Dienstag, 22. August 2017

Wenn private Pflegeheimbetreiber eine "ideologiefreie Diskussion" vorschlagen ... Die Altenpflege, ihre Personalmisere und die das Geschäft störende Fachkraftquote


»Weil in vielen Altenheimen das Personal fehlt, bleiben Pflegeplätze unbesetzt. Betreiber verlangen mehr Flexibilität.« So kann man es in einem Artikel in der Printausgabe der FAZ lesen, der am 21.08.2017 unter der bereits diskussionswürdigen Überschrift "Fachkräftequote verschärft Pflegenotstand" veröffentlicht wurde. Bezeichnenderweise und völlig richtig auf der ersten Seite des Wirtschaftsteils platziert. Es handelt sich auch nicht um "die" Pflegeheimbetreiber, sondern um die privaten Anbieter, von denen sich einige organisiert haben im Bundesverband privater Pflegeanbieter (bpa). Und dieser Verband beklagt »die zu strikte Auslegung der Regel, wonach die Hälfte des Pflegepersonals Fachkräfte sein müssen. Wird die Quote von in der Regel 50 Prozent unterschritten, legt der Betreiber „freiwillig“ Betten still – falls nicht, tun das die Behörden. Neue Patienten dürfen dann nicht aufgenommen werden.« Das ist schlecht fürs Geschäft, keine Frage.

Und das wir es bei der Pflege alter Menschen mit einem offensichtlich richtig attraktiven Geschäft zu tun haben, kann man auch diesem Beitrag von Michael Braun entnehmen: Renditeobjekt Pflegeheim: »Alten- und Pflegeheime werden für Finanzinvestoren zu immer interessanteren Objekten. Jetzt hat eine amerikanische Gesellschaft den sechstgrößten deutschen Heimbetreiber aufgekauft.« 13 Pflegeheime gehen in den Besitz eines US-Investors, einer vermeintlichen „Heuschrecke“. Hamburgs größter privater Pflege-Anbieter, „Pflegen & Wohnen“, fällt in die Hände der US-amerikanischen Heuschrecke Oaktree. Oaktree verwaltet 100 Milliarden US-Dollar, etwa 40 Prozent davon haben die Manager aus Kalifornien weltweit in Unternehmen investiert. Und die erwerben außerdem die Vitanas Holding, die mit gut 7.700 Pflegeplätzen sechstgrößte Einrichtung dieser Art.

Am Jahresende 2015 gab es nach der Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 13.596 Pflegeheime, darunter 11.164 mit vollstationärer Dauerpflege. Freigemeinnützige Träger aus dem kirchlichen Bereich, AWO oder DRK hatten (noch) einen Marktanteil von 53 Prozent, der Marktanteil der privatgewerblichen Träger belief sich auf 42,2 Prozent. Allerdings mit einer ausgeprägten Streuung zwischen den Bundesländern, der niedrigste Anteil der Privaten wurde in Baden-Württemberg mit 31,2 Prozent gezählt, der höchste mit 66,5 Prozent in Schleswig-Holstein.

Mit Blick auf die Expansion der privatgewerblichen Anbieter in der stationären Pflege: Wie sieht es aus auf diesem "Markt"?

Mit der Vitanas Holding sowie der Hamburger Pflege & Wohnen (insgesamt mehr als 8.300 Pflegeplätze) würde Oaktree »den sechsten Rang unter den deutschen Anbietern halten, knapp hinter dem Berliner Unternehmen Kursana mit seinen gut 9.000 Residenzplätzen. Kursana gehört zur Berliner Dussmann Gruppe. Die marktführenden Ketten Curanum und Casa Reha mit knapp 25.000 Pflegeplätzen in 221 Heimen gehören der börsennotierten französischen Korian. Der nächstgrößere Rivale, Alloheim Senioren-Residenzen mit Sitz in Düsseldorf, 143 Heimen und gut 14.000 Plätzen, gehört dem Finanzinvestor Carlyle, der aber schon wieder einen neuen Eigentümer sucht.«

Warum gerade ausländische Investoren auf den Geschmack gekommen sind? Dazu zitiert Michael Braun in seinem Artikel Claus Bölicke, Abteilungsleiter Gesundheit, Alter, Behinderung beim Arbeiterwohlfahrt Bundesverband: "Sicherlich relativ günstige Preise. Und das andere Element ist sicherlich auch eine relativ gesicherte Finanzierung über die Pflegeversicherung oder gegebenenfalls den Eigenanteil auch dann über den Sozialhilfeträger. Und was wir von ausländischen Pflegeanbietern, die sozusagen hier Fuß gefasst haben, in Deutschland, gehört haben, das sie eben auch tatsächlich sehr überrascht waren, wie schnell das erste Geld fließt, dadurch dass einfach mit den Pflegekassen und auch den Eigenanteil mit den Bewohnerinnen und Bewohnern monatlich abgerechnet wird."

