Wir müssen mal wieder einen Blick werfen auf eine der - angeblich - wichtigsten Stellschrauben bei der Integration der Flüchtlinge, also den Sprach- und Integrationskursen.
Denn heute wollen einige von denen, die das machen, demonstrieren. Und warum?
”Sie haben studiert, arbeiten Vollzeit - und bekommen 1.300 Euro netto im Monat: Viele Sprachlehrer für Flüchtlinge werden mies bezahlt. Sie hangeln sich von einem Vertrag zum nächsten, bezahlten Urlaub gibt es nicht. Heute demonstrieren sie in Hannover für bessere Arbeitsbedingungen.«
Deutsch für Flüchtlinge für 1.300 Euro netto, so ist der Beitrag dazu überschrieben.
Der Artikel porträtiert beispielhaft Christiane Kusz, die als Sprachlehrerin beim Bildungsverein Hannover arbeitet.
»Für Christiane Kusz geht es nicht nur darum, Deutsch zu unterrichten, sondern den Zugewanderten den Einstieg in die deutsche Arbeits- und Lebenswelt zu erleichtern. "Nach dem Unterricht passiert es immer wieder, dass Teilnehmer mit Briefen von Ämtern kommen, die sie nicht verstehen. Da versuche ich auch zu helfen", erzählt die studierte Germanistin.«
Und was bekommt sie für diese so wichtige Arbeit?
»Wie die meisten Sprachlehrer ist sie eine Honorarkraft. Pro Stunde bekommen Sprachlehrer im Schnitt 23 bis 30 Euro. Davon müssen sie die Kranken- und Rentenversicherung selbst bezahlen. Bei einer Vollzeitstelle mit 30 Unterrichtsstunden pro Woche bleiben daher im Monat nur rund 1.000 bis 1.300 Euro netto übrig. Viele von ihnen müssen ihr Gehalt daher mit Hartz IV aufstocken. Bezahlten Urlaub und einen Kündigungsschutz gibt es nicht. Die Lehrer hangeln sich von einem dreimonatigen Vertrag zum anderen.«
Ein Teil der Betroffenen hat schon im vergangenen Jahr das "Aktionsbündnis Deutsch als Fremdsprache Hannover" gegründet (vgl. dazu den Artikel Sprachlehrer fordern bessere Bezahlung vom 26.11.2015).
Wir reden hier nicht von irgendwelchen Angelernten, sondern von Fachkräften:
"Wir haben alle studiert. Darüber hinaus haben wir die Zusatzqualifikation Deutsch als Fremdsprache und Spezialisierungen im Bereich Alphabetisierung", wird Christiane Kusz zitiert. »Bleibt die Situation für die Deutschlehrer weiterhin so aussichtlos, könnte es bald keine Integrationslehrer mehr geben. Immer mehr sehen sich nach anderen Jobs um.«
Amar, ein Ingenieur aus Syrien, aus dem Kurs von Christiane Kusz wird mit den Worten zitiert: "Ohne Deutsch zu sprechen, kann ich nichts machen." Man muss ergänzen: Und viele von denen, die es ihnen beibringen sollen, können mit dem Geld, mit dem ihre Arbeit abgespeist wird, auch nicht viel machen.
Deutschlandweit arbeiten etwa 20.000 professionelle Deutschlehrer in der Erwachsenenbildung. Und die Nachfrage steigt. Vor allem, wenn es neben den verpflichtenden Integrationskursen für Zuwanderer nun noch mehr Deutschkurse für Asylbewerber geben soll.
Wahrscheinlich werden wir bald aus der Politik die Forderung hören, dann eben auf fachfremdes Personal oder noch besser: auf Ehrenamtliche zurückzugreifen, weil man "leider" anders den Bedarf nicht wird decken können.
Ach ja, die Bildung. Wenn wir schon dabei sind, dann werfen wir auch noch einen Blick in einen anderen Bildungsort. Die Kindertageseinrichtungen.
Die standen in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt eines Teils der öffentlichen Aufmerksamkeit angesichts des starken Ausbaus der Kita-Plätze im Gefolge der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Und man wird sich erinnern - schon seit längerem wird immer wieder die teilweise nur als desaströs zu bezeichnende Personalsituation in den Kitas kritisiert.
Nun kommen zusätzlich sukzessive die vielen Kinder derjenigen "ins System", die in den vergangenen Monaten als Flüchtlinge zu uns gekommen sind und noch kommen werden. Natürlich braucht man dafür zusätzliches Personal.
In diesem Kontext wird man dann mit so einem Artikel konfrontiert: GEW-Chefin: Flüchtlinge und Fachfremde als Erzieher einsetzen: »Um die Betreuung der Kinder sicherzustellen, schlägt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor, auch Flüchtlinge und fachfremdes Personal in den Kitas einzusetzen.« Die Chefin der Bildungsgewerkschaft GEW? Da muss man genauer hinschauen.
Marlis Tepe, die Bundesvorsitzende der GEW, wird in dem Artikel so zitiert: „Man kann Nicht-Erzieher einstellen. Diese brauchen dann eine berufsbegleitende Ausbildung.“ Gewisse Voraussetzungen müssten die Nicht-Erzieher aber mitbringen. Dazu zählen laut Tepe die Mittlere Reife, eine dreijährige Ausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung. „Bundesweit ist die Erzieher-Kind-Relation ungünstig.“ Das ist aber noch wirklich nett formuliert.
Man sollte allerdings immer auch kritisch auf solche Artikel schauen, also ob die Journalisten wirklich alles verstanden haben. Denn bei dem folgenden Passus kann es sich schlichtweg nur um einen redaktionellen Fehler handeln, das kann die GEW-Vorsitzende so nie gesagt haben: »Zu den möglichen Berufsgruppen, die für sie in Frage kommen, gehören unter anderen Kindheitspädagogen. „Wenn überhaupt kein anderes Personal vorhanden ist, ist das denkbar“, sagte Tepe.« Das ist natürlich großer Unsinn, hier wird der Eindruck erweckt, Kindheitspädagoginnen seien irgendwelche niedrig qualifizierten Kräfte, dabei handelt es sich um die akademische Schiene der Erzieherinnen-Ausbildung.
Aber Marlis Tepe geht noch einen Schritt weiter, folgt man dem Artikel:
»Um den wachsenden Bedarf an Erziehern zu decken, sei es eine denkbare Option, auch Flüchtlinge in Kitas einzusetzen. „Man sollte gucken, ob es unter den Asylbewerbern Menschen gibt, die in ihrem Herkunftsland eine pädagogische Ausbildung hatten. Die muss man finden“, so Tepe.«
Solche Vorschläge werden sich noch für einige Diskussionen sorgen.