Montag, 5. September 2016

Häusliche Betreuung und Pflege: Eine völlig berechtigte Skandalisierung, wenn hier "Sklavinnen" unterwegs sind. Aber zugleich die bohrende Frage: Was tun?

Immer wieder tauchen sporadisch solche Artikel in den Medien auf: »Rund um die Uhr, unterbezahlt und unversichert. "Pflegesklavinnen" nennen manche diese Menschen, oft aus Osteuropa, die teilweise weniger als 800 Euro im Monat verdienen – für einen Job, für den es eigentlich drei Pflegekräfte bräuchte. Die Frauen, selten Männer, arbeiten als 24-Stunden-Kräfte, auch "Live-Ins" genannt, in Privathaushalten. Von dort aus versorgen sie Menschen Tag und Nacht, gehen einkaufen, kochen, geben Tabletten und sind Gesprächspartner. Und weil sie keine Rechte haben, werden sie oft mit Füßen getreten.« Damit beginnt Daniel Drepper seinen Beitrag, den er unter die aufrüttelnde Überschrift Sklavinnen, die uns pflegen gestellt hat.

Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine Schattenwelt, was sich dann auch in den Zahlen niederschlagen muss: Experten schätzen, berichtet Drepper weiter, dass es zwischen 100.000 und 300.000 - ganz überwiegend Frauen - sind. Eine Studie für das polnische Arbeitsministerium geht davon aus, dass 94 Prozent dieser Frauen illegal in Deutschland arbeiten.

Nur eine Anmerkung zur Geschlechterfrage: Es ist ohne Zweifel so, dass dieses Feld ganz überwiegend von Frauen bestellt wird und deshalb das Problem auch als eines thematisiert wird, das richtigerweise eingebunden ist in größere Zusammenhänge, die in der Wissenschaft unter Begriffe wie "Care-Arbeit" diskutiert wird. Dabei wird auch angesprochen und untersucht, dass es mittlerweile globale "Care-Ketten" gibt, die sich dadurch "auszeichnen", dass Frauen aus ärmeren und armen Ländern in die reicheren Länder migrieren, um die Menschen dort zu versorgen. Vgl. dazu mit Blick auf die häusliche Pflege und Betreuung beispielsweise den Blog-Beitrag Arbeitsmarkt: Frauen, die Frauen ersetzen, die Frauen ersetzen. Über globale "Care-Ketten", "Gefühlsarbeiterinnen" oft ohne Gegengefühl und dann diese "Wirtschaftsflüchtlinge" vom 4. Oktober 2015.
Weiterführend dazu hier nur der Hinweis auf drei neuere Veröffentlichungen:

Patrycja Kniejska: All-inclusive-Pflege aus Polen in der Schattenzone. Ergebnisse von Interviews mit polnischen Pflegekräften, die in deutschen Privathaushalten beschäftigt sind. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, Mai 2015

Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Wen kümmert die Sorgearbeit? Gerechte Arbeitsplätze in Privathaushalten. Studien der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ Bd. 20, Bonn 2015

Andrea von der Malsburg und Michael Isfort: Haushaltsnahe Dienstleistungen durch Migrantinnen in Familien mit Pflegebedürftigkeit. 24 Stunden verfügbar – Private Pflege in Deutschland, Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, Juli 2014

Wenn auch in der absoluten Minderheit, so wird vereinzelt darauf hingewiesen, dass es auch Männer sein können, die in diesen globalen "Care-Ketten" unterwegs sind. Vgl. dazu den Artikel Um Opa kümmert sich der Pole von Leonie Feuerbach: »Eigentlich ist Pawel Baszak Klarinettist. Gerade lebt er mit einem Rentner zusammen und entlastet so das deutsche Pflegesystem. Ein umstrittenes Modell.«

Und was das konkret für die Betroffenen - für beide Seiten - bedeutet, beschriebt beispielsweise dieser Artikel von Daniela Gassmann sehr eindrücklich: Gemeinsam einsam: Wenn eine Polin eine deutsche Seniorin pflegt: »Alle paar Monate verlässt Nadia Kowalski ihr Dorf in Polen, um eine deutsche Rentnerin zu pflegen. Über ein Leben zwischen Schnabeltassen, wenig Lohn und der Sehnsucht nach Heimat.«

Aber zurück zu dem Artikel von Daniel Drepper, der ja den Begriff der "Pflegesklavinnen" verwendet, den er nun nicht - worauf er hinweist - dafür "entdeckt" hat, denn in der kritischen Berichterstattung taucht das schon früher auf. Um nur ein Beispiel zu nennen: »Hunderttausende Frauen aus Osteuropa kümmern sich hierzulande um Pflegebedürftige. Sie füllen eine Versorgungslücke. Oft werden aus Haushaltshilfen so Pflegesklavinnen«, schreibt Silke Hoock in ihrem Artikel 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 900 Euro Gehalt.

