Wenn man schon einige Jahre unterwegs ist in der Sozialpolitik, dann kennt man das Prozedere. Nehmen wir als Beispiel die erste Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD, die 2005 nach der Abwahl der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gebildet werden musste. CDU/CSU und SPD waren mit grundsätzlich verschiedenen Konzepten für einen Systemwechsel, zumindest hinsichtlich der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, in den Wahlkampf 2005 gezogen ("Bürgerversicherung" versus "Gesundheitsprämie"). Diese beiden Konzepte waren derart unterschiedlich, dass sie für die Jahre 2005 bis 2009 stillgelegt werden mussten (vgl. zur Bilanz der damaligen GroKo, in deren Mittelpunkt der Gesundheitsfonds stand, diesen Beitrag: Stefan Sell: Die Suche nach der Goldformel. Bürgerversicherung oder Kopfpauschale – trotz großer Gegensätze haben Union und SPD die Gesundheitspolitik vier Jahre lang gemeinsam gelenkt. Das Zauberwort für die schwarz-rote Reform heißt Gesundheitsfonds, in: Gesundheit und Gesellschaft, Heft 7-8/2009, S. 35-41).
Und nach der schwarz-gelben Episode mit FDP-Gesundheitsministern kam es bekanntlich 2013 dann erneut zu einer GroKo. Im Wahlkampf davor war sie wieder präsent, die Bürgerversicherung. Im SPD-Wahlprogramm Das Wir entscheidet. Das Regierungsprogramm 2013 – 2017 taucht der Begriff an neun Stellen auf. Mit der Seite 73 hat man damals der Bürgerversicherung eine Menge Platz im Programm eingeräumt und die dort beschriebene Zielsetzung war mehr als ambitioniert:
»Die Bürgerversicherung wird als Krankenvoll- und Pflegeversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger eingeführt. Dazu werden wir für alle Kassen, die an der Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege teilnehmen, einen einheitlichen und solidarischen Wettbewerbsrahmen schaffen. Mit der Bürgerversicherung halten wir an einem gegliederten, öffentlich-rechtlichen und selbstverwalteten Kassensystem als tragender Säule der gesetzlichen Krankenversicherung fest. Wir wollen es stärken. Für alle Neu- und bislang gesetzlich Versicherten wird die Bürgerversicherung verbindlich eingeführt. Menschen, die bisher privat versichert sind, können für ein Jahr befristet wählen, ob sie wechseln wollen.
Wir wollen in der Bürgerversicherung die Solidarität zwischen den hohen und den niedrigen Einkommen stärken. Und Arbeitgeber sollen wieder den gleichen Beitrag leisten wie Beschäftigte, die tatsächliche Parität muss wiederhergestellt werden. Wir werden mehr Nachhaltigkeit durch die Einführung einer stetig ansteigenden Steuerfinanzierung erreichen. Wir werden den Zusatzbeitrag abschaffen und den Krankenkassen die Beitragssatzautonomie zurückgeben. Unser Ziel ist, für alle einen gleich guten Zugang zu medizinischer Versorgung zu schaffen und Privilegierungen im Gesundheitssystem abzubauen, also die Zwei-Klassen-Versorgung beenden.
Mit der Bürgerversicherung werden wir ein einheitliches Versicherungssystem mit einer einheitlichen Honorarordnung für die gesetzlichen wie privaten Krankenversicherungen einführen. Das Gesamthonorarvolumen wird dabei nicht geschmälert, sondern gerechter verteilt. Die Honorierung ambulanter Leistungen im niedergelassenen und stationären Bereich wird angeglichen.
