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Samstag, 1. April 2017
Eine weichgespülte "Reform" der Leiharbeit und Werkverträge in einer Welt der sich durch alle Qualifikationsebenen fressenden Auslagerungen
Mit dem 1. April 2017 ist das bereits im vergangenen Jahr nach einem langen Gesetzgebungsverfahren reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Kraft getreten. Die zuständige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) feiert das pflichtgemäß als eine große Verbesserung für die Leiharbeiter in unserem Land. »Leiharbeit und Werkverträge geben unserer Wirtschaft Flexibilität. Wir wollen verhindern, dass sie missbraucht werden, um Druck auf Beschäftigte, Löhne und Arbeitsbedingungen zu machen. Daher führen wir die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion zurück und schieben dem Missbrauch von Werkverträgen einen Riegel vor.« So zumindest wird die Ministerin auf der Website des BMAS zitiert. Und unter der Überschrift Hintergrundinformationen zum Gesetzespaket findet man dann diese beiden zentralen Aussagen die Verbesserungen für die Leiharbeiter betreffend:
»1. Wir stärken gute Löhne durch die wirksame Umsetzung des "Equal Pay"-Grundsatzes ("gleicher Lohn für gleiche Arbeit") nach neun Monaten.
2. Wir verhindern unbegrenzte Leiharbeit mit der Einführung einer Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten.«
Das hört sich doch richtig gut an - wenn es denn so wäre. Aber wie so oft im Leben muss man in das Kleingedruckte schauen, dass ist bei Versicherungsverträgen genau so wie bei Gesetzen. Denn bekanntlich kann man mit Ausnahmeregelungen die eigentliche und nach außen weiterhin behauptete Zielsetzung verwässern, zuweilen sogar in ihr Gegenteil transformieren. Und das novellierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist fast schon ein Lehrbuchbeispiel für einen Gesetzgebungsprozess, an dessen Anfang möglicherweise wirklich einmal der Impuls stand, die Situation für Leiharbeiter zu verbessern, an dessen Ende aber nach zahlreichen Interventionen und Kompromissen ein Regelwerk herausgekommen ist, das nicht wirklich etwas verändern wird. Außer, dass man den nicht eingeweihten Beobachtern die Nachricht verkaufen kann, man hätte was getan.
Nun wurde in diesem Blog bereits im vergangenen Jahr am 21. Oktober 2016 eine umfassende und kritische Bewertung dessen, was bei der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes herausgekommen ist, veröffentlicht: Ein "kleingehäckseltes" koalitionsvertragsinduziertes Abarbeitungsgesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen, so war der Beitrag überschrieben. Greifen wir die vom BMAS herausgestellten beiden zentralen Verbesserungen heraus: Gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaft nach neun Monaten Beschäftigungsdauer der Leiharbeiter und die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten.
1. "Equal Pay", also gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gibt es für die Leiharbeiter nach neun Monaten. Dieses Ziel war schon recht eindeutig im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD aus dem Jahr 2013 verankert: „Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden.“ Und was ist daraus geworden?
Aus 9 wird 9, aber auch 15. Und für die meisten ist das sowieso nicht relevant.
Die nunmehr im AÜG festgeschriebenen 9 Monate können zu 15 Monaten gestreckt werden - durch tarifvertragliche Regelungen, die so eine Verlängerung vorsehen. Und selbst nicht-tarifgebundene Unternehmen können diese Verlängerungsoption "mitnehmen", wenn sie sich selektiv auf die tarifvertragliche Regelung beziehen. Und wenn drei Monate zwischen dem letzten Einsatz des Leiharbeiters beim gleichen Unternehmen liegen, dann fangen die 9 (bis 15) Monate ohne Equal Pay wieder von vorne an.
Außerdem muss man natürlich berücksichtigen, dass mit 48 Prozent fast die Hälfte aller 2016 beendeten Leiharbeitsverhältnisse nicht länger als drei Monaten angedauert haben. Unter 9 Monaten Dauer lagen sogar 78 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse.