Der Beitrag von Drepper ist stark in der Analyse, beispielsweise bei der Frage: Wie kann es sein, dass Zehntausende Frauen illegal in deutschen Haushalten pflegen? Dazu schreibt er:

»Zum einen ist das Lohngefälle zwischen Deutschland und den osteuropäischen Nachbarn sehr steil. Die Fahrtstrecken sind vergleichsweise kurz, die Anreize hoch. Dazu hat die Pflege im eigenen Zuhause in Deutschland eine besondere Bedeutung, die es so in anderen Ländern nicht gibt.
Für viele pflegebedürftige Menschen symbolisiert das eigene Haus eine Selbstständigkeit, die mit dem Umzug ins Heim endet. Häufig ist das Heim noch immer eine Schreckensvision.«

Der letzte Aspekt, den Drepper anführt,  ist ein ganz wichtiger Punkt - wenn wir die Berichte und Diskussionen rund um das Thema "Pflegenotstand", "Pflegemissstände" usw. der letzten Jahre rekapitulieren, dann wird man zusammenfassend sagen können und müssen, dass das eine sehr einseitige Schlagseite hin zu den Pflegeheimen hat und bei nicht wenigen Menschen hat sich das Leben dort zu einer Schreckensvorstellung zementiert. Aber natürlich gibt es die oft beschriebenen Probleme (mindestens?) genau so in der häuslichen Pflege, nur schaut da kaum oder selten jemand hin.

Und auch dieser Aspekt seiner Bestandsaufnahme ist richtig und schon oft beschrieben worden: »Letztlich ist es so gut wie unmöglich, eine osteuropäische 24-Stunden-Pflegerin legal in Deutschland zu beschäftigen.« Und auch die problematische Rolle vieler Vermittlungsagenturen ist richtig benannt:

»Die Frauen kommen meist im Wechsel mit einer Kollegin für jeweils drei Monate nach Deutschland. Agenturen bezeichnen die Einsätze als Dienstreisen oder schicken die Frauen von polnischen Unternehmen aus nach Deutschland. Solche Dienstreisen sind jedoch Steuerbetrug im Herkunftsland. Und eine Entsendung würde nur funktionieren, wenn dabei deutsche Arbeitszeitgesetze und deutscher Mindestlohn gezahlt würden. Das geschieht bei der 24-Stunden-Pflege nicht. Sehr beliebt ist deshalb die angebliche Selbstständigkeit solcher Helfer. Das Problem: Wer über Wochen oder Monate in einem Haushalt arbeitet, keine eigenen Arbeitsmittel einsetzt und sich die Arbeitszeit nicht selbst einteilen kann, der ist nicht selbstständig.«

Und sehr wichtig mit Blick auf die Frage, warum denn hier bei uns nicht ermittelt wird, wenn es sich doch um Gesetzesverstöße handelt, ist dieser Hinweis: »Oft versprechen Vermittler den deutschen Familien, dass diese nichts zu befürchten haben, solange die Pflegerin in ihrem Herkunftsland eine A1-Bescheinigung besorgt. Damit wird der Familie bescheinigt, dass die Pflegerin ihre Sozialabgaben entrichtet. Obwohl Pflegerin und Familie trotzdem zahlreiche andere Gesetze brechen, ermitteln deutsche Behörden offenbar nicht, solange eine A1-Bescheinigung vorliegt.«

Für ein Beispiel von vielen, wie Vermittlungsagenturen über diese Bescheinigungen "aufklären", vgl. A1 Bescheinigung für Pflegekräfte.

Diese Bescheinigung fungiere als Blankovollmacht, die vor Strafverfolgung schützt - sollte also, so eine Forderung, abgeschafft werden, um die "Verfolgungsunsicherheit" in den auftraggebenden Haushalten zu erhöhen und dadurch die Inanspruchnahme zu dämpfen.

