslosigkeit aus mehreren Jahrzehnten am Beispiel entsprechender Titelgeschichten des SPIEGEL ganz gut, dass die Bilder, die sich mittlerweile im kollektiven Unterbewusstsein festgesetzt haben, immer wieder mit "den" Robotern assoziiert werden. Hier hat sich etwas verselbständigt. Aber trotz der im übrigen durchaus pessimistischen Verarbeitungsversuche in den 1960er, 1970er und nun auch in diesen Jahren ist die Erwerbsarbeitskatastrophe zumindest mengenmäßig ausgeblieben. Nun könnte man sich an dieser Stelle zurücklehnen und davon ausgehen, dass das, was in den vergangenen Jahrzehnten eben nicht eingetreten ist, auch bei der nächsten Automatisierungswelle so ablaufen wird.

Auf der anderen Seite darf man nicht verkennen, dass die pessimistischen Szenarien auch deshalb Konjunktur haben, weil sie in anderen Kontexten instrumentalisiert werden. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die Debatte über die "zwingende Notwendigkeit" eines bedingungslosen Grundeinkommens eben angesichts der behaupteten erwerbsarbeitsvernichtenden Wirkungen der Roboterisierung, Digitalisierung usw.

Aber der Automatisierungsfortschritt ist unaufhaltsam, ob man das nun gut findet oder nicht. Die Abbildung am Anfang dieses Beitrags zeigt die neuesten Zahlen der International Federation of Robotics (IFR). Die haben am 7. Februar 2018 die neusten Zahlen veröffentlicht über die Roboterdichte in der Fertigungsindustrie, anhand derer man den Automatisierungsgrad einer Volkswirtschaft zu messen versucht. Vgl. hierzu Robot density rises globally. Südkorea und Singapur sind mit großem Abstand zum restlichen Feld auf den ersten beiden Plätzen, aber dann schon kommt Deutschland, vgl. auch Osteuropa und China holen auf: Weltweit immer mehr Roboter in der Fertigung im Einsatz. Und auch solche Meldungen werden nicht wenige in ihrer skeptischen Wahrnehmung dieser Entwicklung bestärken, denn wenn die Roboter immer mehr werden, dann muss die letzte Stunde der menschlichen Arbeitskraft schlagen.

Und das Lager der Skeptiker wird verstärkt durch solche Meldungen, die darauf verweisen, dass es ja eben nicht nur Roboter in den großen Fabriken sind, die am gegebenen System rütteln: Digitalisierung zerstört 3,4 Millionen Stellen. So die Überschrift eines Artikels aus der FAZ. Und der adressiert genau die Diskussion, die auch hier schon angerissen wurde: »Bislang ist die Digitalisierung für viele Menschen noch ein abstraktes Phänomen. Auch wenn in den Fabriken schon der ein oder andere Roboter mit anpackt: Das Gros der Unternehmen entlässt keine Mitarbeiter, sondern sucht vielmehr händeringend neue Leute. Die deutsche IT-Branche aber warnt, dass das nicht mehr lange so bleiben wird, sondern dass die Digitalisierung auch in Deutschland in großem Stil Arbeitsplätze vernichten wird.« Da haben wir also den Digitalisierungs-Salat:

»3,4 Millionen Stellen in den kommenden fünf Jahren sollen nach Angaben des Branchenverbands Bitkom hierzulande wegfallen, weil Roboter oder Algorithmen die Arbeit übernehmen. Angesichts von aktuell knapp 33 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entspräche das mehr als jeder zehnten Stelle. Jedes vierte Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern sieht sich durch die Digitalisierung gar in seiner Existenz bedroht. Dies geht aus einer Umfrage des Verbands unter 500 Unternehmen quer durch alle Branchen hervor.«