Wir werden für alle Kassen, die an der Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege teilnehmen, einen einheitlichen solidarischen Wettbewerbsrahmen schaffen. Das erreichen wir, indem nicht die „Rosinenpickerei”, die Auswahl der „guten Risiken”, belohnt wird, sondern das Angebot der besten Qualität.«
Es musste sich - folgt man den Ausführungen im Wahlprogramm - um eine bedeutsame Forderung der SPD gehandelt haben. Die dann aber in der Realität der GroKo vollständig untergegangen ist. Bezogen auf die Pflege kann bzw. muss man sogar konstatieren. Am 13. März 2014 wurde in diesem Blog der Beitrag Die Pflege und das Geld: Wiederbelebungsversuche der "Bürgerversicherung" und Wiederauferstehung der Kapitaldeckung im Mäntelchen eines "Vorsorgefonds" veröffentlicht. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom Dezember 2013 findet man die Ankündigung einer Beitragssatzerhöhung zur Pflegeversicherung und bei der Beschreibung, wofür das Geld verwendet werden soll, diesen Passus: »Die Einnahmen aus der weiteren Erhöhung um 0,1 Prozentpunkte werden zum Aufbau eines Pflegevorsorgefonds verwendet, der künftige Beitragssteigerungen abmildern soll.« Die GroKo 2013 ff. startete mit einer Wiederauferstehung des Gedankens der Kapitaldeckung. Bereits im Koalitionsvertrag zwischen der Union und der FDP aus dem Jahr 2009 wurde vereinbart, dass es eine Ergänzung durch eine „Kapitaldeckung“ bei der Pflegefinanzierung geben sollte. Herausgekommen ist dann aber lediglich der so genannte „Pflege-Bahr“, also zulagengeförderte freiwillige private Versicherungsverträge. Und der neue Schritt der Koalition aus Union und SPD 2013? Meine damalige Kommentierung:
»Unter dem euphemistisch daherkommenden Terminus „Vorsorgefonds" wurde seitens der Großen Koalition nicht nur vereinbart, erhebliche Mittel in den kommenden Jahren anzusparen, sondern aus Sicht des bisherigen Systems tatsächlich systemverändernd ist die Tatsache, dass dieser kapitalgedeckte Fonds über Beitragsmittel aus einer umlagefinanzierten Sozialversicherung gespeist werden soll. Das hat es nun wirklich noch nicht gegeben ... Bei Gelegenheit müsste die SPD dann schon mal die Frage beantworten, wie sie es selbst bewerten will, dass sie bis vor der Wahl das Konzept der "Bürgerversicherung" propagiert hat und nach der Wahl eine weitaus stärkere Kapitaldeckung implementieren lässt, als es die schwarz-gelbe Koalition auch nur ansatzweise geschafft hat. Das hat schon eine gewisse Ironie.«
Na gut, hat irgendwie nicht geklappt. Nächstes Spiel, neues Glück? Man ahnt schon, was kommt, wenn jetzt das Wahlprogramm der SPD aus dem Jahr 2017 aufgerufen wird: Zeit für mehr Gerechtigkeit. Unser Regierungsprogramm für Deutschland. Auch da findet man das Stichwort "Bürgerversicherung", an acht statt neun Stellen. Da bei solchen Programmen immer gerne mit Textbausteinen, also Reanimationen aus den Vorgänger-Papieren gearbeitet wird, hier nur die Veränderungen bzw. Konkretisierungen gegenüber dem Programm von 2013:
»Alle erstmalig und bislang gesetzlich Versicherten werden wir automatisch in die Bürgerversicherung aufnehmen. Dazu zählen auch Beamtinnen und Beamte, für die in der Bürgerversicherung ein beihilfefähiger Tarif geschaffen wird. Die öffentlichen Arbeitgeber können wählen, ob sie für gesetzlich versicherte Beamtinnen und Beamte einen Arbeitgeberbeitrag zahlen oder wie bisher über die Beihilfe einen Anteil der Behandlungskosten direkt übernehmen. Bisher Privatversicherte können wählen, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln möchten. Die gesetzliche Krankenversicherung machen wir für Selbstständige mit geringem Einkommen günstiger. Dazu werden wir die Bemessung der Beiträge für Selbstständige einkommensabhängig ausgestalten und so die Beiträge bei geringen Einkommen senken.«