2. Die Überlassungshöchstdauer der Leiharbeit wird auf 18 Monate begrenzt. Damit wird auf ein echtes Problem der vergangenen Jahre abgestellt, denn wenn man die Überbrückung von Auftragsspitzen oder von Ausfällen innerhalb der Stammbelegschaft für einen begrenzten Zeitraum als eine durchaus legitime Funktion der Zeitarbeit akzeptiert, dann ist der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitern neben den Stammbeschäftigten in einem Entleihunternehmen sicher nicht zu rechtfertigen. Diese durchaus beobachtbare missbräuchliche Inanspruchnahme der zeitlich nicht mehr nach oben begrenzten Entleihdauer soll durch die Neuregelung im AÜG wieder korrigiert werden (man sollte an dieser Stelle daran erinnern, dass es mal Zeiten gab, in denen im AÜG eine maximale Überlassungsdauer von drei Monaten fixiert war, die erst 1985 auf sechs Monate von der damaligen Kohl-Regierung verlängert wurde).
Also haben wir jetzt wenigstens hier eine Verbesserung. Oder auch nicht? Man schaue sich die zitierte Formulierung des Ministeriums dazu an: Das BMAS spricht von der "Einführung einer Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten". Aufgepasst bei der Wortwahl - wenn von "grundsätzlich" die Rede ist, dann deutet das darauf hin, dass es Ausnahmen geben kann. Und in der Praxis können die Ausnahmen dann möglicherweise zum Regelfall werden. Was ist nun daraus geworden?
18 + (ohne Obergrenze) oder (24). Und Austausch- und Drehtürmodelle gehen auch hier
Wir bekommen also eine "Obergrenze" von 18 Monaten. Sogleich folgt allerdings die Umsetzung der (+ x)-Öffnungsklausel, denn in einem Tarifvertrag (der Tarifparteien der Einsatzbranche wohlgemerkt) können abweichenden Regelungen und eine längere Einsatzdauer vereinbart werden. Damit gibt es im Fall der tarifvertraglichen Regelung nach oben keine definierte Grenze bei der Überlassungsdauer. Aber es kommt noch "besser": Diese Option gilt aber nicht nur für tarifgebundene Unternehmen auf der Entleiher-Seite, denn: Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages der Einsatzbranche können auch nicht tarifgebundene Entleiher von der Höchstüberlassungsdauer abweichende tarifvertragliche Regelungen durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen übernehmen. Bei denen wird dann aber eine zweite Höchstüberlassungsdauergrenze eingezogen, die bei 24 Monate liegt.
Es sind vor allem zwei echte "Besonderheiten", die man sich bei der gesetzgeberischen Umsetzung der Reform des AÜG verdeutlichen sollte:
1. Man hat sich entschieden, statt einer arbeitsplatzbezogenen Definition des „vorübergehenden“ Verleihs eine arbeitnehmerbezogene Abgrenzung zu wählen. Anders formuliert: Die zeitliche Überlassungsgrenze gilt nur für Personen, nicht für Arbeitsplätze. Und das gilt auch für die angesprochene 9 Monatsgrenze für "Equal Pay", denn auch die ist nicht arbeitsplatzbezogen, so dass man, wenn man "equal pay" vermeiden will, einfach nur die Leiharbeiter austauschen muss. Auch Drehtür-Gestaltungen sind durch die auf drei Monate abgesenkte "Wartezeit" bei beiden Punkten möglich (im ersten Referentenentwurf waren es noch sechs Monate Wartezeit für den gleichen Arbeitnehmer). Damit laufen die angeblichen Verbesserungen in die praktische Leere.
2. Früher hat man noch lernen dürfen, das Tarifverträge dazu dienen, die Situation der Arbeitnehmer zu verbessern. Das reformierte AÜG hingegen produziert eine irritierende Rolle rückwärts. Das von Andrea Nahles immer wieder vorgetragene Ziel einer Stärkung der Tarifparteien wird im AÜG jetzt so umgesetzt, dass zum einen die Besserstellungsabsicht der Tarifebene konterkariert wird, da den nicht-tarifgebundenen Unternehmen ein weitgehend gleicher Vorteil ermöglicht wird. Aber noch schlimmer: Die Tarifvertragsparteien (wohlgemerkt der Entleihbetriebe) können schlechtere Bedingungen für die Leiharbeiter vereinbaren und das auch noch verlängern. Tarifpolitik absurd, mag der eine oder andere an dieser Stelle denken.