Und in dem Artikel wird der Bitkom-Präsident Achim Berg zitiert mit Worten, die den Blutdruck der Apokalyptiker sicher in die Höhe getrieben hat: »Der Bitkom verweist unter anderem darauf, dass es in der deutschen Kommunikationstechnik Mitte der neunziger Jahre noch 200.000 Stellen gab. Jetzt seien es nur noch 20.000. „Wir haben in nur fünfzehn Jahren 90 Prozent der Arbeitsplätze in diesem Bereich verloren – durch die Digitalisierung“, sagt Berg. Eine solche Entwicklung drohe als Nächstes Banken und Versicherungen, aber auch der Chemie- und Pharmabranche. Auf die nächsten zwanzig Jahre betrachtet, würde die Hälfte aller Berufsbilder wegfallen, schätzt der Verband. Die Arbeit eines Zahntechnikers übernähmen 3D-Drucker, die des Steuerberaters Algorithmen.« Vor diesem Hintergrund überrascht dann das auch nicht mehr: »Berg ist deshalb auch durchaus offen für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens.«

Nur einem Anmerkung zum besseren Verständnis der dramatisch daherkommenden Zahlen über den Beschäftigungsrückgang in der "deutschen Kommunikationstechnik": Hier sind Hersteller von Telefonen und Handys gemeint.

Nehmt also das, ihr Beruhiger und ihr Leugner dessen, was auf uns zukommen wird. Könnt man meinen. Aber sogleich meldete sich genau das Lager zu Wort.

Das wurde aufgegriffen von Tom Strohschneider in seinem Beitrag Die Digitalisierung macht uns alle arbeitslos! Wirklich? Eine neue Studie und ein Widerspruch im Oxi-Blog. Seine Kritik geht so:

»Die Debatte über die arbeitsmarktpolitischen Folgen der Digitalisierung krankt an zwei Fehlern. Der erste ist ein politischer: Dabei wird der aktuelle Schub von Automatisierung und Computerisierung wie eine Art Naturkatastrophe betrachtet ... Der zweite Fehler ist ein empirischer. In der Regel wird der Blick auf die Frage beschränkt, was mit Stellen passiert, die technologisch überrollt werden könnten. Die gibt es in der Tat ... Allerdings klingt es schön dramatisch, wenn gesagt wird, 3,4 Millionen Jobs fallen binnen fünf Jahren weg – und noch dramatischer, wenn weggelassen wird, dass zugleich natürlich sogar durch diesen Ersetzungsprozess wiederum neue Jobs entstehen.«

Strohschneider spricht hier ein grundlegendes Problem an, auf das auch in diesem Blog bereits in der Auseinandersetzung mit der immer noch vielzitierten Frey/Osborne-Studie, die bereits im Jahr 2013 veröffentlicht worden ist und aus der die meisten Medien mitgenommen haben, dass bis zu 50 Prozent der Jobs wegfallen werden, hingewiesen wurde: Zwischen brutto und netto gibt es einen oftmals ziemlich großen Unterschied. Dazu die Beiträge Wenn sich eine Pi-mal-Daumen-Studie verselbständigt und bei sozialpolitischen Grundsatzthemen wie einem bedingungslosen Grundeinkommen als Referenz dient vom 30. Mai 2017 sowie "Es werden oft Gespenster an die Wand gemalt". Die Digitalisierung, die Roboter und die (angeblichen) Jobverluste vom 12. April 2017.
Und auch Strohschneider greift diesen Punkt auf: »Der Ökonom Jens Südekum, der sich viel mit den Folgen von technologischem Wandel auf Arbeitsmärkte befasst hat, reagierte bereits auf die neuerliche Studie. »Wenn Tätigkeitsfelder oder Stellen wegfallen, heißt das nicht, das Menschen automatisch arbeitslos werden«, twitterte Südekum unter Verweis auf die Entwicklung, die in den vergangenen 20 Jahren hierzulande abgelaufen ist.«

Und die Kritik wurde auch von der FAZ aufgegriffen: Sind wirklich 3,4 Millionen Arbeitsplätze in Gefahr?, so lautete die Überschrift eines Nachfolge-Artikels. »Tatsächlich deutet so manche Untersuchung der jüngeren Zeit darauf hin, dass die Digitalisierung in Deutschland nicht zu Massenarbeitslosigkeit führen wird. „Es gibt keinen Anlass zur Panik“, sagt der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum. Er hat in seiner eigenen Forschung herausgefunden, dass Industrieroboter in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren unter dem Strich nicht dazu geführt haben, dass Arbeitsplätze weggefallen sind.« Zu der Forschungsarbeit von Suedekum und anderen vgl. beispielsweise diesen Beitrag: The rise of robots in the German labour market.

