Auf der einen Seite wird der "Geld- und Menschensegen" durch die Globalisierung bejubelt und mehr davon gefordert - gemeint sind die Gelder aus aller Herren Länder, die in der Schweiz deponiert oder in Deutschland investiert werden, wie aber auch und derzeit vor allem die "Fachkräfte" und "high potentials", die man angeblich so dringend braucht wegen der demografischen Entwicklung. Gerade Deutschland geht bereits wieder auf "Anwerbetour" in andere Länder, rekrutiert in China 150 Altenpfleger, die demnächst in deutschen Pflegeheimen eingesetzt werden oder eine Stadt wie Mainz bestellt sich in Spanien 200 spanische Erzieherinnen, um den Fachkräftemangel in den eigenen Kitas zu bekämpfen. Von den vielen osteuropäischen Ärzten in deutschen Krankenhäusern ganz zu schweigen.
Auf der anderen Seite gibt es aber die aus dieser Sicht zu vermeidenden "Kollateralschäden" der Zuwanderung - gemeint sind hier Menschen, die eben nicht den Nutzungsinteressen der Aufnahmeländer entsprechen (können), die vor allem kommen, weil sie in bitterer Armut leben müssen oder aber in welcher Hinsicht auch immer in ihren Herkunftsländern verfolgt werden. Die will man eigentlich nicht und zuweilen sagt man das dann auch ganz offen. So wie in dieser Woche und so geschehen in Deutschland und der Schweiz, zwei Ländern, die bislang grosso modo auf der absoluten Gewinnerseite der Globalisierung zu finden sind. Konsequenterweise wollen dann die Apologeten einer "gesteuerten" Zuwanderung die Menschen am besten mit "Punkten" in Attraktivitätsklassen einteilen und einladen, reinlassen, abblocken - oder aber eben "rausschmeißen", wenn sie "unglücklicherweise"bei uns rein gekommen sind.
Damit wären wir bei der Wortwahl nicht irgendeines Außenseiters oder vermeintlichen Sprechers der "schweigenden Mehrheit" angekommen, sondern bei dem Bundesinnenminister Friedrich (CSU) höchstselbst. So vermeldet die Süddeutsche Zeitung kurz und präzise: Friedrich will ausländische Sozialbetrüger "rausschmeißen". Der Minister »kündigt nun einen harten Kurs "ohne großes Federlesen" an«, schreibt Welt Online bereits im Untertitel ihrer Berichterstattung. Wieder einmal geht es um die Armutsflüchtlinge aus Bulgarien und Rumänien, die seit einigen Monaten aufgrund von Berichten aus einigen besonders hart davon betroffenen Kommunen wie Dortmund, Berlin usw. im Fokus einer sich - trotz aller differenzierenden und relativierenden Hinweise (so auch in einem Beitrag auf der Facebook-Seite von "Aktuelle Sozialpolitik" am 4. März 2013) - verselbständigenden Debatte stehen.
Die Bundesregierung werde künftig mit Ausweisung und Einreiseverboten auf mutmaßliche Sozialleistungseinwanderer reagieren, so der Bundesinnenminister und die EU-Kommission habe Deutschland mitgeteilt, dass solche Sanktionen nach europäischem Recht erlaubt seien. Der Herr Minister möchte ausweisen und die davon Betroffenen mit einer Einreisesperre für eine "bestimmte Zeit" belegen: "Wenn die dann irgendwo aufgegriffen werden, dann kann man ohne großen Federlesens sie wieder rausschmeißen, und das ist das Entscheidende", mit diesen Worten wird der Bundesinnenminister in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Und an dieser Sprache merkt man natürlich sogleich, dass es dem Herrn Minister vor allem um Wahlkampf geht, um die berühmte Lufthoheit über den Stammtischen. Das Problem ist nämlich, dass der Herr Minister hier vor allem eine Aktivitätssimulation in den Raum stellt, um die Emotionen eines Teils der Bevölkerung zu bedienen, die aber gerade im vorliegenden Fall der beiden Länder Rumänien und Bulgarien weitgehend eine Simulation bleiben muss, denn die Bürger dieser Staaten sind EU-Bürger, für die Freizügigkeit gilt, die nur bei "Betrügern" eingeschränkt werden darf, so die EU-Kommission - und dazu muss man erst einmal einen Betrug beweisen. Und überhaupt - die "Beweislage" der Bundesregierung, dass es in einem großen Umfang "Sozialleistungseinwanderung" gebe, ist mehr als dünn und stützt sich - so die Ausführungen der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag (Haltung der Bundesregierung zum Umgang mit EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern aus Rumänien und Bulgarien, Bundestags-Drucksache 17/13322 vom 26.04.2013) - im Wesentlichen auf die Zitation eines "Brandbriefs" des Deutschen Städtetags vom Januar dieses Jahres. Konkret findet man in der Drucksache den folgenden Hinweis:
»Der Bundesminister des Innern stützt sich insoweit u. a. auf das Positionspapier des Deutschen Städtetages vom 22. Januar 2013, wonach es ... „erhebliche Probleme mit einem großen Anteil der zuwandernden Menschen aus Südosteuropa“ gebe. Die Einreise erfolge „offiziell zum Zweck der Arbeitssuche“, jedoch komme eine Erwerbstätigkeit wegen der „schlechten Bildungs- und Ausbildungssituation sowie fehlender und mangelhafter Sprachkenntnisse“ und der „sozialisationsbedingten Erfahrungshorizonte“ nicht zustande. Schlepper nähmen „gegen ein hohes Entgelt die Vorbereitung der Kindergeldanträge und der Gewerbezulassungsverfahren“ vor und Zuwanderer versuchten „sich illegal Einkommen zu verschaffen, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten oder der Prostitution sowie der Bettelei nachzugehen“« (Bundestags-Drucksache 17/13322, S. 18)
Das ist doch mehr als dünn. Entsprechend auch die Kommentierung von Peter Nowak in einem Beitrag bei Telepolis.