Das löst allerdings nicht das Problem, dass dann auch kontrolliert werden müsste - und zwar in den Haushalten, in denen Pflegebedürftigen leben. Und zwar in hunderttausenden Haushalten. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass das "schwierig" werden wird, wenn nicht gar unmöglich.

Aber auch die Haushalte, die als Arbeitgeber formal alles richtig zu machen versuchen, werden eine Klippe kaum nehmen können, die den Kern dieses Betreuungs- und Pflegearrangements darstellt: »Die maximale Arbeitszeit wären 48 Stunden in der Woche. Die Pflegerin müsste jede Woche mindestens einmal 24 Stunden am Stück frei haben.« Genau diese Restriktion sieht das Modell ja nicht vor.

Insofern bleiben wir am Ende des Artikels wie so oft allein mit der Frage: Und nun? Was kann man tun? Was sollte man tun? Was würde passieren, wenn man die offensichtlichen Rechtsverstöße stärker verfolgen würde? Daran hat der Staat bislang und auch absehbar übrigens gar kein Interesse, man stelle sich nur einmal vor, diese Auffanglösung in der Pflege würde zusammenbrechen und die Betroffenen sowie ihre Angehörigen würden dann auf das professionelle ambulante und vor allem stationäre Pflegesystem verwiesen.

Kann man von anderen Ländern lernen - und zwar jenseits allgemeiner Beschwörungen, dass es dort besser sei als bei uns (so auch die Hinweise bei Drepper, der schreibt: »In anderen nordeuropäischen Ländern ist das anders. In Skandinavien, aber auch in Belgien, den Niederlanden oder Frankreich. "Dort ist die stationäre Pflege auch finanziell viel besser ausgestattet"«, wird ein Pflegeexperte von ihm zitiert).

In diesem Zusammenhang wäre zum einen der Blick nach Österreich angezeigt, die schon vor Jahren versucht haben, die Beschäftigung vor allem der osteuropäischen Betreuungs- und Pflegekräfte zu "legalisieren". Dazu gibt es dort ein "Hausbetreuungsgesetz", das vorsieht, dass eine Betreuung im Rahmen einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit erfolgen kann.

Hier soll aber auf die aktuelle Diskussion in der Schweiz hingewiesen werden. So konnte man diese Tage aus unserem Nachbarland lesen: «Pflegesklavinnen» schuften für 1500 Franken: »Care-Migrantinnen aus Osteuropa arbeiten 24 Stunden pro Tag in Schweizer Haushalten – oft für einen Hungerlohn. Jetzt wehren sie sich.«
Auch in der Schweiz expandiert der Bereich seit Jahren und auch dort werden gravierende Probleme mit Schutzvorschriften festgestellt: »Schon vor vier Jahren stellte der Bund in einem Bericht fest, dass in der Schweiz immer mehr 24-Stunden-Kräfte aus der EU arbeiten. Die zuständige Arbeitsgruppe warnte vor mangelndem Schutz der Betreuerinnen, da das Arbeitsgesetz in privaten Haushalten nicht gelte. Der Bundesrat arbeitet derzeit an einem Lösungsvorschlag.«
Aber offensichtlich nimmt ein Teil der Betroffenen die Sache in die eigenen Hände, unterstützt von einer gewerkschaftlichen Initiative:

»Wie Recherchen ... zeigen, wehren sich die betroffenen Frauen aber auch immer öfter auf eigene Faust. So sind etwa in Solothurn drei Klagen von Polinnen hängig, die gegen ihre ehemaligen Arbeitgeber vorgehen. Sie verlangen Lohnnachzahlungen von mehreren zehntausend Franken. Unterstützt werden sie dabei vom Netzwerk Respekt der Gewerkschaft VPOD.«

Dieses Netzwerk Respekt der Gewerkschaft VPOD unterstützt also die Betroffenen selbst. Dabei scheint - auch im Vergleich zur Situation in Deutschland - die Regulierung des Feldes in der Schweiz formal schon weiter zu sein: »Der Bund schreibt für ungelernte Pflegerinnen in Privathaushalten einen Mindeststundenlohn von 18,55 Franken vor. Die Firmen, die Care-Migrantinnen vermitteln, brauchen neben einer kantonalen auch eine eidgenössische Bewilligung. Beim Staatssekretariat für Wirtschaft heisst es, die Zahl der Firmen mit Bewilligung belaufe sich schätzungsweise auf 70 bis 130.