Der Teufel steckt bekanntlich immer im Detail und so wird dem einen oder anderen gar nicht aufgefallen sein, dass auf der langen Wegstrecke, die von den Apologeten der "Bürgerversicherung" in der SPD seit der Jahrtausendwende, als das erstmals gefordert wurde, zurückgelegt worden ist, einiges verloren gegangen ist. In der Urfassung der Bürgerversicherungsmodelle, die ja auch von den Grünen und Linken vertreten werden, gab es zwei konzeptionelle Anker (vgl. hierzu die Darstellung des Grundkonzepts der Bürgerversicherung von Thomas Gerlinger aus dem Jahr 2014):
- Zum einen soll für die gesamte Bevölkerung eine Krankenversicherung zu einheitlichen Bedingungen verpflichtend werden, die Privatversicherte zu denselben Bedingungen versichert wie gesetzlich Krankenversicherte. Die Versicherungspflichtgrenze und damit die exit-Option für Besserverdienende aus der GKV würde ebenso entfallen wie die Sonderzugangsrechte für Beamte und Selbständige. In der PKV würden nur noch diejenigen Personen versichert sein, die dort zuvor bereits versichert waren und auch bleiben wollen. In der Perspektive würde also die private Krankenversicherung als Krankheitsvollversicherung abgeschafft werden.
- Zum anderen sollen neben den Einkünften aus abhängiger Arbeit künftig auch andere Einkunftsarten (z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Zins- und Kapitaleinkünfte, Werkverträge) bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden. Dabei sind für kleinere Einkünfte zumeist bestimmte Freibeträge und gelegentlich für größere Einkünfte bestimmte Höchstbeträge vorgesehen. Auf diese Weise will man die Zusatzbelastung für diese Gruppen begrenzen und zudem die Akzeptanz für ein solches Modell erhöhen.
Vor diesem Hintergrund hat ja auch die Bertelsmann-Stiftung, die seit einigen Jahren zum Erstaunen vieler Kritiker, die in der Stiftung nur die Hohepriester des Neoliberalismus und des Sozialabbaus wirken sehen, im Projekt "Integrierte Krankenversicherung" unter Federführung des in dieser Angelegenheit sehr umtriebigen Stefan Etgeton aus einer von ihr in Auftrag gegebenen und bereits 2013 veröffentlichten Studie zur Finanzierung einer solchen "integrierten Krankenversicherung" (mit dem Terminus meint man eine "Bürgerversicherung", will aber die parteipolitisch und ideologisch besetzte Wahrnehmung des ursprünglichen Begriffs zu umgehen versuchen) die Schlussfolgerung gezogen, dass die angestrebte Verbreiterung der Finanzierungsbasis der Krankenversicherung über die Heranziehung von Mitteln aus der Einkommenssteuer erfolgen sollte, denn: »Vorteile hat eine direkte Steuerfinanzierung vor allem hinsichtlich ihrer Effizienz, da keine zusätzlichen administrativen Kosten entstehen. Sowohl die Ausweitung der Beitragspflicht auf andere Einkommen als auch die Durchführung eines steuerfinanzierten Sozialausgleichs für einkommensunabhängige Prämien ziehen Bürokratiekosten in Höhe von über 175 Millionen Euro nach sich.«
Das Bertelsmann-Projekt ist für die Besitzstandswahrer eine echte Provokation, denn hier wird offensichtlich die Philosophie eines "linken" Projekts geteilt: »Die Integration von gesetzlicher und privater Krankenversicherung führt zu einer gerechteren und nachhaltigeren Versorgung.« Vgl. zu den grundsätzlichen Argumenten den Beitrag von Etgeton et al. 2013: Systemkohärenz im Gesundheitswesen. Plädoyer für eine integrierte Krankenversicherung.
Und die Bertelsmann-Stiftung hat zwischenzeitlich nachgelegt und mit zwei Studien die Einbeziehung der Selbständigen und die Integration der Beamten behandelt. Zu der Frage einer Einbeziehung der Beamten vgl. auch den Blog-Beitrag Neue Studie: Beamte in die Gesetzliche Krankenversicherung? vom 10. Januar 2017.
