Es ist - das sei hier vorangestellt - richtig, wenn die Grünen in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich feststellen: „In Betrieben, in denen immer mehr Festangestellte durch externe Leiharbeitskräfte oder Werkvertragsbeschäftigte verdrängt werden, da zersplittern die Belegschaften.“ Deshalb sprechen sie sich auch dafür aus, gerade bei den zunehmend ins Blickfeld genommenen Werk- und Dienstverträgen die Regulierungsschrauben anzuziehen und haben hierzu in der nun auslaufenden Legislaturperiode entsprechende parlamentarische Vorstöße unternommen.
Vor diesem Hintergrund ist es natürlich pikant und ein gefundenes Fressen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, wenn sie berichteten kann: "Unzulässige Leiharbeit in der Heinrich-Böll-Stiftung", so lautet die Schlagzeile von Corinna Budras zu einem Sachverhalt, über den auch die taz berichtet: "Leiharbeiter klagt sich ein". Dabei geht es hier - um genauer zu werden - nicht um Leiharbeit an sich, sondern um ein Thema, das auch auf dieser Seite mehrfach problematisiert worden ist: Werk- und Dienstverträge, die es schon immer gegeben hat, die aber von einem Teil der Unternehmen zunehmend missbraucht werden, um die "zu teuer" gewordene Leiharbeit zu substituieren für Strategien der Tarifflucht und der Lohnkostensenkung sowie dem Auslagern von Arbeitgeberpflichten, die mit einer Normalbeschäftigung verbunden wären.
Zuweilen aber geht es auch um die Schwierigkeit, in der betrieblichen Praxis den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen, die erfüllt sein müssen, damit es sich um einen "echten" Dienstvertrag und nicht um eine "unerlaubte" Arbeitnehmerüberlassung handelt - die erhebliche rechtliche Konsequenzen für das faktisch entleihende Unternehmen hat, wenn das ans Tageslicht gefördert wird und das Werkvertragsunternehmen nicht über den "Reservefallschirm" einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt (zu den sich hier andeutenden Tiefen und Untiefen vgl. auch Sell, S.: Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze (Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 13-2013), Remagen, 2013).
Zum Sachverhalt:
»Das Arbeitsgericht Berlin hat ausgerechnet die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung verurteilt. Geklagt hatte ein Mitarbeiter, der bei einem Unternehmen für Besucherservice angestellt ist. Seit mehreren Jahren wurde er bei der Heinrich-Böll-Stiftung für Umbauarbeiten zur Vorbereitung von Veranstaltungen in ihrem Konferenzzentrum eingesetzt. Dabei war er bei der Stiftung jedoch gar nicht angestellt, weder regulär noch als Leiharbeitnehmer. Vielmehr hatten beide Seiten einen Werkvertrag vereinbart, durch den der Dienstleister flexibler und kostengünstiger eingesetzt werden kann.«
Die grüne Stiftung hat nun ein großes Problem, denn die Werkvertragsfirma Xenon aus Berlin verfügt nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und damit nicht über den bereits erwähnten "Reservefallschirm" (vgl. Sell 2013). Daher, so das Gericht folgerichtig, bestehe ein direktes Arbeitsverhältnis des Klägers Michael Rocher mit der Heinrich Böll Stiftung, wo er seit April 2011 beschäftigt ist, wie man dem taz-Artikel entnehmen kann. Die Stiftung ist an einem der Grundproblem des richtigen Einsatzes von Werk- und Dienstverträgen gescheitert:
»Im konkreten Fall sollte das Unternehmen Personal für den Besucher- und Veranstaltungsservice zur Verfügung stellen und den Service auch selbst betreiben. In der Praxis mischte sich dabei jedoch die Stiftung ein. „Deshalb handelt es sich bei dem zustande gekommenen Vertragsverhältnis nicht um einen Werk- oder Dienstvertrag, sondern um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag“, so das Gericht«, berichtet Corinna Budras in ihrem Artikel.
Der Kläger Rocher hofft, dass das Urteil kein Einzelfall bleibt, denn: Rund 20 Mitarbeiter seien mit ähnlichen Verträgen, wie sie das Gericht jetzt als unrechtmäßig klassifiziert hat, bei der Stiftung beschäftigt. Rocher wurde von der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) unterstützt, die in den letzten Wochen eine Kampagne gegen Leiharbeit bei der Böll-Stiftung initiierte. Im Rahmen dieser Kampagne wurden auch die Wahlplakate der Grünen persifliert. So steht beispielsweise neben dem Konterfei des Schriftstellers Heinrich Böll die Frage "Ich bin gegen prekäre Arbeit bei der grünen Heinrich Böll Stiftung und Du?"
Das neue Urteil reiht sich ein in weitere Entscheidungen zuungunsten der Arbeitgeber, die in der jüngeren Vergangenheit von den Gerichten gefällt worden sind, so beispielsweise gegen die Bertelsmann-Tochter Arvato-Systems. Auch Daimler hat jüngst Niederlagen vor Gericht einstecken müssen.
Die wichtigste Botschaft dieser neueren Entwicklungen hat Marcus Creutz in einem Artikel auf Focus Online in seine Überschrift gepackt: "Werkverträge: Unternehmen müssen sich in Acht nehmen". Und das ist auch gut so.