Wie so oft gibt es offensichtlich auch eine andere Seite der Medaille. Nach Angaben der Gewerkschaftssekretärin Marianne Meyer von VPOD »gibt es aber auch viele dubiose Vermittlungsfirmen, die ohne Bewilligung arbeiten und den Frauen Hungerlöhne zwischen 1500 und 3000 Franken zahlen. «Und dann gibt es auch viele Frauen, die schwarzarbeiten und sich folglich gar nicht auf einen Vertrag stützen können.» Eine Firma, die in der Schweiz mit einer 24-Stunden-Betreuung ab 1990 Franken im Monat wirbt, ist beispielsweise Get Care

Aber die Schweizer stehen letztendlich vor dem gleichen Dilemma wir auch wir in Deutschland - die enorme Lücke zwischen der derzeitigen Bezahlung und der eigentlich, also nach den herrschenden Standards erforderlichen Finanzsumme für eine "legale" 24-Stunden-Betreuung" bzw. Pflege. Das Problem: Selbst die legal in der Schweiz agierenden Firmen zahlten den Stundenlohn oft nur für die Zeit, in der die Frauen laut Arbeitsvertrag im Einsatz stehen, obgleich die Wirklichkeit in den Privathaushalten anders aussieht. Die Gewerkschaftssekretärin Marianne Meyer erläutert das eigentliche Problem:

»Vor knapp zwei Jahren beurteilte das Basler Zivilgericht zum ersten Mal einen solchen Fall einer 24-Stunden-Kraft. In einem Präzedenzurteil kam es zum Schluss, dass die Polin auch für ihre reine Präsenzzeit zu einem reduzierten Stundenlohn hätte entschädigt werden müssen. «Für eine Betreuung rund um die Uhr durch eine oder mehrere Personen belaufen sich die geschuldeten Monatslöhne auf zwischen 8000 und 10'000 Franken», so Meyer.«

Das nun wiederum sind Beträge, die sich die allermeisten Betroffenen und ihre Angehörige schlichtweg nicht leisten können. Das ist bei uns in Deutschland nicht anders: Eine 24-Stunden-Pflege, mit denen die Agenturen auch hier werben, wäre nur dann legal, wenn sich mehrere Pflegerinnen diese 24 Stunden aufteilen. Das würde 5.000 bis 8.000 Euro monatlich kosten und ist damit für die meisten völlig unerschwinglich.

Ganz offensichtlich ein schier unlösbares Dilemma, wenn man sich nicht an der einen oder anderen Stelle die Hände schmutzig machen will.

Was aber dann? Was tun?

Eine auf den ersten Blick völlig verständliche, aber zugleich sehr wohlfeile Position wäre es, die Ausbeutung und das krasse Gefälle zu skandalisieren und zu argumentieren, dass es diese Verstöße gegen arbeits- und sozialrechtliche Standards schlichtweg nicht geben darf, man also durch eine deutliche Erhöhung des Verfolgungsdrucks und der Bestrafung illegalen Handelns wieder für Ordnung in diesem wichtigen Bereich sorgen muss. Unabhängig von der Frage, ob man das in diesem Feld überhaupt praktisch umgesetzt bekäme, woran hier erhebliche Zweifel geäußert werden sollen, muss man sich klar machen, dass damit ja nicht der Bedarf und die Nachfrage verschwinden. Wenn man dann in diesem Zusammenhang auf das Vorbild der skandinavischen Staaten verweist, dann muss man auch in Deutschland den notwendigen Schritt gehen und eine massive Ausweitung der Altenpflege vom Personal und damit auch von den dafür notwendigen Finanzmitteln fordern. Nicht umsonst sind die Ausgaben in Skandinavien für die auf der kommunalen Ebene angesiedelte Altenpflege um ein Mehrfaches höher als bei uns. Das muss dann politisch eingefordert und umgesetzt werden - und selbst dann muss es genug Menschen geben, die in diesem Bereich auch arbeiten (wollen/können). Selbst wenn man dieses Szenario präferiert, wofür es aus sozialpolitischen Gründen viele gute Argumente gibt, wird man eine ganz erhebliche Übergangszeit berücksichtigen müssen, vor denen man nicht die Augen verschließen darf.

