In Deutschland nehmen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung nach Berechnung von Wissenschaftlern weiter ab. Das ist doch mal eine positive Nachricht, die da von der FAZ und anderen Medien verbreitet wurde. vgl. beispielsweise den Artikel Schwarzarbeit geht weiter zurück: »Das Verhältnis von Schattenwirtschaft zu offizieller Wirtschaft reduziert sich der Studie zufolge im achten Jahr in Folge. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist mit 10,4 Prozent (Vorjahr 10,8 Prozent) demnach so niedrig wie noch nie seit dem Beginn der Studienstatistik 1995. In der Schattenwirtschaft werden in diesem Jahr laut der Schätzung Leistungen im Wert von 330 Milliarden Euro erbracht, 6 Milliarden Euro weniger als 2016. Unter Schattenwirtschaft versteht man Schwarzarbeit - also zumeist Bezahlungen in bar ohne Rechnung und an der Steuer vorbei -, aber auch andere Formen der illegalen Beschäftigung.« Nun wird sich der eine oder andere aufmerksame Leser sicherlich fragen, wie man denn etwas, dass im wahrsten Sinne des Wortes im Schatten passiert, so genau mit Euro-Beträgen beziffern kann. Eine gute Frage.
Die Zahlen zur Schattenwirtschaft, die in diesen Tagen (wieder) durch die Medien rauschen, werden alljährlich veröffentlicht von Friedrich Schneider von der Universität Linz in Kooperation mit dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen. Die diesjährige Ausgabe ist so überschrieben: Prognose zur Entwicklung der Schattenwirtschaft 2017: Anhaltend positive Beschäftigungslage und steuerliche Entlastungen führen zu einem weiteren Rückgang der Schattenwirtschaft vom 7. Februar 2017.
»Der langjährige Zuwachs der offiziellen Beschäftigung sowie das Wirtschaftswachstum werden nach der Prognose im Jahr 2017 erneut zu einem Rückgang der Schattenwirtschaft in Deutschland führen. Auch steuerliche Entlastungen tragen dazu bei, dass die Schattenwirtschaft in diesem Jahr um ca. 1,8 Prozent zurückgehen wird. Das Verhältnis von Schattenwirtschaft zu offizieller Wirtschaft reduziert sich dadurch weiter auf 10,4 %.« Die Abbildung verdeutlicht den im Grunde seit 2003 erkennbaren Rückgang der Schattenwirtschaft, wenn man den misst als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Allerdings stellt sich auch hier die Frage nach der Genauigkeit der ermittelten und in der Abbildung dargestellten Werte, für ein höchst subtiles und gleichsam naturbedingt nur schwach ausgeleuchtetes Feld wie die Schattenwirtschaft.
Zur Methodik der Berechnungen kann man auf diese Veröffentlichung verweisen:
Friedrich Schneider und Bernhard Boockmann (2016): Die Größe der Schattenwirtschaft – Methodik und Berechnungen für das Jahr 2016, Linz und Tübingen, 2. Februar 2016
Man muss an dieser Stelle besonders zwei Aspekte hervorheben: 1.) Es handelt sich um Schätzgrößen, die bis auf konkrete Euro-Beträge heruntergerechnet werden, die auf zahlreichen Annahmen basieren. Und 2.) Die Schätzungen des Friedrich Schneider sind in der volkswirtschaftlichen Diskussion nicht unumstritten, es gibt erhebliche Zweifel vor allem an der ausgewiesenen Höhe der Schattenwirtschaft (vg. zur Kritik an der Methodik der verwendeten Schätzverfahren beispielsweise U. Thießens (2011): Schattenwirtschaft: Vorsicht vor hohen Makroschätzungen, in: Wirtschaftsdienst, H. 3/2011, S. 194-201). Aber das soll in diesem Beitrag gar nicht weiter verfolgt werden, auch wenn es wichtig ist zu sehen, dass die auch aktuell wieder verwendeten Zahlen zur Schattenwirtschaft und damit als ein Teil von ihr der Schwarzarbeit auf höchst wackeligen Beinen stehen.
Es soll an dieser Stelle auch nur daran erinnert, nicht aber weiter vertieft werden, dass Schneider und Boockmann in den vergangenen Jahren hinsichtlich ihrer Prognosen und vor allem der dahinter stehenden angeblichen Ursachen ordentlich daneben gelegen haben. Das kann man an älteren Beiträgen in diesem Blog nachvollziehen:
So wurde am 3. Februar 2015, also kurz nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, kritisch über die damalige Prognose der Schattenwirtschaftsexperten berichtet: Beim Mindestlohn-Bashing darf die Schattenwirtschaft nicht fehlen. Und wenn sie passend gemacht werden muss, so war der Beitrag überschrieben. Denn damals wurde mit Bezug auf die Schneider/IAW-Prognose davon gesprochen, dass der Mindestlohn die Schwarzarbeit befeuern würde. Das ist aber nicht passiert.