Aber so ein Pflegeheim ist eben keine Schraubenfabrik oder ein anderes Industrieunternehmen, wo man rationalisieren und die Produktivität der Beschäftigten systematisch nach oben treiben kann. Man möge sich einmal selbst überlegen, wie man beispielsweise die Arbeitsproduktivität der Pflegekräfte in einem Pflegeheim jedes Jahr um beispielsweise zwei oder drei Prozent erhöhen will. Das geht am Ende nur über das, was wie dann als "Pflegenotstand" oder in Form zahlreicher Missstände in der Versorgung der alten Menschen serviert bekommen.

Und dann wird das an sich schon problematische Personalthema noch dadurch potenziert, dass der Gesetzgeber eine "Fachkraftquote" vorgeschrieben hat, nach der mindestens die Hälfte der Beschäftigten über eine entsprechende pflegerische Qualifikation verfügen muss. Und die sind natürlich a) teurer als Hilfekräfte und b) die werden dann zu einem Problem, wenn man nicht genügend entsprechend qualifizierte Pflegekräfte finden kann auf dem Arbeitsmarkt. Und hier sind wir wieder bei dem FAZ-Artikel "Fachkräftequote verschärft Pflegenotstand" vom 21.08.2017 angekommen.

Wieder einmal wird der bpa-Präsident Bernd Meurer zitiert. Meurer betreibt drei Pflegeheime in Bayern und Rheinland-Pfalz ist seit 1997 Präsident des bpa:

„Bei der Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit gibt es nur einen Beruf, bei dem die Deutschland-Karte komplett rot ist, das ist die Altenpflege“, sagt Meurer. Schon „das sichere Beherrschen der Grundrechenarten“ mache klar, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen deutlich schneller steige als die der Pflegefachkräfte. Den Vorhalt, dann solle die Branche eben mehr und besser bezahlen, lässt er nicht gelten. Zum einen sei man an Mindestlohn, Tarife und die Refinanzierung durch die Pflegekassen gebunden, zum anderen helfe auch eine höhere Bezahlung dem allgemeinen Mangel kurzfristig nicht ab.

Meurer sieht das Übel in den starren Personalquoten. Um auf die wachsende Lücke zwischen Betreuungsbedarf und Nachfrage nach Angeboten dafür zu reagieren, bedürfe es neuer Konzepte. Da werden wir natürlich hellhörig. Was sollen das für neue Konzepte sein?

»Der Gesetzgeber solle den Heimbetreibern mehr Raum für die Anstellung von – in der Regel auch billigeren – Hilfskräften lassen. Dabei führe der Einsatz von mehr Hilfskräften nicht automatisch zu einer schlechteren Pflege. Es komme daher nicht auf den Stellenschlüssel an, sondern darauf, dass in der Pflege die erforderliche Qualität „zu 100 Prozent“ erreicht werde.«

Na prima. Man hat also einen Personalschlüssel und neben der Gesamtzahl ist dort auch normiert, dass mindestens 50 Prozent eine pflegerische Fachqualifikation haben müssen. Man findet aber (angeblich) nicht genügend Fachkräfte, um die Erwartungen erfüllen zu können. Und jetzt fordert man, dieses Problem dadurch zu lösen, dass man ceteris paribus einfach mehr Hilfs- und weniger Fachkräfte einstellen darf.

Das nun wäre nichts weiter als eine massive Downgrading-Strategie in der Altenpflege. Das ist so offensichtlich, dass der Lobbyist der privaten Pflegeheimbetreiber Sand in die medialen Augen zu streuen versucht, in dem er so argumentiert:

»Meurer sieht das Übel ... in den starren Personalquoten. Um auf die wachsende Lücke zwischen Betreuungsbedarf und Nachfrage nach Angeboten dafür zu reagieren, bedürfe es neuer Konzepte ... (Seiner Meinung nach) müsse die heute starre Fachkräftequote flexibler gehandhabt werden ... Konkret: Der Gesetzgeber solle den Heimbetreibern mehr Raum für die Anstellung von – in der Regel auch billigeren – Hilfskräften lassen. Dabei führe der Einsatz von mehr Hilfskräften nicht automatisch zu einer schlechteren Pflege.«

Wie das, wird jetzt der eine oder andere stirnrunzelnd fragen. »Es komme daher nicht auf den Stellenschlüssel an, sondern darauf, dass in der Pflege die erforderliche Qualität „zu 100 Prozent“ erreicht werde.« So Meurer. Man achte auf die Formulierung - "die erforderliche Qualität" ist der Schlüsselbegriff. „Die Qualifikation der Beschäftigten muss sich nach den fachlichen Anforderungen richten, nicht nach starren Quoten.“ Und hier platziert er seine Forderung nach einer "ideologiefreien Diskussion":

»In der Betreuung und Begleitung Pflegebedürftiger, die den Hauptteil der täglichen Arbeit ausmache, seien die Ansprüche an die Qualifikation der Beschäftigten deutlich geringer als etwa bei der qualifizierten Krankenbeobachtung oder der Planung der Versorgung, sagt Meurer. Auf solche Unterscheidungen müsse eine intelligente Personalplanung aufbauen können, wenn das Ziel einer flächendeckenden und qualitativ hohen Pflege erreicht werden solle.«

Der Pflege-Taylorismus feiert hier eine große Party. Dahinter steht die Vorstellung, man könne die Betreuungs- und Pflegeprozesse in kleine Häppchen zerteilen und dann die Personalbemessung anhand der so gewonnenen Teilprozesse machen. Mit dem natürlich erwünschten Ergebnis, dass die examinierten Pflegekräfte einen nicht geringen Teil ihrer Arbeitszeit mit "nicht-pflegekraftrelevanten" Tätigkeiten verbringen bzw. "verschwenden", die eben auch von anderen, nicht-examinierten Kräften erledigt werden könnten - zu "100 Prozent der "erforderlichen" Qualität. Und wenn man die einzelnen Arbeitsprozesse nur "richtig" zerlegt, dann wird der Bedarf an examinierten Fachkräften deutlich eingedampft werden können, was zugleich bedeuten würde, die Quote der Nicht-Fachkräfte erhöhen zu müssen und die auch zu dürfen, weswegen natürlich die 50 Prozent-Vorgabe fallen muss. Und da die Hilfskräfte quantitativ leichter zu finden snd als Fachkräfte und zugleich auch noch billiger sind, hätte man eine "win-win-Situation". Für die Pflegeheim-Betreiber.

Meurer bekommt auf Landesebene Schützenhilfe für seine Strategie: "Starre Fachkraftquote ist unrealistisch", so ein entsprechender Artikel, der aus Bremen berichtet. »Der Bremer Landesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) fordert, im Zweifel die Pflichtquote an Pflegefachkräften in Heimen zu senken. "Die starre Fachkraftquote ist nicht zeitgemäß", teilte der bpa Bremen mit. In Bremen ist in der Pflege eine Fachkraftquote von 50 Prozent vorgeschrieben ... "Aber uns fehlen schlicht die Menschen, die diese Arbeit übernehmen könnten", sagt Hannelore Bitter-Wirtz, bpa-Landesbeauftragte Bremens. Der bpa fordere einen ehrlichen Dialog "über innovative Konzepte in der Pflege statt starrer Fachkraftquote", wie es hieß. "Eine 50-prozentige Fachkraftquote ist wissenschaftlich nicht unterfüttert ... "Mit Denkverboten und dem Beharren auf einer inzwischen oftmals unrealistischen Fachkraftquote kommen wir nicht weiter."«