Apropos Tarifpolitik. Am 1. Dezember 2016 wurde in diesem Blog der folgende Beitrag veröffentlicht: Habemus Tarifabschluss. Für die Leiharbeit. Das gefällt nicht jedem. Acht Mitgliedsgewerkschaften des DGB haben sich zur „DGB-Tarifgemeinschaft-Leiharbeit“ zusammengetan und die verhandelt mit den Arbeitgeberverbänden in der Leiharbeit, also iGZ und BAP, die Tarifverträge für die Branche. Und Ende vergangenen Jahres wurde mit den Arbeitgebern ein neuer Entgelttarifvertrag ausgehandelt, der die eigene Tarifstruktur für die Leiharbeitsbranche fixiert und zudem eine sehr lange Laufzeit bis Ende 2019 hat. Das war innerhalb der Gewerkschaften nicht unumstritten, denn möglicherweise - darüber streiten sich die Gelehrten und Tarifpraktiker - wäre es zu der Situation gekommen, dass man die Leiharbeiter in Zukunft nach "equal pay" hätte bezahlen müssen, denn ein Abweichen von diesem auch im AÜG normierten Grundsatz ist nur über eine tarifvertragliche Regelung möglich - fehlt es an der, greift im Grundsatz das "equal pay"-Prinzip.
Man kann an dieser Stelle nur spekulieren - aber offensichtlich ist das gewerkschaftliche Lager nicht eindeutig positioniert, was die Sonderrolle der Leiharbeit angeht. Man kann und muss wohl durchaus davon ausgehen, dass Betriebsräte der großen Unternehmen ein gewisses Interesse daran haben, dass die Möglichkeiten einer flexiblen Belegschaftsschicht nicht zugeschüttet werden über harte gesetzgeberische Aktivitäten, profitieren doch auch die Stammbeschäftigten von den Flexibilisierungsmodellen der Arbeitgeber, die über Randbelegschaften organisiert werden.
Insofern kann man zusammenfassend durchaus die Reform des AÜG so hart bilanzieren, wie das Markus Krüsemann in seinem Artikel Die zahnlose Leiharbeitsnovelle tritt heute in Kraft gemacht hat:
»Wie sich zeigt, werden regulierende Einschnitte überwiegend nur vorgegaukelt. In den wichtigsten Eckpunkten ist die Novelle nichts anderes als eine dreiste Mogelpackung. Für LeiharbeitnehmerInnen ergeben sich aus der AÜG-Reform keine Verbesserungen. Die Zahl der in solchen prekären Arbeitsverhältnissen Beschäftigten wird durch die neuen Regelungen wohl kaum reduziert werden. Auch eine bessere Bezahlung ist in weite Ferne gerückt. Zudem laden die Klauseln zu weiterem Missbrauch geradezu ein.«
Aber gibt es denn nicht irgendwas Positives zu vermelden? War da nicht noch die unselige Problematik der Abgrenzung von echten Werkverträgen zu unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung? Da gab es in der Vergangenheit ein Mega-Schlupfloch für die Fälle, wo tatsächlich mal ein Scheinwerkvertrag als solcher entlarvt und unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung festgestellt wurde - normalerweise greifen dann teilweise sehr schmerzhafte Sanktionen für die faktisch entleihenden Unternehmen, die aber durch einen "Reservefallschirm" abgefedert werden konnte, wenn denn das angebliche Werkvertragsunternehmen gleichzeitig über eine Verleiherlaubnis verfügte.