Eine andere Variante wäre, auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen und abzuwarten. Denn die Ausbeutungsstrukturen, die sich hier teilweise entwickelt haben, werden abnehmen, wenn sich die Angebots-Nachfrage-Relationen verschieben. Und das ist in ersten Umrissen schon zu beobachten, denn: Osteuropäerinnen werden nicht für alle Zeiten als preiswerte Pflegekräfte zur Verfügung stehen. Dies allein schon, weil die osteuropäischen Länder nach dem Zusammenbruch des Ostblocks einen dramatischen demografischen Einbruch erlebt haben, mit einer sehr niedrigen Geburtenrate und Länder wie Polen beispielsweise in den vergangenen Jahren ökonomisch durchaus aufgeholt haben, so dass der Druck hin zur Akzeptanz einer Pendelmigration nachgelassen hat. Das wird auch schon registriert:

»Agenturen bemerken, dass die Helfer anspruchsvoller werden, keine medizinischen Dienste verrichten und keine Demenzkranken pflegen wollen. Wenn ihnen Lohn und Behandlung nicht passen, reisen sie auch schon mal ab«, berichtet Leonie Feuerbach in ihrem Artikel Um Opa kümmert sich der Pole.

Allerdings ist das kein abrupter Prozess und zugleich wird man sehen, dass dann ein Teil der Agenturen einfach das Rekrutierungsspektrum weiter ostwärts ausweiten wird. Und den betroffenen Betreuungs- und Pflegekräften wird auch nicht geholfen, sie verbleiben weiter in dem Ausbeutung und Missbrauch förderlichen völlig eintransparenten Umfeld der "schwarzen" Haushalte.

Gibt es einen wie auch immer gearteten "Mittelweg"? Ich habe dazu in dem Beitrag Abschied von einer Lebenslüge der deutschen Pflegepolitik reloaded? Eine „Mischstrategie der Regulierung und der Förderung“ mit Blick auf die "24-Stunden-Pflege" vom 30. Juli 2016 Vorschläge gemacht, die aufbauen auf Gedanken, die bereits 2010 veröffentlicht wurden und dabei Bezug genommen auf neue Vorschläge von Bernhard Emunds, Professor für Christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie sowie Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts, der ebenfalls für eine  „Mischstrategie der Regulierung und der Förderung“ plädiert.

Wichtigstes Ziel dabei wäre es, diesen völlig intransparenten Bereich ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, um darüber eine fachliche Begleitung (und damit immer auch Kontrolle) zu ermöglichen. Das würde auch der unterstützten Selbstorganisation der Betreuungs- und Pflegekräfte neue Räume eröffnen. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, sich zu organisieren und untereinander auszutauschen, dabei jederzeit - beispielsweise über die Pflegestützpunkte - Beratung und Hilfestellung erhalten zu können. Über einen solchen Weg könnte man praktisch Missbrauch und Ausbeutung wesentlich besser eindämmen als mit allen anderen formal-rechtlich daherkommenden, aber in der Lebenswirklichkeit ins Leere laufenden Instrumenten.

Und wenn man wirklich einen Mittelweg gehen möchte, dann kann man die mögliche - und vor dem Hintergrund der ansonsten anfallenden Ausgaben an anderer Stelle immer noch überaus lohnenswerte -  finanzielle Förderung und Unterstützung der Betroffenen bzw. ihrer auftraggebenden Haushalte an die Beteiligung an den neuen "legalisierten" Strukturen einer in Teilbereichen weiterhin hoch problematischen, weil natürlich zumindest hinsichtlich der Arbeitszeiten im nicht wirklich legalen Bereich angesiedelten Form der Sonderbeschäftigung verbindlich binden. Um wenigstens ein Bein in diesen Bereich zu bekommen und den betroffenen Frauen wirksam helfen zu können. Und gleichzeitig würde es die organisierte Erschließung dieses bislang völlig in einer Schattenwelt stattfindenden Beschäftigungsbereichs ermöglichen, rechtzeitig Alternativen anzudenken, zu entwickeln und auszuprobieren, die wir brauchen, um Betreuung und Pflege im häuslichen Umfeld besser, menschenwürdiger zu organisieren.