Wie war das noch mal mit dem Wasser predigen und Wein trinken? Über ein neues "sehr merkwürdig" daherkommendes Stück aus der Serie "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" muss an dieser Stelle zur Anzeige gebracht werden. Es geht um Leiharbeit - und um einen Staat, der einerseits diesen Teil der Wirtschaft unter regulatorischen Druck gesetzt hat, z.B. in Form von neuen Verboten oder Auflagen, der aber andererseits sich selbst gerne außerhalb der damit verbundenen Unannehmlichkeiten sehen möchte.
Die SPD hat sich in den zurückliegenden Jahren auf den harten Bänken der Opposition im Bundestag als aufrechte Kämpferin gegen den Missbrauch und die Ausbreitung der Leiharbeit zu profilieren versucht. Und tatsächlich ist es im Zusammenspiel vor allem mit der negativen Berichterstattung in den Medien dann auch dazu gekommen, dass der Leiharbeit einige - unter der rot-grünen Bundesregierung Anfang der 2000er Jahre eingeführte - Vergünstigungen wieder weggenommen wurden und dass man zugleich versucht hat, einzelne immer wieder beobachtbare missbräuchliche Ausformungen der Nutzung des Instruments Leiharbeit zu verunmöglichen. Damit ist aber Aufwand verbunden, zwangsläufig und unvermeidbar. Nur - was man den normalen Unternehmen meint zumuten zu können, das möchte sich der Staat selbst nicht antun, jedenfalls muss das so rüberkommen, wenn man den Beitrag "SPD plant Staatsprivileg für Zeitarbeit" liest, der in der Online-Ausgabe der FAZ veröffentlicht wurde.
Zum Hintergrund: 2011 wurden durch die schwarz-gelbe Koalition Verschärfungen des Leiharbeitsrechts vorgenommen, darunter befanden sich auch neue Regeln zur Eindämmung der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung:
»Diese sollen verhindern, dass Arbeitgeber eigene Personaldienstleistungsfirmen gründen und Mitarbeiter dorthin auslagern, nur um sie dann zu schlechteren Arbeitsbedingungen einzusetzen. Nicht in jedem Fall hat konzerninterne Überlassung diesen Zweck. Doch um Missbrauch zu verhindern, müssen Firmen seither für die Arbeitnehmerüberlassung eine aufwendigere „Zuverlässigkeitsprüfung“ durch die Arbeitsagentur durchlaufen, und sie müssen belegen können, dass die einzelnen Arbeitseinsätze „vorübergehend“ sind.«
Nun gibt es aber eine neue Bundesratsinitiative SPD-geführter Bundesländer, die sowohl in der Wirtschaft wie auch bei den Gewerkschaften für mehr als Kopfschütteln sorgt: Die Länder wollen die öffentlichen Arbeitgeber durch eine Sondervorschrift von den ihrer Ansicht nach zu bürokratischen Regeln für Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung befreien. Einen Entschließungsantrag dazu haben Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in die Bundesratssitzung an diesem Freitag eingebracht.
Die Bundesländer-Initiative hat das Ziel, den Staat als Arbeitgeber von den 2011 durch die schwarz-gelbe Koalition eingeführten Verschärfungen des Leiharbeitsrechts zu befreien. Die neuen Regeln zur Eindämmung der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung sind den öffentlichen Arbeitgebern nun aber für ihre eigene Personalwirtschaft offensichtlich zu kompliziert - und deshalb will man sie, aber nur sie, davon befreien:
»Die strengeren Anforderungen der Zuverlässigkeitsprüfung führten „zu einem bürokratischen Mehraufwand, der nicht mit dem Ziel des Bürokratieabbaus zu vereinbaren ist“, heißt es in der Vorlage für die Bundesratssitzung. Es entstünden Kosten von bis zu 4250 Euro, obwohl die Zuverlässigkeit öffentlicher Arbeitgeber „nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen ist“.«
Die Gewerkschaft Verdi findet das alles "sehr merkwürdig", denn: »Die geplanten Sonderregeln verstärkten insgesamt den Anreiz für Kommunen, Personal in privatrechtlich organisierte öffentliche Betriebe auszulagern, für die nicht das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes gilt.«
Die Perspektive der Wirtschaft ist die, dass innerhalb kürzester Zeit nun schon ein weiteres Mal der Staat der "normalen" Wirtschaft Auflagen machen oder Restriktionen auferlegen will, sich selbst aber als Arbeitgeber den Folgen zu entziehen versucht:
»... in den Koalitionsverhandlungen streitet die SPD dafür, die sogenannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen zu verbieten. Dann dürften Arbeitgeber befristete Stellen nur noch anbieten, wenn es dafür eine gesetzlich ausdrücklich zugelassene Begründung gibt. Einer der bereits heute zugelassenen Sachgründe ist ein weiteres Privileg für den Staat: Falls im öffentlichen Haushalt das Geld für dauerhafte Stellen fehlt, darf er befristen. Das Befristungverbot träfe daher nur private Unternehmen.«
Bereits heute ist es so, dass beim Staat deutlich häufiger befristet wird als in der Privatwirtschaft. Unterm Strich würde eine Umsetzung der SPD-Forderung zu einem "interessanten" Ergebnis führen: „Mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung schafft sich der Staat nahezu ein Befristungsmonopol“, so wird der Vorsitzende des Verbands Südwestmetall, Stefan Wolf, in dem FAZ-Artikel zitiert.
Ach ja, wie so oft blicken wir in den tiefen Spalt zwischen Theorie und Praxis.