Dienstag, 26. November 2013

Eine harte Packung: Ungleichheit und soziale Polarisierung im Spiegel neuer Zahlen

Es gibt sie, diese Tage, an denen man förmlich bombardiert wird mit Zahlen und Aussagen, die auf fundamentale gesellschaftliche Entwicklungslinien verweisen. So ein Tag fängt beispielsweise an mit einer solchen Botschaft: Das Statistische Bundesamt bringt es in der für die Bundesstatistiker so typisch trockenen Art und Weise, aber zugleich absolut zutreffend schon in der Überschrift der Pressemitteilung über den neuen "Datenreport 2013" auf den Punkt: "Mehr Jobs, aber auch mehr Armut". Die Süddeutsche Zeitung titelt dazu: ”Reiches Deutschland, armes Deutschland" und Spiegel Online gar: "Arme Deutsche sterben früher". Eine Zusammenfassung einiger ausgewählter Aspekte aus dem neuen "Datenreport 2013" kann man auf der Facebook-Seite von "Aktuelle Sozialpolitik" nachlesen.

Aber damit noch nicht genug: "Deutschland vernachlässigt arme Rentner", so berichtet Spiegel Online über eine neue OECD-Studie, die Online-Ausgabe der Welt überschreibt einen Artikel dazu mit: "Geringverdiener bekommen ein Rentenproblem". Was ist hier los?

Die OECD hat eine neue Studie vorgestellt, aus der wir für Deutschland die folgende Perspektive entnehmen können: Nach derzeitigem Stand würden "die Rentenbezüge für Menschen mit verhältnismäßig kleinem Gehalt gegen Mitte dieses Jahrhunderts so niedrig sein wie in kaum einem anderen OECD-Land", sagte die Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik, Monika Queisser. Die Ökonomen der OECD analysieren die Lebensstandardänderung beim Eintritt in den Ruhestand. Die wird gemessen an den so genannten "Ersatzraten":

»Sie zeigen an, wie hoch die Bezüge von Rentnern im Verhältnis zu ihrem früheren Einkommen in Zukunft liegen werden. Im Schnitt aller 34 Länder liegt die Rate bei 54 Prozent des Bruttoeinkommens. Wer in Deutschland 2012 zu arbeiten beginnt und sein Leben lang Rentenbeiträge zahlt, kann laut OECD später 42 Prozent seines durchschnittlichen Bruttoeinkommens erwarten. Das ist nicht einmal halb so viel wie beim Spitzenreiter Niederlande, der auf eine Ersatzrate von stolzen 89 Prozent kommt.«

Immerhin bekommt man in Deutschland mehr als in Großbritannien, wo Durchschnittverdiener nur knapp ein Drittel ihres früheren Einkommens erhalten.

Allerdings: Das sind die Durchschnittswerte. Und die Daten für die Geringverdiener zeigen für Deutschland ein weitaus schlechteres Bild:

»Deutlich schlechter sieht der Vergleich jedoch bei Geringverdienern aus, die nur über die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens verfügen. Sie erhalten laut Studie in den meisten OECD-Ländern deutlich höhere Ersatzraten als Durchschnittsverdiener und werden somit vor Altersarmut geschützt. In Dänemark bekommen Niedrigverdiener 121 Prozent ihres früheren Einkommens, in Israel sind es 104 Prozent. Ganz anders in Deutschland: Hier erhalten Geringverdiener genauso wie der Durchschnitt nur 42 Prozent ihres Einkommens. Damit landet Deutschland noch hinter Polen (49 Prozent) auf dem letzten Platz.«

Nun wird an dieser Stelle immer wieder kritisch angemerkt, dass der Lebensstandard nicht nur von der Rente abhängig sei, sondern beispielsweise auch von Vermögenstatbeständen wie dem Besitz eines Hauses oder einer Eigentumswohnung. Doch auch da sieht es im internationalen Vergleich für einen Teil der in Deutschland lebenden Menschen nicht gut aus:

»So profitiert nur jeder zweite Deutsche im Ruhestand vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Im OECD-Schnitt sind es dagegen 76 Prozent.«

Und auf die immer wieder beschworenen Umverteilungseffekte staatlicher Leistungen kommen nicht berauschend daher:

»Staatliche Leistungen erhöhen das Einkommen der deutschen Rentnergeneration um durchschnittlich 30 Prozent, zehn Prozentpunkte unter dem OECD-Schnitt.«

Derzeit - gleichsam als Folgewirkung der "alten" Erfolgsstory Rentenversicherung steht Deutschland nicht gut da beim Thema Altersarmut. Allerdings:

»Der (neue) Datenreport 2013 zeigt aber, dass die Armutsgefährdung gerade bei älteren Deutschen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat.«

Die OECD weist darauf hin, dass viele Länder anders als Deutschland die Geringverdiener bei ihren Sparbeschlüssen verschont haben.

Was zu tun wäre? Ein relativ naheliegendes Konzept wäre die Besserstellung der Geringverdiener in der Rentenversicherung. Also eine stärkere Umverteilung innerhalb der Rentenversicherung. Wir hatten in der Vergangenheit solche Umverteilungselemente, die mittlerweile abgeschafft worden sind, beispielsweise die Rente nach Mindesteinkommen. Eine Mindestrente wäre die logische Antwort auf diese Entwicklungen. Beispielsweise.