Aber die Skeptiker konnten sogleich nachlegen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hat sich gerade diese Tage mit einer neuen Studie zu Wort gemeldet, die auf den ersten Blick das "Beruhigungsszenario" zu widerlegen scheint. Substituierbarkeitspotenziale von Berufen: Wenige Berufsbilder halten mit der Digitalisierung Schritt so ist die Studie von Katharina Dengler und Britta Matthes überschrieben.

Zur Begrifflichkeit: Das Substituierbarkeitspotenzial gibt an, in welchem Ausmaß Berufe gegenwärtig potenziell durch den Einsatz von Computern oder computergesteuerten Maschinen ersetzbar sind. Es entspricht dem Anteil an Kerntätigkeiten in einem Beruf, die schon heute durch den Einsatz moderner Technologien übernommen werden könnten.

Eine solche Untersuchung hatte das IAB schon 2013 veröffentlicht. Ein wichtiger Befund im Vergleich der neuen zur alten Studie: »Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in einem Beruf mit hohem Substituierbarkeitspotenzial arbeiten, ist von 15 Prozent im Jahr 2013 auf 25 Prozent im Jahr 2016 gestiegen.« Das wurde von vielen Medien übernommen bzw. nicht mit diesem Hinweis versehen, den die Verfasserinnen der Studie hervorgehoben haben: »Substituierbarkeitspotenziale werden allerdings nur zum Teil ausgeschöpft, da einer Automatisierung beispielsweise wirtschaftliche, ethische oder rechtliche Aspekte entgegenstehen können.«

Dieser relativierende Aspekt wird besonders sachlich und deutlich erkennbar in diesem Interview mit den beiden Wissenschaftlerinnen: „Es geht darum, Erfahrungswissen und neue digitale Kompetenzen zu verzahnen“. Ein Interview mit Britta Matthes und Katharina Dengler:

»Wir haben in der Tat herausgefunden, dass im Jahr 2016 ein Viertel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, also circa acht Millionen, in Berufen mit einem hohen Substituierbarkeitspotenzial arbeiten – also in Berufen, in denen mindestens 70 Prozent der anfallenden Tätigkeiten von Computern oder computergesteuerten Maschinen erledigt werden könnten. Dies bedeutet aber nicht, dass in gleichem Umfang Arbeitsplätze wegfallen. Bei den Substituierbarkeitspotenzialen betrachten wir nur die technische Machbarkeit – also ob Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen erledigt werden könnten ... Denkbar wäre sogar eine Entwicklung, in der mehr Beschäftigung hinzukommt als verloren geht. So entstehen im Zuge der Digitalisierung neue Arbeitsplätze durch Produkt- und Dienstleistungsinnovationen; steigende Produktivität könnte zu sinkenden Preisen und einer höheren Nachfrage und damit zu einem Beschäftigungswachstum führen.«

Generell sollte man bedenken: Die Diskussion über die Folgen der Digitalisierung hinsichtlich der Beschäftigung ist weitaus komplexer, als es auf den ersten Blick daherkommt. Nehmen wir ein Beispiel, dass vor kurzem durch die Medien geisterte und ebenfalls für viele den Automatisierungsfortschritt versinnbildlicht: Amazon eröffnet ersten Supermarkt – ganz ohne Kassen, so die Überschrift eines der vielen Artikel darüber. Da haben wir es - die Kassiererinnen werden wegrationalisiert:

»Der Onlinekonzern Amazon hat in Seattle im US-Bundesstaat Washington seinen ersten Supermarkt eröffnet. Nach dem Prinzip grab-and-go können Kunden bei Amazon Go Waren aus den Regalen nehmen und bezahlen beim Verlassen des Supermarktes automatisch per App ... Betreten könne den Supermarkt nur, wer ein Konto bei Amazon besitze und die Amazon-Go-App auf seinem Smartphone installiert habe. Ein Sensor registriere die App und öffne die Zugangsschranken. Der Kunde könne die Waren nun direkt in seine Einkaufstaschen legen – supermarkteigene Einkaufskörbe oder -wägen gebe es nicht.