Deutlich erkennbar wird hier ein mehr als problematischer Blick auf Teile der Altenpflege - nach dem Motto, dafür braucht man nun wirklich nicht eine hoch qualifizierte Ausbildung. Diese gerade von den privaten Pflegeheimbetreibern maßgeblich vorgetragene Position hat ja auch zu dem mehr als unbefriedigenden Kompromiss bei der ursprünglich geplanten generalistischen Pflegeausbildung geführt - vgl. dazu beispielsweise die Beiträge Auf die lange Bank schieben. Die Blockade der Reform der Pflegeausbildung und eine dauerhafte Abwertung der Altenpflege vom 20. Januar 2017 sowie Reform der Pflegeausbildung: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Von der Dreigliedrigkeit zum 1.+2. (+3.) Generalistik- bzw. (ab 3.) Y-Optionsmodell vom 24. Juni 2017. Zentrale Stoßrichtung der Interventionen aus dem Lager der privaten Pflegeheimbetreiber war und ist es, eine qualifikatorische Aufwertung der Pflegeberufe dahingehend zu verhindern, dass die Altenpflege als darunter liegendes Segment auf Dauer abgekoppelt wird.


Aber selbst wenn man sich einen Moment auf die erkennbare Zielsetzung der privaten Pflegeheim-Lobbyisten einlässt und deren Ansatz zu Ende denkt, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass hier ein Weg eingeschlagen werden soll, der - unabhängig von den möglichen negativen Auswirkungen und Gefahren für die betroffenen Heimbewohner, um die es hier nicht wirklich geht und wenn, dann im Sinne einer stationären "Irgendwie"-Versorgung - im Ergebnis dazu führen würde, dass sich die Heime letztendlich selbst ins Knie schießen. Der grundlegende Fehler besteht in der Annahme, man können die komplexen Betreuungs- und Pflegeprozesse sauber trennen und einzelnen Qualifikationsstufen zuordnen. Das mag auf Powerpoint-Folien gelingen, aber in der Praxis der Versorgung in den Heimen wird es eben nicht so laufen (können), dass die examinierten Kräfte zu 100 Prozent den Tätigkeiten nachgehen, für die man sie für nötig befindet, während alles andere von Hilfskräfte erledigt wird. Denn die Fachkräfte haben die pflegerische Gesamtverantwortung und sie werden enorm belastet mit der Anleitung und Kontrolle der Arbeit der Hilfskräfte. Im Ergebnis kann und wird das bei abgesenkten Fachkraftanteilen zu einer weiteren Überlastung der Fachkräfte führen (müssen). Und dann die aus der Pflegepraxis bekannten Folgewirkungen produzieren, also Rückzug in die Teilzeitarbeit oder gar Flucht aus demBerufsfeld insgesamt. Das hätte dann ganz massive negative Folgen in einem Beschäftigungsfeld, das heute schon strukturell erheblich angespannt ist, angesichts der Zahlen zu den Anteilen der Teilzeitbeschäftigten und der Altersstruktur.

Nur als Fußnote: Eine - "ideologiefrei" hin oder her - differenzierte Debatte über die Frage der qualifikatorischen Mischungsverhältnisse in der pflegerischen Versorgung könnte sehr wohl zu dem Ergebnis kommen, dass man mehr Hilfskräfte einsetzt. Aber nur, wenn wir eine Art "50+(+)"-Modell haben. Soll heißen: Die Fachkraftquote müsste angesichts der Veränderungen in der Struktur der Heimbewohner eigentlich höher liegen als 50 Prozent, keinesfalls darf sie abgesenkt werden. Wenn man zusätzliche Fachkräfte hätte, dann kann man auch zusätzliche Hilfskräfte einsetzen in Teilbereichen des Pflege- und Betreuungsalltags. Aber nur - und das wäre der entscheidende Punkt -, wenn die Personalschlüssel von heute aus gesehen nach oben gehoben werden.

Und hier sind wir bei einem kritischen Punkt der aktuellen pflegepolitischen Diskussion angekommen: Im Grunde sollte es um eine "angemessene Personalausstattung" gehen, tatsächlich aber hat man sich reduzieren lassen bzw. selbst beschnitten auf Mindestpersonalvorgaben. Das ist aber etwas anderes und hat auch eine andere Qualität als die Frage nach einer "angemessenen Personalausstattung". Und da befinden wir uns in einem unüberschaubar daherkommenden Minenfeld. Dazu nur als Beispiel ein Interview aus dem Januar 2017 mit dem damaligen Staatssekretär Karl-Josef Laumann, dem Pflegebeauftragten der Bundesregierung, mittlerweile ist er Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsminister in der neuen nordrhein-westfälischen Landesregierung geworden. Unter der Überschrift "Geld alleine pflegt nicht!?" führt Laumann aus:

»Die Personalschlüssel werden in den Landesrahmenverträgen ausgehandelt. Da gibt es Unterschiede. Zwischen Bayern als Land mit dem besten Schlüssel und Sachsen mit dem schlechtesten liegen in etwa 25 Prozent ... Ich finde es sehr bedenklich, dass wir eine Rechtsprechung haben, die es den Heimen erlaubt, zwischen sechs und acht Prozent unter der eigentlich abgemachten Personalausstattung zu arbeiten. Wenn das Schule macht, haben wir ein großes Problem. Schwankungen darf es nur in einem ganz kleinen Korridor geben. Wenn Personal fehlt, geht das auf die Knochen der übrigen Mitarbeiter.«

Dem kann man nicht widersprechen. Aber wie sieht es dann aus mit der Forderung nach einem nicht nur einheitlichen, sondern auch primär fachlich fundierten Personalschlüssel für die Pflege in den Heimen? Dazu Laumann:

»... so richtig weiß kaum einer, wie die Personalschlüssel zustande gekommen sind. Sie sind zwar das Ergebnis von Verhandlungen gewesen. Diese waren aber nicht ausreichend wissenschaftlich hinterlegt.

Das gilt auch für die Fachkraftquote von 50 Prozent in den Heimen. Die war gefühlt schon immer irgendwie da, auch schon zu Zeiten, als die Pflege noch aus der Sozialhilfe bezahlt wurde. Deshalb ist es auch zwingend notwendig, ein geeignetes Instrument zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs zu entwickeln und zu erproben. Der Gesetzgeber hat hier als Frist das Jahr 2020 gesetzt.«

Und er schiebt nach: »Heute ist es doch so, dass vor allem auf die Fachkraftquote abgestellt wird, sprich: 50 Prozent der Mitarbeiter ein Staatsexamen in der Pflege haben sollen. Ich kann mir aber auch andere Berufe bei der Ermittlung eines guten Personalschlüssels vorstellen. Heilerziehungspflege zum Beispiel, wie wir sie aus Behinderteneinrichtungen kennen, oder Physiotherapeuten.«


Man muss das alles im Kontext sehen. Zu dem gehört dann auch der Aspekt, dass sich die Zusammensetzung der Bewohnerschaft in den Pflegeheimen in den vergangenen Jahren erheblich verändert hat. Immer älter, immer pflegebedürftiger und immer kürzer in den Heimen verbleibend, zugleich ein hoher Anteil an demenziell erkrankten Pflegebdürftigen - so zuspitzend kann man die Veränderungen beschreiben, die überaus folgenreich sind für die Arbeit der Beschäftigten in den Pflegeheimen. Darauf muss nicht nur ein wirklich angemessener Pflegepersonalschlüssel reagieren, sondern auch das qualifikatorische Profil der Beschäftigten. Das spricht sicher nicht für eine Absenkung des Fachkräfteanteils, ganz im Gegenteil.

Und wenn man ehrlich ist: Die Pflegemisere wäre noch erheblich größer, wenn nicht die Zahl der Menschen, die stationär versorgt werden, begrenzt wird durch die (Noch-)Tatsache, dass 70 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause von den Angehörigen versorgt werden, entweder ausschließlich oder unter Beteiligung der ambulanten Pflegedienste und/oder unter Rückgriff auf osteuropäische Betreuungs- und Pflegekräfte. Wenn sich nur ein Teil der Angehörigen entscheiden würde (oder müsste), die Pflegebedürftigen stationär betreuen zu lassen, dann würde das deutsche Pflegesystem kollabieren.

Das verweist auf die eigentliche Aufgabe, die nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 auf der Tagesordnung einer neuen Bundesregierung stehen müsste: Wir brauchen ein umfassendes Pflegekonzept für Deutschland, das alle Ebenen der pflegerischen Versorgung berücksichtigt in einem ganzheitlichen Ansatz. Darin wäre die Personalfrage in den Heimen eine wichtige, aber eben nur eine neben anderen. Darauf wetten, dass es dazu kommen wird, würde ich allerdings im Lichte des bisherigen Umgangs mit dem Thema aber nicht wirklich.