Erst vor kurzem wurde hier die ganz besondere Art und Weise, wie Ryanair mit seinem Personal umgeht, anlässlich einer wichtigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem Blog-Beitrag kritisch thematisiert: Aus der Welt der Dumpingpreise und -löhne: Ryanair bekommt vom Europäischen Gerichtshof einen Schuss vor den Bug, was das Arbeitsrecht angeht, so ist der Beitrag vom 16. September 2017 überschrieben.
Parallel dazu dann der Schock für viele Kunden des Billigfliegers: Ryanair streicht bis 31. Oktober 2.100 Flüge. Bis zu 100.000 Kunden werden davon betroffen sein, so die Schätzung von Luftfahrtexperten.
Die erste Begründung des irischen Unternehmens für diesen Super-Gau war mehr als putzig: Man wolle dadurch die Pünktlichkeitsquote erhöhen. Ja klar, wenn die Flieger nicht fliegen, können sie sich nicht verspäten. Durch die Flugstreichungen könne Ryanair die „Belastbarkeit unserer Flugpläne verbessern und die Pünktlichkeit auf unser Jahresziel von 90 Prozent wiederherstellen“, führte Unternehmenssprecher Robin Kiely aus, kann man diesem Artikel entnehmen.
Nach der allgemeinen Heiterkeit ob der Dreistigkeit dieser "Begründung" wurde auf einmal eine andere nach vorne geschoben: Die Airline macht unter anderem eine vermasselte Urlaubsplanung für die vielen Flugausfälle verantwortlich so beispielsweise der Artikel Ryanair nennt neuen Grund für 2.100 gestrichen Flüge. Kenny Jacobs, Vorstand der Marketingabteilung von Ryanair, äußerte sich in einem Tweet so: „Es tut uns leid, es liegt daran, dass wir die Urlaubsplanung unserer Piloten verbockt haben.“
Aber auch das überzeugte nicht alle. Spekulationen darüber, dass Ryanair auf Kosten der Belegschaft zu schnell und zu aggressiv wächst, so dass jetzt Piloten zur Konkurrenz überlaufen und Ryanair auch deshalb Flüge streichen muss, wurden vom Ryanair-Chef Michael O'Leary natürlich zurückgewiesen, so Lutz Reiche in seinem Kommentar Der lustige Ire landet hart. Und weiter: »Doch Tatsache ist, Ryanair setzt gnadenlos auf Wachstum, bietet europaweit neue Verbindungen an, will seine Passagierzahl im laufenden Geschäftsjahr auf 130 Millionen steigern - bei fallenden Ticketpreisen wohlgemerkt, wie O'Leary noch Anfang Juni ankündigte. Dass dies auch auf Kosten des Personals geht, ist sehr wahrscheinlich.«
Mittlerweile wird immer deutlicher, dass Ryanair erhebliche Personalprobleme hat. Das schlägt sich dann in solchen Artikeln nieder: Gehen Ryanair die Piloten aus?, fragt sich Jan Schmidbauer.
Darin findet man diesen Passus:
»Bei Ryanair herrscht seit jeher eine hohe Fluktuation im Cockpit. Die Bezahlung der Piloten gilt als unterdurchschnittlich. Zudem steht die Airline wegen ihrer Arbeitsbedingungen in der Kritik. Viele Piloten sind nicht fest angestellt. Sie fliegen als Selbständige durch die Luft. Wie aus dem jüngsten Geschäftsbericht der Airline hervorgeht, bleiben Piloten im Schnitt nur vier Jahre bei Ryanair. Das Durchschnittsalter des Cockpit-Personals beträgt gerade einmal 34 Jahre.
Laut Jim Phillips von der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit hat die hohe Fluktuation System. "Ryanair hat immer damit geplant, dass sie jedes Jahr 20 Prozent ihrer Piloten verliert", sagt er. Jahrelang sei das kein Problem gewesen. Die Airline habe stets genug neue Anwärter fürs Cockpit gefunden, die bereit waren, die teure Ausbildung selber zu bezahlen. "Für Ryanair war es oft günstiger, neue Leute zu holen, als die alten zu behalten", sagt Phillips. Nun gehe diese Strategie allerdings nicht mehr auf.«
Und offensichtlich haben die jetzt ein Problem: »Nach Einschätzung des Luftfahrtexperten fehlen am Markt derzeit viele Flugkapitäne, also besonders erfahrene Piloten mit vielen Flugstunden. Ryanair versuche bereits, sie bei anderen Fluggesellschaften abzuwerben, unter anderem bei der insolventen Air Berlin ... Selbst in Südamerika sucht Ryanair nach Piloten. So veranstalte die Billigairline Mitte August eine Infoveranstaltung in Rio de Janeiro.«
Und jetzt wird man zum Gefangenen seiner eigenen Billigheimer-Strategie:
»Für die Fluggesellschaft ist es laut Phillips allerdings schwierig, Piloten abzuwerben. Oft müssten sie auf eine Menge Geld verzichten, wenn sie ins Cockpit von Ryanair wechseln wollen, insbesondere, wenn sie bislang für gut zahlende europäische Airlines geflogen sind. "Das sind in vielen Fällen Einbußen von 50 Prozent. Wenn nicht mehr." Womöglich sind die Arbeitsplätze bei anderen Billigairlines attraktiver. So erklärte Konkurrent Norwegian Air, man habe in diesem Jahr bereits 140 Ryanair-Piloten übernommen.«
Aber man glaube ja nicht, dass der irische "Low-Cost-Carrier" Einsicht zeigt dahingehend, dass man besser mit seinen Leuten umgehen muss. Das zeigen solche Meldungen: Ryanair drängt Piloten zu Urlaubsverzicht. Alle Piloten wurden aufgefordert, »selbst in einem Monat zu arbeiten, für den schon Urlaub gewährt wurde.«
Als "Gegenleistung" wird den Piloten ein Bonus in Aussicht gestellt - für den November 2018.
»Die Auszahlung wird aber an mehrere Bedingungen geknüpft. So müssen die Piloten mindestens bis Ende Oktober nächsten Jahres weiter bei Ryanair fliegen, auf zehn Tage Urlaub verzichten. Davon müssen dann fünf Tage in einer bereits genehmigten Auszeit liegen. Außerdem müssen mindestens 800 Flugstunden binnen zwölf Monaten absolviert werden.«
Bei solchen Bedingungen können 12 Monate sehr lang und die scheinbar versprochene Auszahlung kann sich wie verhalten wie Butter in der Sonne.