Die Regalböden seien mit Waagen versehen, die registrierten, welche Artikel entnommen werden. Zusätzlich sollten Dutzende Kameras helfen, genau zu identifizieren, welche Produkte eingepackt werden. Wer alles habe, was er brauche, könne das Geschäft einfach durch die Eingangsschranken verlassen – ohne in der Schlange zu stehen, ohne passendes Kleingeld zu suchen, ohne die Geheimzahl von EC- oder Kreditkarte einzugeben. Der Kunde müsse lediglich mit der App auschecken und erhalte wenig später die Rechnung. Der Rechnungsbetrag werde vom Amazonkonto des Kunden abgebucht.«

Kann man eindrucksvoller belegen, dass ganz viele Jobs verloren gehen werden, wenn sich Amazon als Trendsetter durchsetzen wird? Wie immer ist es nicht so einfach im wahren Leben. Eine erste Einschränkung wurde bereits in dem Artikel selbst am Ende angemerkt: Amazon selbst hätte angegeben, »Arbeitsplätze würden durch das Konzept von Amazon Go nicht gefährdet: Zwar arbeiteten keine Kassiererinnen und Kassierer in den Supermärkten, aber für die Zubereitung frischer Speisen, das Befüllen der Regale, den Empfang und für die Alterskontrolle am Alkoholregal werde nach wie vor Personal benötigt.«

Und man kann sogar noch einen drauflegen: Amazon Go braucht mehr Mitarbeiter als ein normaler Supermarkt: »Amazon Go wird gerne als Beispiel für Automatisierung und Personaleinsparung aufgeführt. Dabei ist das komplette Gegenteil der Fall, das Konzept ist personalintensiv. Amazon zeigt, wie trotz Automatisierung Arbeitsplätze geschaffen werden können.« Da reibt man sich verwundert die Augen. In dem Artikel wird folgender Vergleich gezogen: Beim Umfang von Sortiment und bei der Ladengröße dürfte Amazon Go mit der herkömmlichen Supermarkt-Kette Seven Eleven in den USA vergleichbar sein. Das Ergebnis: »Während bei Ketten wie Seven Eleven die kleinen Filialen in einer Schicht von einem bis maximal drei Mitarbeitern besetzt werden, braucht Amazon eher sieben bis zehn Mitarbeiter.«

Um an dieser Stelle eine andere Baustelle ins Spiel zu bringen, die uns gerade in diesen Tagen mehr als bewegt: Es sei nur auf den ganz erheblichen Personalbedarf beispielsweise in der Pflege erinnert, wo enorme Lücken beklagt werden. Und das kann man auf viele gerade personenbezogene Dienstleistungen ohne Probleme erweitern.

Aber gibt es denn gar kein Haar in der Suppe? Doch, das gibt es und selbst diejenigen, die den Apokalyptikern Paroli bieten wie der bereits erwähnte Volkswirt Suedekum legen den Finger auf diese offene Wunde: Es sind die Auswirkungen auf das bisherige Lohngefüge. Dazu führt Jens Suedekum in diesem Interview aus:

»Wir haben deutlich gesehen, dass der Robotereinsatz die Produktivität und die Gewinne steigert, aber nicht die Durchschnittslöhne. Innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer haben die Hochqualifizierten positive Effekte gehabt, das heißt, sie verdienen mehr. Im unteren Bereich, bei Pförtnern und Hausmeistern zum Beispiel, haben wir überhaupt keine Effekte festgestellt. Aber im mittleren Bereich, beim typischen Facharbeiter mit Berufsausbildung, und diese Gruppe macht ungefähr 75 Prozent aller Beschäftigten in der Industrie aus, hatten wir tatsächlich leicht negative Effekte auf den Lohn. Wir reden noch nicht über dramatische Größenordnungen, aber es sind statistisch signifikante Lohnrückgänge.«