Nun ist das Gesundheitswesen vor allem angesichts der enormen Geldsummen, die hier verteilt und angeeignet werden, ein sprichwörtliches Haifischbecken. Das bekommen alle zu spüren, die am Status Quo zu rütteln versuchen. »Bei möglichen Verhandlungen über eine Neuauflage der Großen Koalition sei eine Bürgerversicherung ein "zentrales Anliegen" seiner Partei,« so der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Sollte das in einer neuen GroKo nicht berücksichtigt werden, dann gebe es "nicht den Hauch einer Chance, dass die SPD-Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen würden". Dafür erntete er umgehend den wütenden Protest der Ärzte-Lobby, so dieser Artikel: Ärzte laufen Sturm gegen Bürgerversicherung.
Und man sollte sich ganz besonders warm anziehen, wenn es den Beamten an ihre Sondersysteme geht. Da wird dann auch schon mal flugs - kein Witz - eine "Staatskrise" an die Wand gemalt: Beamtenbund sieht durch Bürgerversicherung Staatswesen gefährdet. Die Warnung des Beamtenbundchefs Ulrich Silberbach klingt schrill und ist es auch: Er »sieht durch eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung sogar "die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens" gefährdet, deren "Rückgrat nun einmal die Beamten mit ihrem besonderen und entsprechend alimentierten Pflicht- und Treueverhältnis sind". Die SPD wolle das "auf dem Altar einer vermeintlichen sozialen Gerechtigkeit opfern". Es drohten "Versorgungsengpässe und lange Wartelisten".«
Aber wird es überhaupt auch nur in die Nähe einer wie auch immer gearteten "Bürgerversicherung" kommen (können)? Darüber haben sich so einige den Kopf zerbrochen - und immer wieder wird dabei darauf hingewiesen, dass die aktuellen Forderungen aus der Sozialdemokratie hinsichtlich der Finanzierung und der Zukunft der Privaten Krankenversicherung (PKV) weichgespült sind im Vergleich zu früheren Konzepten: »Die SPD hat im Wahlkampf ein eher moderates Konzept vertreten. Demnach würde die Beitragsbemessungsgrenze beibehalten, Kapitalerträge blieben weiterhin beitragsfrei«, so David Böcking und Florian Diekmann in ihrem Artikel Sorge um Zwei-Klassen-Gesundheitsversorgung: Der Kampf um die Bürgerversicherung.
Und Timot Szent-Ivanyi berichtet unter der Überschrift Bürgerversicherung: SPD fordert Systemwechsel:
»Anders als früher geplant (und anders als von Grünen verlangt), will die SPD auch künftig nur die Arbeitseinkommen mit Beiträgen belegen, nicht aber Kapital- und Mieteinnahmen ... Von einer Abschaffung der Privatversicherung ist bei der SPD aus gutem Grund keine Rede mehr. Denn es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Privatversicherte nicht gegen ihren Willen in eine Bürgerversicherung gezwungen werden können. Problematisch ist auch der Umgang mit den Reserven, die die Versicherungsunternehmen für die höheren Ausgaben im Alter angelegt haben. Diese Alterungsrückstellungen im Gesamtumfang von 230 Milliarden Euro könnte man theoretisch den Versicherten bei einem Wechsel in die Bürgerversicherung mitgeben, doch dafür gibt es bisher kein verfassungsrechtlich sauberes Verfahren, schließlich sind die Rückstellungen Eigentum der Versicherungen. Die Unternehmen dürften sich jedenfalls mit allen Mitteln gegen ein Ende ihres Geschäftsmodells wehren.«
Allerdings hat auch diese bereits eingedampfte Form der Umsetzung eine große offene Flanke, die in der Infragestellung der Existenzbedingungen für die PKV-Unternehmen kumuliert:
»Mit dem Fortbestand der Privatversicherung entstehen allerdings einige Probleme. Da es keinen Neuzugang von jungen Kunden mehr gibt, werden die Beiträge für die „Altversicherten“ aller Voraussicht nach explodieren. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach unlängst von einem „hohen finanziellen Risiko“ für diejenigen, die in der Privatversicherung bleiben wollten. Am Ende muss jedoch die Politik auch für diese Versicherten eine Lösung finden, weil sie ansonsten ihre Beiträge nicht mehr zahlen können. Darauf hat die SPD noch keine Antwort.«
Und der Widerstand der Union wird massiv sein. Realistisch gesehen und vom derzeitigen Kräfteverhältnis ausgehend werden sich die Sozialdemokraten an dieser Stelle (wieder) nicht verkämpfen, sondern wenn überhaupt einige wenige Punkte als Kompromiss in einem Koalitionsvertrag verankert bekommen. So spekuliert Arno Staeck in der "Ärzte Zeitung" unter der Überschrift GroKo lässt Blütenträume sprießen: Es sei wahrscheinlich,
»... dass die SPD das "Hamburger Modell" in die Verhandlungen einbringt. Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) will ab August 2018 den Landesbeamten die Möglichkeit der Wahl eröffnen: Sie können wie bisher Beihilfe erhalten oder aber sie bekommen den Arbeitgeberanteil zur Gesetzlichen Krankenversicherung überwiesen. Allerdings hält sich die politische Magnetwirkung dieses Vorschlags bisher in Grenzen. Kein anderes Bundesland hat bisher signalisiert, diesem Weg folgen zu wollen. Bereits in den 80er und 90er Jahren sind vergleichbare Vorschläge wegen befürchteter Mehrausgaben der Länder frühzeitig zu den Akten gelegt worden.
Alternativ könnten sich die Partner einer neuen Bundesregierung auch auf einen eher symbolischen Schritt in Sachen GKV-Finanzierung verständigen: die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung ... Über 15 Milliarden Euro ihrer Ausgaben könnten die Kassen in diesem Jahr nur über Zusatzbeiträge finanzieren. Dies treffe vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen.«
In die gleiche Richtung gehen die Überlegungen von Timot Szent-Ivanyi in seinem Artikel Bürgerversicherung: SPD fordert Systemwechsel: Union und SPD »könnten sich zumindest darauf einigen, die Attraktivität der gesetzlichen Kassen zu erhöhen, um auf freiwilliger Basis mehr Wechsler zu gewinnen. Denkbar ist zum Beispiel eine realistische Beitragsberechnung für Selbstständige, die Zahlung eines Arbeitgeberanteils auch bei Beamten sowie die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Beiträge durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.«
Das hört sich pragmatisch an, öffnet zugleich aber die Scheunentore für mögliche Folgeprobleme, weil wie gesagt der Teufel immer im Detail steckt: »Bei allen Modellen der Freiwilligkeit besteht allerdings ein Risiko: Wenn nur Privatversicherte wechseln, die durch Alter, Krankheiten oder viele Kinder hohe Kosten verursachen, wird die Operation zu einem Minusgeschäft für die gesetzlichen Kassen.«
Deshalb wäre es ja auch schön, wenn man auf der grünen Wiese ein neues System bauen könnte - denn dass das bestehende duale System der Krankenversicherungen mit der GKV und der PKV nicht wirklich überzeugend ist, liegt für jeden halbwegs unabhängigen Beobachter offen auf dem Tisch. Die Betonung liegt aber auf "es wäre schön", wenn man das machen könnte. Auch wenn es frustrierend klingen muss für alle, die sich endlich einen ordentlichen Schritt in Richtung "Bürgerversicherung" erhoffen - so, wie es derzeit aussieht, wird es nur einige partielle Zugeständnisse an die sozialdemokratischen Herzensanliegen geben - und die können dann unterm Strich sogar dazu beitragen, dass das System noch komplizierter und fehleranfällig wird.