Auch wir hier in Deutschland kennen das Bild von Innenstädten, in denen sich zahlreiche Spielhallen aneinanderreihen. Und sporadisch wird in den Medien auch von Menschen berichtet, die nicht nur hin und wieder die Automaten mit Euro-Münzen füttern, sondern die regelrecht abhängig geworden sind von ihrer zumisst unerfüllten Sehnsucht nach dem Gewinn. »19 .500 Menschen wandten sich im vergangenen Jahr an die Suchthilfeberatungsstellen, gut 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Rund drei Viertel der Hilfesuchenden führten ihre Probleme auf das Spielen an Automaten in Spielhallen und Gaststätten zurück«, konnte man im vergangenen Jahr einer kleinen Meldung im SPIEGEL entnehmen. Die Automatenindustrie mit dem Branchenprimus Paul Gauselmann hart in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, von großzügigen Parteispenden bis hin zu einer erfolgreichen Lobbyarbeit gegen eine schärfere Regulierung ihrer Branche (hierzu beispielsweise "Zockerlobby entschärft Geldwäschegesetz").
Auch in anderen Ländern gibt es zunehmende Probleme mit der Spielsucht und der Expansion der Spielautomaten. Für England wurde diese Tage eine interessante Studie veröffentlicht, die der Frage nachgegangen ist, ob es eine ungleiche Verteilung des für jede Sucht notwendigen Angebots in Abhängigkeit von der sozialen Lage der Menschen gibt. Die Befunde sind eindeutig: Das ärmste Viertel der Bevölkerung hat mehr als 13 Mrd. Pfund (15,7 Mrd. Euro) mit "high-speed, high-stakes gambling machines" verspielt - das ist doppelt so viel wie in den reichsten Gebieten, berichtet Randes Ramesh in seinem Artikel "England's poorest bet £13bn on gambling machines".
In den 55 ärmsten Bezirken, überwiegend in nordenglischen Städten und im Großraum London gelegen, wurden 2.691 Wettbüros und Spielhallen gezählt, in denen 13 Mrd. Pfund umgesetzt wurden, während in den 115 reichsten Bezirken des Landes mit dem gleichen Anteil an der Bevölkerung 1.258 Anbieter einen Umsatz in Höhe von 6,5 Mrd. Pfund generiert haben. Die Daten stammen von der "Campaign for Fairer Gambling". Offensichtlich, so die Studie, haben die Anbieter "the poorest areas with the highest unemployment, lowest income levels and higher crime rates" ins Visier genommen für ihre Spielhallen-Expansion. Die Folgen in den betroffenen Gebieten sind desaströs, wie das folgende Zitat verdeutlicht: »Nick Small, who represents Liverpool city centre, said millions of pounds that should be used to pay rent or for food was being "sucked into the machines".« Und weiter führt er aus:
»We are seeing horrific reports of family breakdown caused by gambling debts, problems with loan sharks. We are pretty sure organised crime is using the machines to launder money. It's out of control in a city like ours, where there are a lot of poorer people."«
Fünf große Unternehmen beherrschen den Markt der Spielhallen in Großbritannien mit einem Anteil von 92%. Sie machen einen Gewinn in Höhe von 1,6 Mrd. Pfund.
Über die Zahl der Menschen, die ein "problematisches Spielverhalten" an den Tag legen oder gar als "spielsüchtig" einzuschätzen sind, gibt es naturgemäß nur Schätzungen, die immer wieder Gegenstand der Diskussion sind.
»A study published in December by the Health and Social Care Information Centre, a government body, found “problem gambling” much less prevalent than a similar survey two years ago. It said 0.8% of English men were gambling addicts, compared with 1.5% in 2010 (women rarely gamble to excess)«, so der Beitrag "A risky business. Gambling machines are controversial—and increasingly unpopular", der im Economist veröffentlicht wurde.
Und wie sieht es in Deutschland aus?
»Laut einer aktuellen Studie nehmen Deutsche zwar insgesamt seltener an Glücksspielen teil als früher. Doch nach wie vor sind mehr als 400.000 Personen spielsüchtig. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen«, kann man einem neuen Artikel entnehmen, der sich auf eine neue Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bezieht (vgl. BZgA: Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2013. Ergebnisbericht, Köln, Februar 2014). 2013 hat die BZgA 11.501 Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren zu ihrem Spielverhalten befragt. Die Befragung findet seit 2007 alle zwei Jahre statt. Die Studie quantifiziert die Ausmaße der Betroffenheit:
»Bei rund 1,2 Prozent der Männer und 0,2 Prozent der Frauen liegt ein problematisches Spielverhalten vor, das als Vorstufe zur Spielsucht gilt. Rund 1,3 Prozent der Männer sowie 0,3 Prozent der Frauen werden als glücksspielsüchtig eingeschätzt - insgesamt sind etwa 438.000 Deutsche davon betroffen ... Problematisches Spielverhalten und Spielsucht sind vor allem Probleme junger Männer; von den 18- bis 20-jährigen Männern fielen gut neun Prozent in diese Kategorien. Arbeitslosigkeit und Migrationshintergrund sind weitere Risikofaktoren, so die BZgA.«
Während insgesamt eher rückläufige Werte hinsichtlich der Teilnahme an Glücksspielen konstatiert werden, gibt es eine hier bedeutsame Abweichung:
»Fürs Zocken an Geldspielautomaten geht der Trend in eine andere Richtung: 3,7 Prozent hatten die Geräte genutzt. Bei der Befragung 2007 waren es 2,2 Prozent gewesen.«
Eine vergleichbare Untersuchung wie die hier skizzierte aus England hinsichtlich der Verteilung der Angebote fehlt meines Wissens für Deutschland.