Und ein Jahr später gab es dann das Flüchtlingsthema. Und auch die mussten herhalten für eine letztendlich nicht eingetretene Prognose, dass die Schwarzarbeit wieder anziehen werde. Vgl. dazu den Beitrag An sich gute Nachrichten aus der Schattenwirtschaft. Wenn da nicht die Flüchtlinge wären, von denen Gefahr droht. Aber ist das wirklich so? vom 2. Februar 2017. Auch hier ist es bislang anders gekommen, als von den Autoren gegenüber der Presse (nicht aber in ihren schriftlichen Ausarbeitungen, die durchaus differenzierter daherkommen) geäußert wurde.
Nun könnte man meinen, dass die gelernt haben aus den Erfahrungen der Vergangenheit und etwas vorsichtiger agieren - oder schlichtweg mit mehr Demut angesichts der Komplexität der die Schwarzarbeit beeinflussenden Faktoren. Leider erweisen sich offensichtlich gerade Ökonomen irgendwie als lernresistent. Denn dem FAZ-Bericht über die neuen Zahlen und die Prognose für 2017 kann man entnehmen, dass man zwar keinen durch was auch immer bedingten Anstieg mehr vorhersagt, aber dann kommt das hier:
»Dass es hierzulande im Vergleich zu den Vereinigten Staaten oder der Schweiz offenbar attraktiver ist, schwarz zu arbeiten, erklärt Co-Autor Bernhard Boockmann vom IAW mit der hohen Regelungsdichte des Arbeitsmarktes – Mindestlohn und Kündigungsschutz nennt er als Beispiele. „Je stärker der Arbeitsmarkt reguliert ist, desto stärker ist die Versuchung für Arbeitgeber, in die Schattenwirtschaft auszuweichen und dadurch die die Regulierung zu umgehen.“«
Das nun ist gelinde gesagt Humbug. Irreführung der interessierten Öffentlichkeit, vielleicht aber auch "nur" (allerdings genau so schlimm) ein krampfhaftes Festhalten an Modellvorstellungen, die der ganzen Zahlenspielerei zugrunde liegen.
Warum das Unsinn ist? Einen Hinweis auf die Antwort findet man bei den Studien-Autoren selbst.:
»Von Schwarzarbeit betroffen sind ... vor allem Baugewerbe und Handwerk – gefolgt von Gastronomie und haushaltsnahen Dienstleistungen, zu denen etwa auch die 24-Stunden-Betreuung älterer Menschen gehört.«
Klammern wir an dieser Stelle einmal die Großbaustellen aus, bei denen im großen Umfang und vor allem über die illegale Beschäftigung osteuropäischer Arbeitskräfte Profite gescheffelt werden von letztendlich organisierter Kriminalität, und fokussieren uns auf die typischen Formen der Schwarzarbeit, dann wird schnell erkennbar, dass das alles wenig bis nichts mit Kündigungsschutz und Mindestlohn zu tun haben kann.
Beispiel 1: Bau und Handwerk. Man muss doch nur einmal sehenden Auges an einem Samstag durch die Neubaugebiete unseres Landes gehen und sich anschauen, wer dort eigentlich arbeitet. Viele Schwarzarbeiter wird man finden. Aber in aller Regel sind das Bauarbeiter und Handwerker, die unter der Woche regulär beschäftigt in einem Unternehmen arbeiten und sich an den Samstagen etwas dazuverdienen, brutto für netto. Die teilweise die Arbeitsutensilien ihres Betriebs nutzen, in dem sie sozialversicherungspflichtig und versteuert arbeiten. Oder Handwerker, die selbstverständlich ganz legal Aufträge von Unternehmen oder der öffentlichen Hand erledigen, wenn aber ein Privathaushalt einen Auftrag vergibt, dann wird schon standardmäßig von vielen gefragt: Auf Rechnung?
Beispiel 2: Haushaltsnahe Dienstleistungen, z. B. die Putzkräfte. Haben Sie schon mal versucht, als Privathaushalt eine legale Putzhilfe auf 450 Euro-Basis zu bekommen? Sie werden eine solche Erfahrung gemacht haben: Die meisten Bewerberinnen auf private Putzstellen wollen das schwarz machen - bzw. sie müssen das schwarz machen. Weil sie oftmals schon eine offizielle geringfügige Beschäftigung haben und ausüben, z.B. putzen sie Büros oder Sportstudios oder was auch immer aus der legalen Wirtschaft und arbeiten dort als legale Minijobber. Selbst wenn sie wollten, sind sie gar nicht in der Lage, einem Privathaushalt eine legale Beschäftigungsoption anzubieten.
Aber der aufmerksame Leser möge sich Beispiel 1 und 2 genau anschauen: Wo ist da der Kündigungsschutz und der Mindestlohn der die Schwarzarbeit generierende Faktor? Das ist nichts weiter als Ideologie oder veraltetes Modelldenken. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun.