Mittwoch, 25. Februar 2015

Jetzt wird es besser für die gebeutelten Wohnungssuchenden - die Mietpreisbremse kommt. Fragt sich nur, für wen was besser wird


Vier Stunden lang - angeblich bei Hühnerfrikassee und Salat - haben die Partei- und Fraktionschefs der Großen Koalition innenpolitisch relevante Themen bearbeitet. Ein Ergebnis des Gipfeltreffens ist dann so eine Schlagzeile: Union lenkt ein im Streit um Mietpreisbremse. Das hört sich nach einem guten Ausgang an für die vielen gebeutelten Wohnungssuchenden in unserem Land, die - zumindest und vor allem in den Großstädten - mit für sie immer unbezahlbarer werdenden Wohnungen konfrontiert sind. Wenn sie denn überhaupt eine finden. Die Einführung einer Mietpreisbremse wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013 unter der Überschrift "Bezahlbare Mieten" als Vorhaben der Großen Koalition festgeschrieben: »Damit Wohnraum insbesondere in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt, räumen wir den Ländern für die Dauer von fünf Jahren die Möglichkeit ein, in Gebieten mit nachgewiesenen angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung von Wohnraum die Mieterhöhungsmöglichkeiten auf maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu beschränken. Erstvermietungen in Neubauten sowie Anschlussvermietungen nach umfassenden Modernisierungen sind davon ausgeschlossen« (S. 81).

Nun ist seit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages im Dezember 2013 einige Zeit ins Land gegangen und der Februar des Jahres 2015 neigt sich seinem Ende zu - offensichtlich ist es gar nicht so einfach gewesen, nun endlich die Umsetzung der vereinbarten Mietpreisbremse in ein Gesetz zu gießen. Das hängt auch damit zusammen, dass es sich um ein Paket an Maßnahmen handelt, neben der Mietpreisbremse gibt es eine weitere Regulierung und die war bzw. ist strittig vor allem in den Reihen der Unionsabgeordneten: Es geht um das so genannte Bestellerprinzip bei Maklern und daran soll nun doch nicht gerüttelt werden, trotz aller Interventionen der Maklerverbände. Künftig bezahlt derjenige den Makler, der ihn bestellt - also meist die Vermieter statt wie bisher die Mieter. Das Kabinett hatte den Gesetzentwurf schon Anfang Oktober 2014 beschlossen, in den Beratungen im Bundestag hatte es dann aber Widerstände aus der Union gegeben, vor allem gegen das Bestellerprinzip. Warum die neue Regelung der Maklercourtage den Mietern schadet versucht Sun Jensch, die Geschäftsführerin des Immobilienverbands Deutschland (IVD), der 2004 als Zusammenschluss des Rings Deutscher Makler und des Verbands Deutscher Makler entstanden ist, in einem Interview zu begründen. Natürlich aus der Perspektive der Maklerbranche. Der IVD schätzt die Zahl der vollerwerbstätigen Immobilienmakler in Deutschland auf 12.000 bis 15.000. Hinzu kommen noch zahlreiche Gelegenheitsmakler.

Von wohnungs- und damit sozialpolitisch größerer Bedeutung ist aber die in Aussicht gestellte Mietpreisbremse - und da lohnt es schon, genauer hinzuschauen, ob wir es wirklich mit einer echten Verbesserung für die Mieter zu tun haben oder aber, ob nicht am Ende etwas anderes herauskommen wird, als man ursprünglich gedacht hat.

Dazu kurz ein Blick auf die "Mietpreisbremse", wie sie nun kommen wird (vgl. hierzu beispielsweise So funktioniert die Mietpreisbremse):

»Die Mietpreisbremse wird nun voraussichtlich im April in Kraft treten ... Danach wird es aber noch etwas dauern, bis die Bremse betroffenen Bürgern wirklich helfen kann. Denn die Umsetzung obliegt den Bundesländern – sie können dann ab sofort per Rechtsverordnung Wohngebiete in Städten und Ballungszentren als "angespannte Wohnungsmärkte" ausweisen.

Als angespannt gilt die Situation demnach, wenn der örtliche Mietanstieg oder die örtlichen Mieten über dem bundesweiten Durchschnitt liegen. Diese Zonen-Ausweisung soll aber ... nur für fünf Jahre gültig und letztmalig im Jahr 2020 möglich sein. Bisher gilt die Bremse also nur bis 2025. Im übrigen ist kein Bundesland verpflichtet, eine Mietpreisbremse einzuführen. Sie ist freiwillig. Für Wohnungen, die in Zonen liegen, die als angespannt gelten, darf die Miete bei Neuvermietung dann nicht mehr beliebig erhöht werden. Eine Wohnung darf fortan nur noch höchstens zehn Prozent teurer vermietet werden als eine vergleichbare Wohnung derselben Größe und Lage. Maßstab sollen der örtliche Mietspiegel oder vergleichbare statistische Erhebungen zu Mietpreisen in der Umgebung sein.«