Die Streichung dieses Schlupflochs im AÜG wurde von allen unabhängigen Experten seit Jahren gefordert und dann im vergangenen Jahr im Gesetzgebungsprozess auch scheinbar realisiert - allerdings hatte (wer auch immer) ein neues Schlupfloch in den Gesetzestext montiert (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Ein "Kuckuckskind" inmitten der "historischen Reform" der Leiharbeit? Eine handfeste Rosstäuscherei? Auf alle Fälle eine Verschlechterung und ein "toller Trick" vom 19. Mai 2016). In dieser Angelegenheit kann zumindest von einer erfolgreichen Korrektur auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens gesprochen werden, denn die Sachverständigenanhörung im Bundestag am 17.10.2016 brachte nach Intervention einiger Sachverständiger eine entsprechende Klarstellung im Gesetz, die es nicht mehr möglich macht, nachträglich eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung zu "heilen". Eine ganz handfeste Folge ist jetzt, dass vor jedem Einsatz eindeutig und personenbezogen deklariert werden muss, ob es sich um Leiharbeit oder um einen Werkvertrag handelt und man sich dann auch nicht mehr raus mogeln kann (vgl. dazu auch die entsprechenden Hinweise in solchen Beiträgen: Die AÜG-Reform: Was müssen Entleiher beachten?).
Da sind wir allerdings angekommen bei einem weiteren sensiblen Punkt der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, denn Ziel war auch eine klare, eindeutige Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkvertrag. Das nun ist nicht wirklich gelungen, denn das Gesetz hat im Ergebnis nur einige bekannte Abgrenzungskriterien, die in jahrelanger Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit entwickelt worden sind, in den Gesetzestext aufgenommen. Die vorzunehmende Gesamtabwägung bleibt wie bislang bestehen und damit auch alle unvermeidlichen Risiken, die mit solchen interpretatorischen Prozessen verbunden sind. Dass es hier kleine Klarheit gibt, verdeutlichen solche Beiträge: Neue AÜG-Reform 2017: Wie kann die IT-Branche noch legal und wirtschaftlich Fremdpersonal einsetzen? Weiterhin wird es eine mehr oder weniger große Unsicherheitszone bei der korrekten Abgrenzung geben.
Die Expansion der Werkverträge in den vergangenen Jahren muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Leiharbeit durch den Branchenmindestlohn "verteuert" wurde und ein Teil der Unternehmen ausgewichen ist auf eine stärkere Inanspruchnahme von Werk- und Dienstverträgen, um darüber Kostenvorteile realisieren zu können. Beispielsweise sind die Werkvertragsunternehmen der Kontraktlogistik in der Metallindustrie bis in die Kernbereiche der Unternehmen vorgedrungen in den vergangenen Jahren. Die geforderte klare Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Leiharbeit wird sich durch das nunmehr geschlossene Schlupfloch verschärfen, aber nicht wesentlich anders ablaufen als bislang bei den Unternehmen, die ein Interesse an einer korrekten Inanspruchnahme hatten und davon gab es eine Menge. Der Beratungsbedarf an einer rechtssicheren Gestaltung in der Welt zwischen Leiharbeit und echtem Werkvertrag wird weiter bestehen bleiben und noch an Bedeutung gewinnen.
Und dass das zugenommen hat, liegt nicht nur an dem naheliegenden und die meisten Presseberichten dominierenden Aspekt der Auslagerung bestimmter Tätigkeiten über (früher primär) Leiharbeit und mittlerweile immer öfter über Werkvertragskonstellationen in den Niedriglohnbereich, sondern auch deutlich besser bezahlte Bereiche in vielen Unternehmen geraten immer stärker in den Sog dieser Entwicklung. Selbst Bereiche von Unternehmen, die man damit nicht in Verbindung bringen würde. Dazu der Artikel Innovation am kürzeren Zügel, in dem über eine Fallstudie von Hajo Holst von der Universität Osnabrück berichtet wird. In der Fallstudie wurde ein Unternehmen analysiert, das zum Kernbereich der deutschen Industrie gehört - mit einem "außerordentlichen hohen" gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Belegschaft und betrieblichen Interessenvertretern, die über einen "erheblichen Einfluss" in dem Unternehmen verfügen.