Diesen Aspekt hatte auch Tim Strohschneider bereits in diesem Artikel aus dem Oktober 2017 angesprochen: Wegfallende Jobs, sinkende Löhne: Neues über Roboter und die Folgen: »Immer mehr Roboter kommen zum Einsatz. Welche Folgen gibt es für die Beschäftigten? Neue Studien zeigen, dass die Zahl wegfallender Jobs zwar geringer sein könnte. Die Automatisierung wirkt aber als Umverteilungsmaschine nach oben: Löhne sinken, Profite steigen.«

In diesem Kontext sind auch die Ausführungen von Carys Roberts zu lesen: Without the right policies, automation risks the transfer of income from labour to capital, so hat sie ihren Beitrag überschrieben. Ausgangspunkt ihrer Ausführungen ist die Wahrnehmung, dass »debates have focussed on work, less attention has been paid to the other side of the coin: profit.« Und das sei ein echtes Defizit, »because automation could cause the transfer of large amounts of national income from labour (in wages) to capital (in profits), as income from tech-generated growth flows primarily to owners of capital. Such an increase in the capital income share could occur for a variety of reasons. Aggregate wages will be reduced if workers are substituted for technology without new jobs of equivalent worth in aggregate wages being created elsewhere in the economy. It could also occur if wages are pushed down due to surplus of labour reducing bargaining power following automation. The capital income share will also increase if new economic growth is less labour-intensive than before, as a result of new technologies. It is notable, for example, how many of the new ‘superstar’ tech firms have relatively few employees, generating (or expecting to generate) their profits largely from their technology, algorithms, and data.«

Und das alles ist in gewissen Grenzen anschlussfähig an einen anderen Strang der Debatte, den Stephan Kaufmann in seinem Artikel Alles unter Kontrolle? Wie Roboter die Zukunft der Menschheit verändern könnten angesprochen hat. Und auch bei ihm geht es um die besonders relevante Frage nach den Verteilungsfolgen.

»Was würde geschehen, wenn superintelligente Technik die Fabriken und Büros kaperte? „Ergebnis wäre eine riesiger Anstieg der Ungleichheit“, so US-Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz.« Um das nachvollziehen zu können, muss man sich dem folgenden Gedankengang öffnen:
»In der Realität ist es ... nicht so sehr die Künstliche Intelligenz (KI), die den Menschen bedroht. Sondern das betriebswirtschaftliche Kalkül. Roboter und Computerprogramme ersetzen Beschäftigte, weil sie billiger sind und mehr leisten, sie werden nie krank, haben keinen Urlaub und kein Leistungstief, sie streiken und meckern nicht. Sie sind oft schneller, geschickter, ausdauernder als Menschen – und zunehmend klüger. Roboter übernehmen nicht mehr nur mechanische Tätigkeiten, sondern auch kognitive.«
Und Kaufmann identifiziert eine dreifache Verteilungsfrage:
»Die Automatisierung verändert die Verteilung von Einkommen. Und zwar erstens die zwischen den Arbeitskräften – qualifizierte Beschäftigte verdienen mehr, gering qualifizierte weniger. Zweitens zwischen Arbeit und Kapital – die Lohneinkommen schrumpfen relativ zu den Unternehmereinkommen. Drittens regional – erfolgreich digitalisierten Zentren stehen abgehängte Regionen gegenüber.«
Immer wieder landet man bei der Frage nach der Ungleichheit und daraus abgeleitet nach einer vor diesem Hintergrund erforderlichen Verteilungspolitik. Denn das hier bereits vorgetragene Argument mit dem Personalbedarf beispielsweise in der Pflege ist nur dann tragfähig, wenn es uns gesellschaftlich gelingt, die dafür notwendigen und ganz erheblichen Ressourcen auch zu mobilisieren, also dort zu organisieren, wo heute schon und erst recht und er Zukunft die große Wertschöpfung betrieben wird. Und an dieser Stelle sieht es derzeit nun wirklich eher schlecht aus, wie man konstatieren muss. Eine der entscheidenden Fragen der vor uns liegenden Jahre wird also lauten: Wie kann man die wachsenden Wertschöpfungsbereiche unserer Volkswirtschaften (wieder) beteiligen an der Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben? Dabei nur auf die sozialversicherungspflichtigen Lohneinkommen zu vertrauen, wird in der Zukunft immer weniger funktionieren.