Es gibt allerdings zwei gewichtige Ausnahmen von der möglichen Mietpreisbremse: Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 neu gebaut wurden, fallen nicht unter die Deckelung. Und die »zweite Ausnahme sind Wohnungen, die umfassend saniert wurden und danach erstmals neu vermietet werden. Umfassend saniert bedeutet, dass der Vermieter für die Umbauarbeiten ein Drittel der Kosten investierte, die ihn ein kompletter Neubau gekostet hätte.« Bei weniger teuren Sanierungsarbeiten bleibt es bei der schon heute gültigen Regelung, dass der Vermieter unter bestimmten Umständen bis zu elf Prozent der Sanierungskosten auf die Jahresmiete aufgeschlagen kann.

»Vor allem in Großstädten wie Hamburg und Berlin und in den Ballungsgebieten, wo Wohnraum knapp ist, würden nun Hunderttausende Mieter vor überzogenen Mieterhöhungen geschützt, argumentieren die Fachpolitiker in der SPD-Bundestagsfraktion. Die Mietpreisbremse verhindere, dass "Menschen in Stadtvierteln nach Einkommen getrennt" würden, teilte SPD-Verbraucherschutzminister Heiko Maas mit«, so Lisa Caspari in ihrem Artikel. Das hört sich aus einer sozialpolitischen Sicht erst einmal sehr erfreulich an.

Aber wird es auch so kommen? Daran kann man berechtigte Zweifel haben.
»Die Mietpreisbremse soll die Schwachen auf dem Wohnungsmarkt schützen. Doch es droht ein gegenteiliger Effekt: Die neue Regelung dürfte häufig gut betuchten Menschen zu günstigem Wohnraum verhelfen«, so Michael Fabricius in seinem Artikel Warum die Mietpreisbremse nur Gutverdienern hilft. Etwa 4,2 Millionen der 21,1 Millionen Mietwohnungen in Deutschland liegen in Gebieten, in denen die Vermieter in den vergangenen Jahren kräftig die Miete erhöht haben. Und die Betroffenen haben nun die Perspektive, dass ihnen geholfen wird - möglicherweise. Fabricius macht eine andere Rechnung auf: Nicht nur Neubauten und grundlegend sanierte Wohnungen sind ausgenommen von der Deckelung der Mietpreissteigerungen. »Auf laufende Mietverträge hat die Preisbremse keinen Einfluss. Und wenn die Miete bereits höher liegt, muss der Vermieter sie auch nicht wieder absenken.« Warum sich nicht wirklich etwas ändern wird, beschreibt Fabricius so: »Das Problem: Die Wohnungsknappheit in gefragten Regionen wird durch die Preisbremse nicht beseitigt. Dort werden die Bewerber bei der Besichtigung weiterhin Schlange stehen. Und wenn der Vermieter wählen darf, dürfte klar sein: Er entscheidet sich für denjenigen Mieter, der ihm am solventesten erscheint.« Und er verweist auf eine andere Schwachstelle im Gesetz: »Worauf genau bezieht sich der Begriff "ortsübliche Vergleichsmiete"? Nur wenige Städte haben einen nach wissenschaftlichen Maßstäben aufgestellten Mietpreisspiegel, der als Maßstab herhalten könnte. Und selbst diese Preisspiegel sind oft veraltet ... Die Mietspiegel in Deutschland sind nicht qualifiziert, sondern einfach, auf Grundlage grober Schätzungen entstanden. Bevor Vermieter diese Mietspiegel als Begrenzungsmaßstab akzeptieren, wird es viel Streit geben. Bürger, Anwälte und Gerichte werden die Fragen klären müssen, die der Gesetzgeber offengelassen hat.«

Diese Einwände sind nun nicht wirklich neu. Bereits am 10.11.2013 habe ich das Dilemma in diesem Blog-Beitrag ausführlich beschrieben und diskutiert: Wohnst Du schon oder hoffst Du noch? Wohnen als soziale und ökonomische Frage. Und wie die Große Koalition damit umzugehen beabsichtigt. In diesem Beitrag hatte ich Sven Böll zitiert, der in seinem Artikel Die Mietpreisbremse hilft nur den Reichen vom 05.11.2013 von einem "Noch-mehr-Netto-Projekt für die Oberschicht und die gehobene Mittelschicht" geschrieben hat. Die vielbeklagte Gentrifizierung, also das Verdrängen alteingesessener Mieter durch wohlhabende Zugezogene, könnte sich noch verschärfen, so Böll. Mit dem Unterschied, dass bei Funktionsfähigkeit der Mietpreisbremse das Doppelverdiener-Paar ohne Kinder nun günstiger an die Wohnung kommt als es ansonsten der Fallgewesen wäre. Und dann kommt ein Satz von ihm, der das Grunddilemma markiert: »So lange die Nachfrage das Angebot übersteigt, haben die Schwächeren, die mit geringem Einkommen und vielen Kindern, auf dem Mietmarkt immer das Nachsehen.«

Das ist der Punkt: Wir haben es mit einem veritablen Marktungleichgewichtsproblem zu tun. Nüchtern formuliert: Nachfrage > Angebot.