Hinzu kommt: Auf der Eigentümerseite des börsennotierten Konzerns dominieren Investoren, die zur Kategorie des „geduldigen Kapitals“ zählen. Also alles aus Sicht der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer sehr gute Rahmenbedingungen, die in vielen anderen Unternehmen so nicht gegeben sind. Und dennoch wirken auch in diesem Unternehmen die "Erwartungen der liberalisierten Finanzsphäre", also vor allem der Zwang zum Ausweis von hohen Erträgen in kurzer Zeit. Das schlägt sogar durch auf die Abteilung für Forschung und Entwicklung, die ja nun gerade nicht in einem unmittelbaren Produktionskontext steht und deren Leistungen oftmals auch durch Scheiternserfahrungen charakterisiert sind (und sein müssen, die meisten Innovationen entstehen in einem Trial-and-Error-Prozess, Neuerungen basieren häufig auf zuvor gescheiterten Ideen). Die Fallstudie kann zeigen, dass selbst die Innovationsarbeit der Logik der Finanzmärkte subsumiert wird. Und das manifestiert sich vor allem bei der Personalplanung: Stellenbesetzungen werden als Investitionsentscheidungen angesehen. »Eine unbefristete Stelle werde als „Investition für 30 Jahre“ angesehen. Und eine Investition über eine so lange Zeit müsse genauso lange Erträge erwirtschaften.«
Und jetzt lassen sich die Befunde der Fallstudie andocken an das Thema Werk- und Dienstverträge:
»Unter diesen Voraussetzungen kommt eine feste Stelle nur noch für Arbeiten infrage, die zu den absoluten Kernkompetenzen des Unternehmens zählen, die dauerhaft – also über 30 Jahre – anfallen und dazu noch günstiger selbst zu erbringen sind, als es der Einkauf am Markt wäre. Verschärfend kommt hinzu, dass die Unternehmensleitung eine Obergrenze für das Personal, den sogenannten Headcount, festgelegt hat. In der Praxis führt dies dazu, dass es kaum neue Festanstellungen gibt. Über die bestehenden Ressourcen hinausgehende Arbeiten müssen meist über Werk- und Dienstverträge eingekauft werden. Auf diese Weise treibe das Management „immer mehr externe Arbeitskräfte von Entwicklungsdienstleistern auch in jene Bereiche, die in der Vergangenheit den eigenen Beschäftigten vorbehalten blieben“, schreibt der Forscher. Die damit verbundenen Probleme – Abfluss von Knowhow, rechtliche Unsicherheit, ökonomische Abhängigkeiten, keine langfristige Personalentwicklung – werden von einer an Kennzahlen orientierten Unternehmensführung häufig übersehen. Ein weiteres Manko: Betriebsräte können für Werkvertragsnehmer wenig tun, da diese über keinerlei Mitbestimmungsrechte im Automobilunternehmen verfügen.«
Auf den hier angesprochenen generellen Trend und die zahlreichen damit verbundenen Gefahren wurde im vergangenen Jahr auch in dieser Studie hingewiesen: Obermeier, T. und Sell, S. (2016): Werkverträge entlang der Wertschöpfungskette. Zwischen unproblematischer Normalität und problematischer Instrumentalisierung, Düsseldorf, 2016.
"Natürlich" ist der untere Einkommensbereich gerade bei den Dienstleistungen weiterhin genau so betroffen von den Auslagerungen, man schaue sich nur dieses aktuelle Beispiel an: »Am katholischen Franziskus-Krankenhaus in Berlin-Tiergarten sollen langjährige Mitarbeiter entlassen und teils durch Niedriglöhner ersetzt worden sein«, kann man diesem Artikel entnehmen: Franziskus-Krankenhaus kündigt Mitarbeiter, stellt Mindestlöhner ein. Das Franziskus-Krankenhaus gehört seit November 2015 zum katholischen Elisabeth-Vinzenz-Verbund. Seitdem wurde erst Küchenpersonal und Diätberatern gekündigt, später mussten die Physiotherapeuten gehen. Ihre Arbeit im Krankenhaus verrichten nun Angestellte von Servicegesellschaften, teils auf Mindestlohn-Niveau. Diese Gesellschaften sind Beteiligungen des Elisabeth-Vinzenz-Verbunds. Man hat sich der "teuren" bisherigen Mitarbeiter durch betriebsbedingte Kündigungen entledigt - und dann das hier vom Unternehmen: »Ihnen seien aber „bei Interesse und Eignung Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten innerhalb des EVV oder in eigenen Dienstleistungsgesellschaften mit marktüblichen Tarifstrukturen ... angeboten” worden.«
Es erübrigt sich wohl, darauf hinzuweisen, dass hier mit "marktüblich" deutlich niedrigere Löhne gemeint sind.