Nur scheinbar nicht in einem direkten Zusammenhang stehend eine andere Meldung, die uns aus der Schweiz erreicht: "Schweizer sind mit verschärftem Asylrecht einverstanden", meldet beispielsweise "Zeit Online": »Knapp 80 Prozent der Bürger haben eine Initiative gegen das neue Schweizer Asylrecht abgelehnt. Flüchtlinge können damit innerhalb von 100 Tagen abgewiesen werden.« Die politische Linke und Hilfsorganisationen für Migranten wollten das Gesetz mit dem Referendum nun zu Fall bringen, scheiterten aber mit ihrem Vorhaben mehr als deutlich. Ein Hintergrund ist sicher auch die wahrgenommene "Belastung": »Die Schweiz rangiert bei der Aufnahme von Flüchtlingen unter den europäischen Staaten an vierter Stelle hinter Malta, Schweden und Luxemburg. Auf 332 Schweizer kommt ein Asylbewerber, im europäischen Durchschnitt ist es einer auf 625 Einwohner.« Derzeit warten etwa 48.000 Menschen in der Schweiz auf ihren Asylbescheid; die meisten stammen aus Eritrea, Nigeria, Tunesien, Serbien und Afghanistan.
Über einen ganz besonderen Aspekt mit Blick auf die Schweizer Behörden berichtet Jan Dirk Herbermann in seinem Artikel über die nun gescheiterte Initiative:
»Laut dem neuen eidgenössischen Asylgesetz aber können sie „renitente“ Asylbewerber in „besondere Zentren“ einweisen. „Asylsuchende, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden“ oder den Asylprozess „erheblich stören“, müssen mit einem Zwangsaufenthalt in den abgeschirmten Zentren rechnen. Die „besonderen Zentren“ bilden die Eckpfeiler eines der schärfsten Asylgesetze in Europa – und sie lösen seit Monaten Entrüstung bei vielen Eidgenossen links der Mitte aus. Die Gegner des neuen Asylgesetzes warnen mit Blick auf die „besonderen Zentren“ vor einer „Schweiz der Lager“.«
Man muss allerdings fairerweise an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es bislang noch nicht zu der Einrichtung eines solchen "Lagers" gekommen ist.
Beide Beispiele aber zeigen, dass die Luft dünner wird für Asylsuchende aus Drittstaaten wie für Armutsflüchtlinge innerhalb der EU. Aber aufhalten können wird man diese Wanderungsbewegungen nur schwer bis gar nicht. Und teilweise produziert man selbst das, was man jetzt wortaggressiv beklagt, womit wir wieder bei unserem Bundesinnenminister wären. Denn die Tatsache, dass sich viele Armutsflüchtlinge als Ein-Mann-"Selbständige" anmelden, hat ja auch was mit dem Verbot einer legalen Beschäftigungsaufnahme zu tun, die Deutschland noch bis Ende dieses Jahres ausgereizt hat. Ab 2014 ist damit aber definitiv Schluss. Es Sollte allen klar sein - die Armuts-Afrikaner kann man möglicherweise noch eine ganze Weile auf dem Mittelmeer stoppen oder gleich auf nordafrikanischem Boden, aber die Armutsflüchtlinge innerhalb der EU werden sich nicht so einfach davon abhalten lassen, ihr Glück im "Erfolgsmodell" Deutschland, so die regierungsamtliche Terminologie, zu suchen. Und mal ehrlich - würden wir das nicht auch versuchen, wenn wir nicht auf der Sonnenseite leben würden? Zumindest einige schon, sicher.