In meinem Blog-Beitrag aus dem November 2013 habe ich das Problem und die daraus eigentlich ableitbare Konsequenz so formuliert:

»Die Antwort angesichts des erkennbaren "doppelten Nachfrage-Angebots-Problem" (doppelt, weil zum einen grundsätzlich Nachfrage > Angebot und dann auch noch für die einkommensschwachen Gruppen ein mehrfach ausgeprägtes Nachfrage > Angebot vorliegt) kann nur lauten, das Angebot an bezahlbaren Wohnraum deutlich auszuweiten, also nicht generell das Angebot, sondern eine "doppelte Angebotsausweitung" (doppelt im Sinne von Angebot ausweiten für die unteren Einkommensgruppen und das dann gezielt in den Mangelgegenden).«

In eine vergleichbare Richtung geht die Argumentation des Stadtsoziologen Andrej Holm in seinem Beitrag Feigenblatt Mietpreisbremse, der im Jahr 2014 in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" veröffentlicht worden ist. Auch er argumentiert, dass »die vorgesehene Deckelung der Wiedervermietungsmieten knapp über den ortsüblichen Vergleichsmieten vor allem der Mittelschicht (nützt). Haushalte mit mindestens durchschnittlichen Einkommen werden es künftig leichter haben, eine neue Wohnung zu finden. Das ist zwar zu begrüßen, hilft aber Haushalten mit unterdurchschnittlichen Einkommen nicht: Geringverdiener brauchen Mieten unter dem Mietspiegelniveau. Deren Anteil wird jedoch mit der Mietpreisbremse nicht steigen.«

Und dann liefert er einen sozialpolitisch sehr wichtigen Hinweis angesichts der Konflikthaftigkeit, die mit dem Thema "Kosten der Unterkunft" im Hartz IV-System verbunden ist:

»Mit Blick auf die restriktiven Regelungen zu den Kosten der Unterkunft sind etwa die Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften faktisch von den Vorzügen der Mietpreisbremse ausgeschlossen: Den Durchführungsrichtlinien der Sozialgesetzgebung zufolge sollen sich die Wohnkosten, die von den Jobcentern übernommen werden, am „unteren Bereich des örtlichen Mietniveaus“ orientieren. In der Regel heißt das, dass die Mieten 80 Prozent des Durchschnittsniveaus nicht überschreiten dürfen. Selbst dort, wo sich die Eigentümer an die Mietpreisbremse halten, wird es also keine Wohnungen für Hartz-IV-Mieter geben. Die Mietpreisbremse wird die Wohnungsnot der Haushalte mit geringen Einkommen daher nicht mildern. Somit bleibt schleierhaft, wie dieses Instrument die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung verhindern soll.«

Und Holm bringt es im weiteren Gang seiner Argumentation auf den Punkt: »Das Problem der Wohnungsversorgung ist nicht in fehlenden Mietrechtsregelungen, sondern in der Marktlogik selbst zu verorten: Denn innerhalb dieser gibt es für eine soziale Wohnungsversorgung keinen Anreiz ... Was es angesichts der aktuellen Wohnungsfragen braucht, ist keine Mietpreisbremse, sondern eine Verwertungsbremse. Im Bereich der Wohnungsversorgung wird das nur mit öffentlichen und gemeinnützigen Trägern zu realisieren sein. Beispielhaft dafür steht der öffentliche Wohnungsbau in anderen europäischen Ländern, der zum Teil seit Jahrzehnten dauerhaft preiswerten Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung bereitstellt.«

Was das schlussendlich bedeutet? Ich kann an dieser Stelle erneut man Fazit aus dem zitierten Blog-Beitrag vom 10.11.2013 reanimieren, er hat nicht an Relevanz und Aktualität verloren - und warum soll man dann ein anderes schreiben?

»Auch wenn es als eine herkulische Aufgabe daherkommt: Notwendig ist nicht nur eine Partial-Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus, sondern durchaus eine Renaissance dieses Ansatzes wie in den 60er oder 70er Jahren. Eine gezielte Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften und auch eine deutliche Zunahme der kommunalen Träger-Aktivitäten. Dazu würde man sich Hilfestellung aus Berlin wünschen.«

Foto: © Stefan Sell